„Dezembermorde“ – Versionsunterschied
[gesichtete Version] | [gesichtete Version] |
Nicola (Diskussion | Beiträge) |
→Verurteilung und Flucht: Tod von Bouterse ergänzt |
||
(26 dazwischenliegende Versionen von 18 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[Datei:Monument Decembermoorden.JPG|mini|300px|Tafel zum Gedenken an die Dezembermorde im [[Fort Zeelandia (Paramaribo)|Fort Zeelandia]], enthüllt am 8. Dezember 2009 von Präsident [[Ronald Venetiaan]]]] |
[[Datei:Monument Decembermoorden.JPG|mini|300px|Tafel zum Gedenken an die Dezembermorde im [[Fort Zeelandia (Paramaribo)|Fort Zeelandia]], enthüllt am 8. Dezember 2009 von Präsident [[Ronald Venetiaan]]]] |
||
[[Datei:Desi Bouterse.jpg|miniatur|hochkant|Desi Bouterse, |
[[Datei:Desi Bouterse.jpg|miniatur|hochkant|Desi Bouterse, Oberbefehlshaber von Suriname (1985)]] |
||
Mit dem Begriff '''Dezembermorde''' werden die Folterung und Ermordung von 15 Gegnern des [[Suriname|surinamischen]] [[ |
Mit dem Begriff '''Dezembermorde''' werden die Folterung und Ermordung von 15 Gegnern des [[Suriname|surinamischen]] [[Militärdiktatur|Militärregimes]] von [[Desi Bouterse]] am 7. und 8. Dezember 1982 bezeichnet. Ab 2007 fand vor einem surinamischen [[Militärgericht]] der Strafprozess wegen dieses Verbrechens statt. Nachdem der Prozess über Jahre verzögert und behindert worden war, wurde am 29. November 2019 der Hauptangeklagte Desi Bouterse, damaliger [[Oberbefehlshaber]] der [[Streitkräfte Surinames|Armee]] und seit 2010 Präsident des Landes, zu 20 Jahren Haft verurteilt; sechs weitere Angeklagte zu Strafen von 10 bis 15 Jahren Haft. Keiner der Verurteilten wurde bis April 2020 in Haft genommen, da die Berufungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft waren. Der Hauptangeklagte Bouterse genoss als Präsident des Landes zudem [[politische Immunität]]. Bouterse starb im Dezember 2024, ohne die Haft angetreten zu haben. |
||
== Die ''Dezembermorde'' == |
== Die ''Dezembermorde'' == |
||
[[Datei:Bullet holes in Fort Zeelandia (30451923133).jpg|mini|Die ''Bastion Veere'' mit Einschusslöchern, von denen einige erst später im Rahmen der Untersuchung verursacht wurden]] |
[[Datei:Bullet holes in Fort Zeelandia (30451923133).jpg|mini|Die ''Bastion Veere'' mit Einschusslöchern, von denen einige erst später im Rahmen der Untersuchung verursacht wurden]] |
||
In der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1982 wurden 14 prominente Kritiker des Militärregimes von Suriname, dem mit etwas mehr als 500.000 Einwohnern |
In der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1982 wurden 14 prominente Kritiker des Militärregimes von Suriname, dem mit etwas mehr als 500.000 Einwohnern kleinsten Land Südamerikas, aus ihren Wohnungen und zwei weitere aus dem Gefängnis geholt.<ref name="bote" /> Die Männer wurden zum [[Fort Zeelandia (Paramaribo)|Fort Zeelandia]] gebracht, dem damaligen [[Hauptquartier]] der Militärverwaltung nahe der Hauptstadt [[Paramaribo]]. Nach Aussagen von Zeugen erhob der damalige Oberbefehlshaber der Armee und Chef des Militärrates, Desi Bouterse, in einem „Scheinprozess“ persönlich Anklagen gegen die Männer. Sie wurden gefoltert und 15 der 16 Männer auf der [[Fort Zeelandia (Paramaribo)|Bastion Veere]] im Fort Zeelandia exekutiert.<ref name="delpher-210001">{{Internetquelle|url=https://www.delpher.nl/nl/kranten/view?coll=ddd&identifier=ddd:010378333:mpeg21:a0001 |titel=''De waarheid'', 11. Dezember 1982, S. 1. |autor= |werk=delpher.nl | sprache=nl |datum= |abruf=2020-04-01}}</ref> |
||
In derselben Nacht zerstörte das Militär das Hauptquartier der Gewerkschaft ''Moederbond'', zwei Radiostationen sowie die Redaktionsräume |
In derselben Nacht zerstörte das Militär das Hauptquartier der Gewerkschaft ''Moederbond'', zwei Radiostationen sowie die Redaktionsräume der oppositionellen Zeitung ''De Vrije Stem''.<ref name="wako">{{Internetquelle|url=https://digitallibrary.un.org/record/85309 |titel=Summary or arbitrary executions : report / by Special Rapporteur, S. Amos Wako, appointed pursuant to resolution 1984/35 of 24 May 1984 of the Economic and Social Council. Annex V |autor=Amos Wako |werk=digitallibrary.un.org | sprache=en |datum=1984-05-24 |abruf=2020-04-01}}</ref> |
||
Am 8. Dezember 1982 erklärte Bouterse im surinamischen Fernsehen, dass an Weihnachten 1982 ein [[Putsch]] mit der Unterstützung ausländischer Kräfte, darunter der [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischen]] [[Central Intelligence Agency|CIA]], geplant gewesen sei und dass man dies frühzeitig vereitelt habe.<ref name="kb-210001">{{Internetquelle|url=http://resolver.kb.nl/resolve?urn=KBNRC01:000027967:mpeg21:a0001 |titel=Gevonden in Delpher -NRC Handelsblad |autor= |werk=resolver.kb.nl | sprache=nl |datum=1982-12-19 |abruf=2020-03-16}}</ref> Er behauptete zudem, die Männer seien auf der Flucht erschossen worden.<ref name="kb-210029">{{Internetquelle|url=http://resolver.kb.nl/resolve?urn=ddd:010627941:mpeg21:a0029 |titel=D. Bouterse: oging tot staatsgreep voorkomen |autor= |werk=''[[Nederlands Dagblad]]'' | sprache=nl |datum=1982-12-10 |abruf=2020-03-16}}</ref> Anschließend wurde eine kurze Filmsequenz gezeigt, in der der Häftling Jozef Slagveer zu sehen war, dessen linke Gesichtshälfte geschwollen war und der in Anwesenheit des Mithäftlings Roy Horb vor laufender Kamera eine Erklärung verlas. Er habe tatsächlich in Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften geplant, das Regime zu stürzen. Auch André Kamperveen gab eine ähnliche Erklärung ab, da er aber stärkere Spuren von |
Am 8. Dezember 1982 erklärte Bouterse im surinamischen Fernsehen, dass an Weihnachten 1982 ein [[Putsch]] mit der Unterstützung ausländischer Kräfte, darunter der [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischen]] [[Central Intelligence Agency|CIA]], geplant gewesen sei und dass man dies frühzeitig vereitelt habe.<ref name="kb-210001">{{Internetquelle|url=http://resolver.kb.nl/resolve?urn=KBNRC01:000027967:mpeg21:a0001 |titel=Gevonden in Delpher -NRC Handelsblad |autor= |werk=resolver.kb.nl | sprache=nl |datum=1982-12-19 |abruf=2020-03-16}}</ref> Er behauptete zudem, die Männer seien auf der Flucht erschossen worden.<ref name="kb-210029">{{Internetquelle|url=http://resolver.kb.nl/resolve?urn=ddd:010627941:mpeg21:a0029 |titel=D. Bouterse: oging tot staatsgreep voorkomen |autor= |werk=''[[Nederlands Dagblad]]'' | sprache=nl |datum=1982-12-10 |abruf=2020-03-16}}</ref> Anschließend wurde eine kurze Filmsequenz gezeigt, in der der Häftling Jozef Slagveer zu sehen war, dessen linke Gesichtshälfte geschwollen war und der in Anwesenheit des Mithäftlings Roy Horb vor laufender Kamera eine Erklärung verlas. Er habe tatsächlich in Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften geplant, das Regime zu stürzen. Auch André Kamperveen gab eine ähnliche Erklärung ab, da er aber noch stärkere Spuren von Misshandlungen aufwies, wurde diese nur im Radio gesendet.<ref name="isgeschi-De_gesch">{{Internetquelle|url=https://isgeschiedenis.nl/nieuws/de-geschiedenis-van-de-decembermoorden-in-suriname |titel=De geschiedenis van de Decembermoorden in Suriname |autor= |werk=isgeschiedenis.nl | sprache=nl |datum=2019-12-09 |abruf=2020-03-31}}</ref> Der Film wurde erst später während des Strafprozesses gezeigt.<ref name="werkgroe-Kamperve">{{Internetquelle|url=https://werkgroepcaraibischeletteren.nl/tag/kamperveen-andre/ |titel=Kamperveen André in blog |autor= |werk=werkgroepcaraibischeletteren.nl |datum= |abruf=2020-04-17}}</ref> |
||
Den Morden waren mindestens drei erfolglose Versuche vorausgegangen, das Militärregime zu stürzen und die Demokratie wieder herzustellen, sowie |
Den Morden waren mindestens drei erfolglose Versuche vorausgegangen, das Militärregime zu stürzen und die Demokratie wieder herzustellen, sowie Massendemonstrationen und Streiks im November 1982, als Reaktion auf die Festnahme des Gewerkschaftsführers Cyrill Daal.<ref name="wako" /> |
||
== Die Opfer == |
== Die Opfer == |
||
Zeile 20: | Zeile 20: | ||
* Kenneth Gonçalves (42), Rechtsanwalt und Präsident des lokalen Anwaltverbandes |
* Kenneth Gonçalves (42), Rechtsanwalt und Präsident des lokalen Anwaltverbandes |
||
* Eddy Hoost (48), Rechtsanwalt |
* Eddy Hoost (48), Rechtsanwalt |
||
* [[André Kamperveen]] (58), Unternehmer, Eigentümer von ABC Radio, vormaliger Minister für Jugend, Sport und Kultur sowie Vizepräsident der |
* [[André Kamperveen]] (58), Unternehmer, Eigentümer von ABC Radio, vormaliger Minister für Jugend, Sport und Kultur sowie Vizepräsident der [[FIFA]] |
||
* Gerard Leckie (39), Psychologe und [[Dekan (Hochschule)|Dekan]] der Wirtschaftsfakultät der Universität von Suriname |
* Gerard Leckie (39), Psychologe und [[Dekan (Hochschule)|Dekan]] der Wirtschaftsfakultät der Universität von Suriname |
||
* Sugrim Oemrawsingh (42), Mathematiker und Naturwissenschaftler sowie ehemaliges Parlamentsmitglied der [[Vooruitstrevende Hervormings Partij]].<ref>[http://www.decembermoorden.com/Documenten/oasraport_ned.doc Rapport over de mensenrechtensituatie in Suriname] van de Inter-Amerikaanse Commissie voor de Mensenrechten</ref> Sein Zwillingsbruder war Baal Oemrawsingh, Medizindozent an der Universität von Suriname, dessen blutiger Leichnam nach einem Putschversuch im März 1982 aufgefunden worden war |
* Sugrim Oemrawsingh (42), Mathematiker und Naturwissenschaftler sowie ehemaliges Parlamentsmitglied der [[Vooruitstrevende Hervormings Partij]].<ref>[http://www.decembermoorden.com/Documenten/oasraport_ned.doc Rapport over de mensenrechtensituatie in Suriname] van de Inter-Amerikaanse Commissie voor de Mensenrechten</ref> Sein Zwillingsbruder war Baal Oemrawsingh, Medizindozent an der Universität von Suriname, dessen blutiger Leichnam nach einem Putschversuch im März 1982 aufgefunden worden war. |
||
* Lesley Rahman (28), Journalist der Tageszeitung ''De Ware Tijd'' |
* Lesley Rahman (28), Journalist der Tageszeitung ''De Ware Tijd'' |
||
* Surendre Rambocus (29), Leutnant, der im März 1982 den Putschversuch gegen Bouterse angeführt hatte und im November 1982 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war |
* Surendre Rambocus (29), Leutnant, der im März 1982 den Putschversuch gegen Bouterse angeführt hatte und im November 1982 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war |
||
Zeile 31: | Zeile 31: | ||
* Frank Wijngaarde (43), Journalist und Radiosprecher bei ABC Radio |
* Frank Wijngaarde (43), Journalist und Radiosprecher bei ABC Radio |
||
Alle Opfer waren Mitglied in der ''Suriname Association for Democracy''.<ref name="coha-Suriname">{{Internetquelle|url=http://www.coha.org/suriname-justice-under-fire/ |titel=Suriname: Justice Under Fire |
Alle Opfer waren Mitglied in der ''Suriname Association for Democracy''.<ref name="coha-Suriname">{{Internetquelle|url=http://www.coha.org/suriname-justice-under-fire/ |titel=Suriname: Justice Under Fire |autor=|werk=coha.org | sprache=en |datum=2020-04-17 |abruf=2020-04-17}}</ref> Mit John Baboeram, Eddy Hoost, Kenneth Gonçalves und Harold Riedewald befanden sich vier der renommiertesten Strafverteidiger von Suriname unter den Opfern. Sie waren in dem Prozess wegen eines Putsches am 11. März 1982 als Verteidiger der Angeklagten Surendre Rambocus und Djiewansing Sheombar tätig.<ref name="zonen">{{Internetquelle|url=https://www.2doc.nl/documentaires/z/zonen-van-suriname.html |titel=Zonen van Suriname |autor= |werk=2doc.nl | sprache=nl |datum= |abruf=2020-03-31}}</ref> |
||
Viele Familienangehörige der ermordeten Männer |
Viele Familienangehörige der ermordeten Männer emigrierten nach den ''Dezembermorden'' in die Niederlande, bis 1975 Kolonialmacht von Suriname.<ref name="zonen" /> |
||
== Berichte und Voruntersuchungen == |
== Berichte und Voruntersuchungen == |
||
=== Bericht der niederländischen Juristenkommission === |
=== Bericht der niederländischen Juristenkommission === |
||
Am 14. Februar 1983 legte die niederländische Sektion der [[Internationale Juristenkommission|Internationalen Juristenkommission]] (NJCM) in [[Leiden (Stadt)|Leiden]] ihren Bericht zu den ''Dezembermorden'' vor. Er fasste die Aussagen von Zeugen zusammen, die zwischen dem 9. und 13. Dezember im [[Leichenhaus]] des Universitätsklinikums in [[Paramaribo]] die zum Teil verstümmelten Körper der Opfer gesehen hatten. Danach wiesen die Gesichter aller Opfer Spuren von schweren |
Am 14. Februar 1983 legte die niederländische Sektion der [[Internationale Juristenkommission|Internationalen Juristenkommission]] (NJCM) in [[Leiden (Stadt)|Leiden]] ihren Bericht zu den ''Dezembermorden'' vor. Er fasste die Aussagen von Zeugen zusammen, die zwischen dem 9. und 13. Dezember im [[Leichenhaus]] des Universitätsklinikums in [[Paramaribo]] die zum Teil verstümmelten Körper der Opfer gesehen hatten. Danach wiesen die Gesichter aller Opfer Spuren von schweren Misshandlungen auf, die Körper Knochenbrüche und andere Verwundungen, die nicht von Gewehrschüssen herrühren konnten. Auch stellten Experten fest, dass die Schüsse in Brust und Bauch eindeutig von vorne abgegeben worden waren. Fazit des Berichts war, dass die Opfer nicht versucht hatten zu fliehen, sondern dass sie schwer gefoltert und dann getötet worden waren. Es wurden auch einzelne Verletzungen aufgelistet: So war Cyrill Daal [[Entmannung|entmannt]] worden. Surindre Rambocus wurde von mehreren Kugeln durchbohrt, angefangen vom linken Fuß bis zum Hals, seine Zunge war herausgeschnitten und das Gesicht von Brandwunden durch Zigaretten übersät. Jiwansingh Sheombars Brust und Bauch wiesen Schüsse in einem Kreuzmuster auf.<ref>{{Literatur |Titel=De gebeurtenissen in Paramaribo, Suriname, 8-13 december 1982: de gewelddadige dood van 14 Surinamers en 1 Nederlander |Autor=Chris de Cooker, Vorsitzender |Herausgeber=Rapport van het Nederlands Juristen Comité voor de Mensenrechten |Ort=Leiden |Datum=1983-02-14 }}</ref><ref name="groene-‘D">{{Internetquelle|url=https://www.groene.nl/artikel/de-heer-bouterse-lust-ik-rauw |titel=‚De heer Bouterse lust ik rauw‘ |autor= |werk=groene.nl | sprache=nl |datum=2010-01-06 |abruf=2020-04-17}}</ref> |
||
=== Vereinte Nationen === |
=== Vereinte Nationen === |
||
[[Datei:AmosWako1984 (cropped).jpg|mini|hochkant|Amos Wako (1984)]] |
[[Datei:AmosWako1984 (cropped).jpg|mini|hochkant|Amos Wako (1984)]] |
||
1983 forderten die Angehörigen von acht Opfern der ''Dezembermorde'' den [[UN-Menschenrechtsausschuss]] auf, die Hinrichtungen als Verstoß gegen den [[Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte|Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte]] (IPbpR) zu verurteilen. Die surinamische Regierung verlangte im Gegenzug, der Antrag solle für unzulässig erklärt werden. Der Ausschuss urteilte aber, dass die 15 Opfer unter Verstoß gegen Artikel 6 des IPbpR „willkürlich getötet“ worden seien und forderte Suriname auf, die Morde zu untersuchen und die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen.<ref name="wako" /> |
1983 forderten die Angehörigen von acht Opfern der ''Dezembermorde'' den [[UN-Menschenrechtsausschuss]] auf, die Hinrichtungen als Verstoß gegen den [[Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte|Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte]] (IPbpR) zu verurteilen. Die surinamische Regierung verlangte im Gegenzug, der Antrag solle für unzulässig erklärt werden. Der Ausschuss urteilte aber, dass die 15 Opfer unter Verstoß gegen Artikel 6 des IPbpR „willkürlich getötet“ worden seien, und forderte Suriname auf, die Morde zu untersuchen und die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen.<ref name="wako" /> |
||
1984 besuchte der Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsausschusses, [[Amos Wako]], Suriname und die Niederlande als ehemaliges Mutterland des Landes, wo eine große surinamische Gemeinschaft lebt. Er stellte fest, dass in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1982 „standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen“ stattgefunden hätten, die „eine traumatische Wirkung“ auf die surinamische Bevölkerung gehabt hätten, insbesondere mit Hinblick auf den prominenten Status der Opfer. Viele Surinamer seien der Meinung, dass eine unabhängige Untersuchung und Verfolgung der Schuldigen notwendig sei.<ref name="wako" /> |
1984 besuchte der Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsausschusses, [[Amos Wako]], Suriname und die Niederlande als ehemaliges Mutterland des Landes, wo eine große surinamische Gemeinschaft lebt. Er stellte fest, dass in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1982 „standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen“ stattgefunden hätten, die „eine traumatische Wirkung“ auf die surinamische Bevölkerung gehabt hätten, insbesondere mit Hinblick auf den prominenten Status der Opfer. Viele Surinamer seien der Meinung, dass eine unabhängige Untersuchung und Verfolgung der Schuldigen notwendig sei.<ref name="wako" /> |
||
Zeile 55: | Zeile 55: | ||
== Strafrechtliche Verfolgung == |
== Strafrechtliche Verfolgung == |
||
=== Beginn des Prozesses === |
=== Beginn des Prozesses === |
||
Im März 2007 entschuldigte sich Desi Bouterse öffentlich für die ''Dezembermorde''. Gleichzeitig plädierte er für eine [[Amnestie]] der Täter und ihrer Komplizen. Bouterse erklärte, er sei lediglich „politisch verantwortlich“ für die Morde: „Es hieß: sie oder |
Im März 2007 entschuldigte sich Desi Bouterse öffentlich für die ''Dezembermorde''. Gleichzeitig plädierte er für eine [[Amnestie]] der Täter und ihrer Komplizen. Bouterse erklärte, er sei lediglich „politisch verantwortlich“ für die Morde: „Es hieß: sie oder wir.“<ref name="nos-138089">{{Internetquelle|url=https://nos.nl/artikel/138089-smet-op-surinaams-blazoen.html |titel=Smet op Surinaams blazoen |autor= |werk=nos.nl | sprache=nl |datum=2010-02-19 |abruf=2020-04-01}}</ref> Er sei auch nicht in der Festung persönlich anwesend gewesen. Dementgegen sagten zwei Augenzeugen aus, die Opfer Paul Bhagwandas und Roy Horb seien in Bouterses Büro in Fort Zeelandia kurz vor ihrem Tod durch ihn „verhört“ worden. Bouterse habe als „Richter“ agiert und die Strafen ausgesprochen. Laut den Aussagen der beiden Zeugen – zwei Soldaten – wurden die Morde schon einen Monat zuvor vorbereitet. Ursprünglich sei geplant gewesen, die Männer auf einem [[Patrouillenboot]] auf See zu erschießen.<ref name="ntr-202020">{{Internetquelle|url=http://archief.ntr.nl/nova/page/detail/nieuws/9959/Ooggetuige%20verklaart_%20Decembermoorden%20van%20tevoren%20gepland.html |titel=Ooggetuige verklaart: decembermoorden van tevoren gepland |autor= |werk=archief.ntr.nl | sprache=nl |datum=2017-07-11 |abruf=2020-03-31}}</ref> |
||
Am 30. November 2007, 25 Jahre nach der Tat, begann der Strafprozess wegen der ''Dezembermorde'' vor einem Militärgericht in Suriname unter dem Vorsitz von Richterin [[Cynthia Valstein-Montnor]]. 25 Männer waren angeklagt, und Desi Bouterse als damaliger [[Oberbefehlshaber]] der Armee war der Hauptangeklagte. Speziell für dieses Strafverfahren wurde im Bezirk [[Domburg (Suriname)|Domburg]] ein stark gesicherter Gerichtssaal errichtet.<ref name="books-9Rh1AAAAQBAJ-PT373"> Ivo Evers, Pieter Van Maele: ''Bouterse aan de macht.'' ({{Google Buch|BuchID=9Rh1AAAAQBAJ|SeitenID=PT373}}).</ref> |
Am 30. November 2007, 25 Jahre nach der Tat, begann der Strafprozess wegen der ''Dezembermorde'' vor einem Militärgericht in Suriname unter dem Vorsitz von Richterin [[Cynthia Valstein-Montnor]]. 25 Männer waren angeklagt, und Desi Bouterse als damaliger [[Oberbefehlshaber]] der Armee war der Hauptangeklagte. Speziell für dieses Strafverfahren wurde im Bezirk [[Domburg (Suriname)|Domburg]] ein stark gesicherter Gerichtssaal errichtet.<ref name="books-9Rh1AAAAQBAJ-PT373"> Ivo Evers, Pieter Van Maele: ''Bouterse aan de macht.'' ({{Google Buch|BuchID=9Rh1AAAAQBAJ|SeitenID=PT373}}).</ref> |
||
Der Prozess verlief schleppend, und Bouterse selbst, der im Mai 2010 trotz des laufenden Verfahrens zum Präsidenten von Suriname gewählt worden war und dadurch nun Immunität genoss, erschien bis zu seiner Berufungsverhandlung im Januar 2020 nie vor dem Gericht.<ref name="ad-32161">{{Internetquelle|url=https://www.ad.nl/buitenland/krijgsraad-is-na-zes-minuten-al-klaar-met-bouterse~a32c161d |
Der Prozess verlief schleppend, und Bouterse selbst, der im Mai 2010 trotz des laufenden Verfahrens zum Präsidenten von Suriname gewählt worden war und dadurch nun Immunität genoss, erschien bis zu seiner Berufungsverhandlung im Januar 2020 nie vor dem Gericht.<ref name="ad-32161">{{Internetquelle|url=https://www.ad.nl/buitenland/krijgsraad-is-na-zes-minuten-al-klaar-met-bouterse~a32c161d/ |titel=Krijgsraad is na zes minuten al klaar met Bouterse |autor=Tonny van der Mee |werk=ad.nl | sprache=nl |datum=2020-01-22 |abruf=2020-04-15}}</ref> Einer der 25 Angeklagten, Ruben Rozendaal, erklärte am 8. Mai 2010, dass ihm der Anwalt von Bouterse 10.000 Dollar gegeben habe, zum Dank dafür, dass er keine Bouterse belastenden Aussagen gemacht habe.<ref name="starnieu-9907">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/9907 |titel= Rozendaal: Bouterse heeft mij US$ 10.000 gegeven |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2012-03-23 |abruf=2020-04-01}}</ref> Am 23. März 2012 sagte er aus, Desi Bouterse habe die Opfer Cyrill Daal und Surendre Rambocus eigenhändig erschossen.<ref name="starnieu-9910">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/9910 |titel="Bouterse heeft Daal en Rambocus doodgeschoten" |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2012-03-23 |abruf=2020-04-01}}</ref> Bouterse sei ebenfalls verantwortlich für den Tod von Roy Horb, dessen Schwager Guno Mahadew, von Roy Tolud und Wilfred Hawker. Auch sei Bouterse ein Drogendealer und Waffenhändler, der weitere Morde in den 1980er Jahren zu verantworten habe.<ref name="starnieu-9925">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/9925 |titel=Rozendaal: Bouterse schoot Van Aalst dood |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2012-03-24 |abruf=2020-04-01}}</ref> Rozendaal erklärte, er habe wegen einer schweren Erkrankung nicht mehr lange zu leben und wolle seinen Namen vor seinem Tod reinwaschen. Seine eigene Rolle bei den ''Dezembermorden'' habe einzig darin bestanden, André Kamperveen zu Hause abzuholen und nach Fort Zeelandia zu bringen. Er habe nicht an den Folterungen und Morden teilgenommen. Im Dezember 2017 beging Rozendaal [[Suizid]], nachdem der Staatsanwalt für ihn einen Monat zuvor zehn Jahre Haft gefordert hatte.<ref name="rozen">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/44526 |titel=Ruben Rozendaal is overleden |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2017-12-02 |abruf=2020-04-01}}</ref> |
||
=== Das Amnestiegesetz === |
=== Das Amnestiegesetz === |
||
Am 19. März 2012 reichten zwölf Parlamentsabgeordnete der Regierungskoalition von Bouterse eine |
Am 19. März 2012 reichten zwölf Parlamentsabgeordnete der Regierungskoalition von Bouterse eine Vorlage zur Erweiterung eines bestehenden Gesetzes zur [[Amnestie]] von Straftaten während des [[Bürgerkrieg in Suriname|surinamischen Bürgerkriegs]] ein, so dass auch die Dezembermorde davon erfasst würden.<ref name="trouw-4026">{{Internetquelle|url=https://www.trouw.nl/nieuws/voorstel-amnestie-verdachten-decembermoorden~b4026cff/ |titel=Voorstel: amnestie verdachten Decembermoorden |autor= |werk=trouw.nl | sprache=nl |datum=2012-03-20 |abruf=2020-04-01}}</ref><ref name="trouw-04">{{Internetquelle|url=https://www.trouw.nl/nieuws/bouterse-maakt-kans-op-amnestie-voor-betrokkenheid-bij-decembermoorden~bdf04bab/ |titel=Bouterse maakt kans op amnestie voor betrokkenheid bij Decembermoorden |autor= |werk=trouw.nl | sprache=nl |datum=2012-03-21 |abruf=2020-04-01}}</ref> Eine Verabschiedung dieses Gesetzes hätte bedeutet, dass der Prozess um die ''Dezembermorde'' im Dezember 2012 ein Ende gefunden hätte. Trotz massiver Kritik wurde es am 4. April 2012 nach drei Tagen hitziger Debatte mit 28 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen im Parlament verabschiedet. Alle anwesenden Oppositionsmitglieder stimmten gegen das Gesetz. Bouterse erklärte, die Ratifizierung des Gesetzes bedeute einen „Neuanfang“ für Suriname.<ref name="ad-8606">{{Internetquelle|url=https://www.ad.nl/buitenland/amnestiewet-suriname-bekrachtigd~a8ba60c6/ |titel='Amnestiewet Suriname bekrachtigd' |autor=|werk=ad.nl | sprache=nl |datum=2012-04-06 |abruf=2020-04-01}}</ref><ref name="starnieu-10182">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/10182 |titel=Bouterse: Amnestiewet is een nieuw begin |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2012-04-06 |abruf=2020-04-01}}</ref> Bei einer anschließenden Feier auf dem ''Onafhankelijkheidsplein'' in Paramaribo bezeichnete Steve Meye, Bischof einer surinamischen [[Pfingstbewegung|Pfingstkirche]] und der geistliche Berater von Bouterse, die Gegner des Gesetzes als „Staatsfeinde“, die identifiziert und verhaftet werden müssten.<ref name="starnieu-10659">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/10659 |titel=Meye: Mensen die niet meewerken zijn staatsvijanden |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2012-05-06 |abruf=2020-03-31}}</ref> |
||
Als Reaktion auf die Verabschiedung des Gesetzes ließ der niederländische Außenminister [[Uri Rosenthal]] den niederländischen Botschafter [[Aart Jacobi]] am Tag darauf aus [[Suriname]] abrufen. Darüber hinaus ließ er rund 20 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Suriname einfrieren.<ref name="volkskra-153222">{{Internetquelle|url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/rosenthal-schort-hulp-aan-suriname-op~baf1ace5/?referer=https%3A%2F%2Frp.liu233w.com%3A443%2Fhttps%2Fde.wikipedia.org%2F |titel=Rosenthal schort hulp aan Suriname op |autor= |werk=volkskrant.nl | sprache=nl |datum=2012-04-11 |abruf=2020-04-15}}</ref> Die [[Volkspartij voor Vrijheid en Democratie]] (VVD) und [[Partij van de Arbeid]] (PvdA) plädierten für weitergehende Wirtschaftssanktionen.<ref name="rnw">[https://web.archive.org/web/20120422155804/http://www.rnw.nl/suriname/article/surinaamse-zaakgelastigde-land-uit PVV moties Suriname verworpen], RNW Suriname, 20. April 2012</ref> Der niederländische Premierminister [[Mark Rutte]] nannte das Amnestiegesetz „schwer erträglich“, und Suriname würde noch spüren, dass es diese Entscheidung getroffen habe.<ref name="volkskra-21829">{{Internetquelle|url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/rutte-suriname-zal-gevolgen-merken~b21c8d29/ |titel=Rutte: Suriname zal gevolgen merken |autor= |werk=volkskrant.nl | sprache=nl |datum=2012-04-05 |abruf=2020-04-16}}</ref> Am 24. Juni 2012 ordnete Minister Rosenthal ein Einreiseverbot für die 25 Angeklagten in Sachen ''Dezembermorde'' an.<ref name="waterkan-206258">{{Internetquelle|url=https://www.waterkant.net/suriname/2012/06/25/geen-visum-voor-surinaamse-verdachten-8-december/ |titel=Geen visum voor Surinaamse verdachten 8 december |autor= |werk=waterkant.net | sprache=en |datum=2012-06-25 |abruf=2020-04-01}}</ref> Auch die Vereinten Nationen, [[Amnesty International]], [[Human Rights Watch]], [[Reporter ohne Grenzen]] und weitere [[Menschenrechte|Menschenrechtsorganisationen]] verurteilten das Amnestiegesetz.<ref name="amnesty-201203">{{Internetquelle|url=https://www.amnesty.org/en/latest/news/2012/03/suriname-amnesty-law-threatens-presidents-trial-human-rights-violations/ |titel=Suriname amnesty law threatens President's trial for human rights violations |autor= |werk=amnesty.org | sprache=en |datum=2012-03-23 |abruf=2020-04-01}}</ref><ref name="refworld-834520">{{Internetquelle|url=https://www.refworld.org/country,,RSF,,SUR,4562d94e2,4f83f45b2,0.html |titel=Refworld – Amnesty insult to memory of dictatorship's victims, including five journalists |autor=United Nations High Commissioner for Refugees |werk=refworld.org | sprache=en |datum=2012-04-05 |abruf=2020-04-01}}</ref> |
Als Reaktion auf die Verabschiedung des Gesetzes ließ der niederländische Außenminister [[Uri Rosenthal]] den niederländischen Botschafter [[Aart Jacobi]] am Tag darauf aus [[Suriname]] abrufen. Darüber hinaus ließ er rund 20 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Suriname einfrieren.<ref name="volkskra-153222">{{Internetquelle|url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/rosenthal-schort-hulp-aan-suriname-op~baf1ace5/?referer=https%3A%2F%2Frp.liu233w.com%3A443%2Fhttps%2Fde.wikipedia.org%2F |titel=Rosenthal schort hulp aan Suriname op |autor= |werk=volkskrant.nl | sprache=nl |datum=2012-04-11 |abruf=2020-04-15}}</ref> Die [[Volkspartij voor Vrijheid en Democratie]] (VVD) und [[Partij van de Arbeid]] (PvdA) plädierten für weitergehende Wirtschaftssanktionen.<ref name="rnw">[https://web.archive.org/web/20120422155804/http://www.rnw.nl/suriname/article/surinaamse-zaakgelastigde-land-uit PVV moties Suriname verworpen], RNW Suriname, 20. April 2012</ref> Der niederländische Premierminister [[Mark Rutte]] nannte das Amnestiegesetz „schwer erträglich“, und Suriname würde noch spüren, dass es diese Entscheidung getroffen habe.<ref name="volkskra-21829">{{Internetquelle|url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/rutte-suriname-zal-gevolgen-merken~b21c8d29/ |titel=Rutte: Suriname zal gevolgen merken |autor= |werk=volkskrant.nl | sprache=nl |datum=2012-04-05 |abruf=2020-04-16}}</ref> Am 24. Juni 2012 ordnete Minister Rosenthal ein Einreiseverbot für die 25 Angeklagten in Sachen ''Dezembermorde'' an.<ref name="waterkan-206258">{{Internetquelle|url=https://www.waterkant.net/suriname/2012/06/25/geen-visum-voor-surinaamse-verdachten-8-december/ |titel=Geen visum voor Surinaamse verdachten 8 december |autor= |werk=waterkant.net | sprache=en |datum=2012-06-25 |abruf=2020-04-01}}</ref> Auch die Vereinten Nationen, [[Amnesty International]], [[Human Rights Watch]], [[Reporter ohne Grenzen]] und weitere [[Menschenrechte|Menschenrechtsorganisationen]] verurteilten das Amnestiegesetz.<ref name="amnesty-201203">{{Internetquelle|url=https://www.amnesty.org/en/latest/news/2012/03/suriname-amnesty-law-threatens-presidents-trial-human-rights-violations/ |titel=Suriname amnesty law threatens President's trial for human rights violations |autor= |werk=amnesty.org | sprache=en |datum=2012-03-23 |abruf=2020-04-01}}</ref><ref name="refworld-834520">{{Internetquelle|url=https://www.refworld.org/country,,RSF,,SUR,4562d94e2,4f83f45b2,0.html |titel=Refworld – Amnesty insult to memory of dictatorship's victims, including five journalists |autor=United Nations High Commissioner for Refugees |werk=refworld.org | sprache=en |datum=2012-04-05 |abruf=2020-04-01}}</ref> |
||
Zeile 72: | Zeile 72: | ||
Am 9. Juni 2016 entschied das Militärgericht, dass das Amnestiegesetz nicht rechtmäßig sei und der Prozess fortgesetzt werde: Das Gesetz sei während des laufenden Prozesses verabschiedet worden und hätte zudem von einem Verfassungsgericht überprüft werden müssen. Kurz darauf suchte Bouterse das Gespräch mit Richtern und informierte Armee und Polizei über eine „Verfassungskrise“, in der sich das Land infolge des Urteils angeblich befinde. Kritiker, darunter die Surinamese Bar Association (SOVA), betrachteten diese Vorgänge als Angriff auf die [[Gewaltenteilung]].<ref name="nos-112009">{{Internetquelle|url=https://nos.nl/artikel/2112009-bouterse-praat-met-rechters-en-leger-over-proces-decembermoorden.html |titel=Bouterse praat met rechters en leger over proces Decembermoorden |autor= |werk=nos.nl | sprache=nl |datum=2016-06-18 |abruf=2020-03-31}}</ref> Auch im Parlament erklärte Bouterse, dass es eine „Verfassungskrise“ gebe.<ref name="rd-552787">{{Internetquelle|url=https://www.rd.nl/bouterse-crisis-na-vonnis-krijgsraad-1.552787 |titel=Bouterse: crisis na vonnis krijgsraad |autor= |werk=rd.nl | sprache=nl |datum=2016-06-21 |abruf=2020-03-31}}</ref> Mit Berufung auf den Artikel 148 der surinamischen Verfassung ließ er den Prozess vorübergehend unterbrechen, da dieser eine „Gefahr für die nationale Sicherheit Surinames“ darstelle. |
Am 9. Juni 2016 entschied das Militärgericht, dass das Amnestiegesetz nicht rechtmäßig sei und der Prozess fortgesetzt werde: Das Gesetz sei während des laufenden Prozesses verabschiedet worden und hätte zudem von einem Verfassungsgericht überprüft werden müssen. Kurz darauf suchte Bouterse das Gespräch mit Richtern und informierte Armee und Polizei über eine „Verfassungskrise“, in der sich das Land infolge des Urteils angeblich befinde. Kritiker, darunter die Surinamese Bar Association (SOVA), betrachteten diese Vorgänge als Angriff auf die [[Gewaltenteilung]].<ref name="nos-112009">{{Internetquelle|url=https://nos.nl/artikel/2112009-bouterse-praat-met-rechters-en-leger-over-proces-decembermoorden.html |titel=Bouterse praat met rechters en leger over proces Decembermoorden |autor= |werk=nos.nl | sprache=nl |datum=2016-06-18 |abruf=2020-03-31}}</ref> Auch im Parlament erklärte Bouterse, dass es eine „Verfassungskrise“ gebe.<ref name="rd-552787">{{Internetquelle|url=https://www.rd.nl/bouterse-crisis-na-vonnis-krijgsraad-1.552787 |titel=Bouterse: crisis na vonnis krijgsraad |autor= |werk=rd.nl | sprache=nl |datum=2016-06-21 |abruf=2020-03-31}}</ref> Mit Berufung auf den Artikel 148 der surinamischen Verfassung ließ er den Prozess vorübergehend unterbrechen, da dieser eine „Gefahr für die nationale Sicherheit Surinames“ darstelle. |
||
In der Folge wurden weitere Sitzungen des Gerichts mehrfach verschoben. Am 30. Januar 2017 kündigte das Gericht an, dass die Verhandlung gegen Bouterse und seine Mitverdächtigen fortgesetzt werde. Es stellte fest, dass Bouterse zu Unrecht in den Prozess eingegriffen habe und sich nicht auf den Verfassungsartikel 148 berufen könne. Am 9. Februar solle das Urteil gesprochen werden,<ref name="volkskra-92783">{{Internetquelle|url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/krijgsraad-strafeis-tegen-desi-bouterse-wordt-op-9-februari-uitgesproken~bb2c7d83/ |titel=Krijgsraad: strafeis tegen Desi Bouterse wordt op 9 februari uitgesproken |autor= |werk=volkskrant.nl | sprache=nl |datum=2017-01-30 |abruf=2020-03-31}}</ref> |
In der Folge wurden weitere Sitzungen des Gerichts mehrfach verschoben. Am 30. Januar 2017 kündigte das Gericht an, dass die Verhandlung gegen Bouterse und seine Mitverdächtigen fortgesetzt werde. Es stellte fest, dass Bouterse zu Unrecht in den Prozess eingegriffen habe und sich nicht auf den Verfassungsartikel 148 berufen könne. Am 9. Februar solle das Urteil gesprochen werden,<ref name="volkskra-92783">{{Internetquelle|url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/krijgsraad-strafeis-tegen-desi-bouterse-wordt-op-9-februari-uitgesproken~bb2c7d83/ |titel=Krijgsraad: strafeis tegen Desi Bouterse wordt op 9 februari uitgesproken |autor= |werk=volkskrant.nl | sprache=nl |datum=2017-01-30 |abruf=2020-03-31}}</ref> aber die Sitzung wurde vertagt, weil die Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung des Gerichts Berufung einlegte.<ref name="starnieu-39797">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/39797 |titel=Zitting Krijgsraad tot nader order uitgesteld |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2017-02-09 |abruf=2020-03-31}}</ref> Vermutet wurde, dass dieser unerwartete Schritt auf Druck der Regierung auf den Oberstaatsanwalt zurückzuführen war.<ref name="volkskra-971439">{{Internetquelle|url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/geen-strafeis-tegen-bouterse-na-onverwacht-hoger-beroep-om~b971d439/ |titel=Geen strafeis tegen Bouterse na onverwacht hoger beroep OM |autor= |werk=volkskrant.nl | sprache=nl |datum=2017-02-09 |abruf=2020-04-16}}</ref> Im Mai 2017 erklärte der Oberste Gerichtshof von Suriname die Berufung jedoch für unbegründet. |
||
Am 28. Juni 2017 forderte Staatsanwalt Roy Elgin jeweils 20 Jahre Haft für Bouterse und vier weitere Angeklagte wegen geplanten Mordes.<ref> [https://nos.nl/artikel/2208377-opnieuw-eisen-van-20-jaar-in-proces-over-de -Dezember morders.html Wieder Forderungen von 20 Jahren im Prozess der Dezember-Morde]</ref> Bouterse konterte diese Forderungen mit der Behauptung, kein Richter könne über ihn richten, da er „von Gott eingesetzt“ sei.<ref name="nos-180681">{{Internetquelle|url=https://nos.nl/artikel/2180681-bouterse-god-heeft-mij-hier-neergezet-geen-rechter-haalt-mij-weg.html |titel=Bouterse: God heeft mij hier neergezet, geen rechter haalt mij weg |autor= |werk=nos.nl | sprache=nl |datum=2017-06-30 |abruf=2020-04-16}}</ref> Strafforderungen für weitere Angeklagte folgten in den kommenden Monaten. |
Am 28. Juni 2017 forderte Staatsanwalt Roy Elgin jeweils 20 Jahre Haft für Bouterse und vier weitere Angeklagte wegen geplanten Mordes.<ref> [https://nos.nl/artikel/2208377-opnieuw-eisen-van-20-jaar-in-proces-over-de -Dezember morders.html Wieder Forderungen von 20 Jahren im Prozess der Dezember-Morde]</ref> Bouterse konterte diese Forderungen mit der Behauptung, kein Richter könne über ihn richten, da er „von Gott eingesetzt“ sei.<ref name="nos-180681">{{Internetquelle|url=https://nos.nl/artikel/2180681-bouterse-god-heeft-mij-hier-neergezet-geen-rechter-haalt-mij-weg.html |titel=Bouterse: God heeft mij hier neergezet, geen rechter haalt mij weg |autor= |werk=nos.nl | sprache=nl |datum=2017-06-30 |abruf=2020-04-16}}</ref> Strafforderungen für weitere Angeklagte folgten in den kommenden Monaten. |
||
Nach weiteren Verzögerungen sprach das aus drei Richterinnen – Cynthia Valstein-Monthor, Suzanne Chu und Rewita Chatterpal – bestehende Gericht am 29. November 2019, über zwölf Jahre nach |
Nach weiteren Verzögerungen sprach das aus drei Richterinnen – Cynthia Valstein-Monthor, Suzanne Chu und Rewita Chatterpal – bestehende Gericht am 29. November 2019, über zwölf Jahre nach Prozessbeginn, die Urteile:<ref>{{Internetquelle|url=https://www.trouw.nl/nieuws/zwijgzame-bewaker-van-de-rechtsstaat~be183177/ |titel=Zwijgzame bewaker van de rechtsstaat |autor= |werk=trouw.nl | sprache=nl |datum=2017-02-09 |abruf=2020-04-16}}</ref> Bouterse wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. Auch sechs Mittäter wurden verurteilt: Benny Brondenstein, Ernst Gefferie und Iwan Dijksteel zu je 15 Jahren sowie Stephanus Dendoe, Kenneth Kempes und Lucien Lewis zu je 10 Jahren Gefängnis.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/krijgsraad-suriname-veroordeelt-nog-zes-verdachten-voor-decembermoorden~bd8134c9/ |titel=Krijgsraad Suriname veroordeelt nog zes verdachten voor Decembermoorden |werk=[[Volkskrant]] |datum=2019-11-30 |abruf=2019-11-30}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=https://www.srherald.com/suriname/2019/11/29/breaking-news-twintig-jaar-cel-voor-bouterse/ |titel=Twintig jaar cel voor Bouterse |autor=|werk=srherald.com | sprache=nl |datum=2019-11-29 |abruf=2020-04-16}}</ref><ref name="hln-823596">{{Internetquelle|url=https://www.hln.be/nieuws/buitenland/surinaamse-president-desi-bouterse-veroordeeld-voor-decembermoorden-in-1982~aad3b596/ |titel=Surinaamse president Desi Bouterse veroordeeld voor decembermoorden in 1982 |autor= |werk=hln.be | sprache=nl |datum=2019-11-30 |abruf=2020-04-16}}</ref> Zehn Angeklagte wurden freigesprochen.<ref name="starnieu-55791">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/55791 |titel=Vrouwe Justitia weer bijna rechtop |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2019-11-30|abruf=2020-04-24}}</ref> Sechs weitere Angeklagte waren im Laufe der Jahre verstorben.<ref name="bote">{{Internetquelle|url=https://www.bote.ch/nachrichten/international/praesident-von-suriname-verurteilt;art46446,1211613 |titel=Präsident von Suriname verurteilt |autor= |werk=bote.ch |datum=2019-11-30 |abruf=2020-04-16}}</ref> |
||
Die Verlesung des 120-seitigen Urteils durch Cynthia Valstein-Montnor, das der surinamische [[Politikwissenschaft]]ler Hans Breeveld als „juristisches Meisterwerk“ bezeichnete,<ref name="starnieu-55972">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/55972 |titel=De zwijgende meerderheid |
Die Verlesung des 120-seitigen Urteils durch Cynthia Valstein-Montnor, das der surinamische [[Politikwissenschaft]]ler Hans Breeveld als „juristisches Meisterwerk“ bezeichnete,<ref name="starnieu-55972">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/55972 |titel=De zwijgende meerderheid |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2020-04-24 |abruf=2020-04-24}}</ref> dauerte drei Stunden.<ref name="trouw423">{{Internetquelle|url=https://www.trouw.nl/buitenland/het-is-een-historische-dag-voor-de-rechtsstaat-suriname~bc4f2c3e/ |titel=‚Het is een historische dag voor de rechtsstaat Suriname‘ |autor= |werk=trouw.nl | sprache=nl |datum=2019-11-29 |abruf=2020-04-16}}</ref> Es wurden indes keine Haftbefehle erlassen, da nach surinamischem Gesetz Verhaftungen von Verurteilten erst erfolgen können, wenn alle Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.<ref name="bote" /> |
||
Präsident Bouterse befand sich an diesem Tag auf einem Staatsbesuch in [[China]]. Sein Anwalt kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen, zumal Bouterse „in Abwesenheit“ verurteilt worden sei.<ref>[https://www.srherald.com/suriname/2019/11/29/kanhai-proces-tegen-bouterse-was-politiek-proces/ Kanhai: Proces was politiek proces], ''Surinam Herald'', 29 November 2019</ref><ref name="trouw423" /> Das Urteil sei eindeutig „politisch motiviert“.<ref name="blickpun-20">{{Internetquelle|url=https://blickpunkt-lateinamerika.de/artikel/20-jahre-gefaengnis-fuer-praesident-bouterse-wegen-dezember-morden/ |titel=20 Jahre Gefängnis für Präsident Bouterse wegen „Dezember-Morden“ |autor= |werk=blickpunkt-lateinamerika.de |datum=2019-12-02 |abruf=2020-04-16}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=https://www.srherald.com/suriname/2019/11/29/kanhai-proces-tegen-bouterse-was-politiek-proces/ |titel=Kanhai: “Proces tegen Bouterse was politiek proces” |autor=|werk=srherald.com | sprache=nl |datum=2019-11-29 |abruf=2020-04-16}}</ref> Die Richter hätten aus den Verhören der Opfer „ein Drama“ gemacht.<ref name="trouw423" /> |
Präsident Bouterse befand sich an diesem Tag auf einem Staatsbesuch in [[China]]. Sein Anwalt kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen, zumal Bouterse „in Abwesenheit“ verurteilt worden sei.<ref>[https://www.srherald.com/suriname/2019/11/29/kanhai-proces-tegen-bouterse-was-politiek-proces/ Kanhai: Proces was politiek proces], ''Surinam Herald'', 29. November 2019</ref><ref name="trouw423" /> Das Urteil sei eindeutig „politisch motiviert“.<ref name="blickpun-20">{{Internetquelle|url=https://blickpunkt-lateinamerika.de/artikel/20-jahre-gefaengnis-fuer-praesident-bouterse-wegen-dezember-morden/ |titel=20 Jahre Gefängnis für Präsident Bouterse wegen „Dezember-Morden“ |autor= |werk=blickpunkt-lateinamerika.de |datum=2019-12-02 |abruf=2020-04-16}}</ref><ref>{{Internetquelle|url=https://www.srherald.com/suriname/2019/11/29/kanhai-proces-tegen-bouterse-was-politiek-proces/ |titel=Kanhai: “Proces tegen Bouterse was politiek proces” |autor=|werk=srherald.com | sprache=nl |datum=2019-11-29 |abruf=2020-04-16}}</ref> Die Richter hätten aus den Verhören der Opfer „ein Drama“ gemacht.<ref name="trouw423" /> |
||
Zur Berufungsverhandlung am 22. Januar 2020 erschien Desi Bouterse erstmals persönlich vor Gericht, umgeben von zehn Leibwächtern und unter lautem Beifall von rund 1500 Anhängern von ihm und seiner Partei ''Nationale Democratische Partij'' (NDP). Diese waren von der NDP aus allen Teilen des Landes mit Bussen zum Gerichtsgebäude gebracht worden. Straßen waren abgesperrt und die Schulen geschlossen.<ref name="nos-319661">{{Internetquelle|url=https://nos.nl/artikel/2319661-historische-dag-in-suriname-desi-bouterse-oog-in-oog-met-de-krijgsraad.html |titel=Historische dag in Suriname: Desi Bouterse oog in oog met de Krijgsraad |autor= |werk=nos.nl | sprache=nl |datum=2020-01-22 |abruf=2020-04-16}}</ref> Da der Staatsanwalt und ein Richter wegen Krankheit nicht anwesend waren, wurde die Sitzung nach wenigen Minuten beendet.<ref name="ad-32161" /> |
Zur Berufungsverhandlung am 22. Januar 2020 erschien Desi Bouterse erstmals persönlich vor Gericht, umgeben von zehn Leibwächtern und unter lautem Beifall von rund 1500 Anhängern von ihm und seiner Partei ''Nationale Democratische Partij'' (NDP). Diese waren von der NDP aus allen Teilen des Landes mit Bussen zum Gerichtsgebäude gebracht worden. Straßen waren abgesperrt und die Schulen geschlossen.<ref name="nos-319661">{{Internetquelle|url=https://nos.nl/artikel/2319661-historische-dag-in-suriname-desi-bouterse-oog-in-oog-met-de-krijgsraad.html |titel=Historische dag in Suriname: Desi Bouterse oog in oog met de Krijgsraad |autor= |werk=nos.nl | sprache=nl |datum=2020-01-22 |abruf=2020-04-16}}</ref> Da der Staatsanwalt und ein Richter wegen Krankheit nicht anwesend waren, wurde die Sitzung nach wenigen Minuten beendet.<ref name="ad-32161" /> |
||
[[Jeff Handmaker]], Leiter der unabhängigen Beobachtungsmission der [[Internationale Juristenkommission|Internationalen Juristenkommission]] (ICJ) und Hochschullehrer an der [[Erasmus-Universität Rotterdam]], listete auf, wie Bouterse, sein Anwalt und seine Parteifreunde alles in ihrer Macht Stehende taten, um den Strafprozess wegen der ''Dezembermorde'' zu diskreditieren, zu |
[[Jeff Handmaker]], Leiter der unabhängigen Beobachtungsmission der [[Internationale Juristenkommission|Internationalen Juristenkommission]] (ICJ) und Hochschullehrer an der [[Erasmus-Universität Rotterdam]], listete auf, wie Bouterse, sein Anwalt und seine Parteifreunde alles in ihrer Macht Stehende taten, um den Strafprozess wegen der ''Dezembermorde'' zu diskreditieren, zu beenden und/oder zu verzögern. Dabei habe er auch das Gesetz missbraucht, wie etwa mit dem unrechtmäßigen Amnestiegesetz von 2012. Handmaker verwies auch auf die zahlreichen öffentlichen Schikanen gegen die Justiz und die Versuche, ihre Legitimität zu untergraben. Handmaker kam zu dem Schluss, dass Präsident Bouterse sich des ''Lawfare'' (politischer Verfolgung, Zerstörung des öffentlichen Ansehens und des Unschädlichmachens eines politischen Gegners durch unrechtmäßigen Gebrauch von juristischen Instrumentarien) schuldig gemacht habe, um den Rechtsstaat in Suriname zu untergraben.<ref name="starnieu-56729">{{Internetquelle|url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/56729 |titel=Lawfare tegen Decembermoorden strafproces |autor= |werk=starnieuws.com |datum=2020-04-16 |abruf=2020-04-16}}</ref> |
||
Nach Auffassung des Anwalts Gerard Spong, der mit Opfern der Morde befreundet war und die Staatsanwaltschaft bei der Anklage beriet, bleibe Bouterse nur noch „der politische Fluchtweg“. Seine einzige Rettung sei die Präsidentschaft. Deshalb habe Bouterse ein vitales Interesse daran, die Wahlen am 25. Mai 2020 zu gewinnen. Sobald er kein Präsident mehr sei und keine Immunität mehr genieße, gehöre Bouterse „natürlich“ ins Gefängnis „geworfen“.<ref name="nu-061220">{{Internetquelle|url=https://www.nu.nl/weekend/6040612/alleen-de-verkiezingen-lijken-bouterse-voor-20-jaar-cel-te-kunnen-behoeden.html |titel=Alleen de verkiezingen lijken Bouterse voor 20 jaar cel te kunnen behoeden |autor=Matthijs le Loux |werk=nu.nl | sprache=nl |datum=2020-03-27 |abruf=2020-04-15}}</ref> |
Nach Auffassung des Anwalts Gerard Spong, der mit Opfern der Morde befreundet war und die Staatsanwaltschaft bei der Anklage beriet, bleibe Bouterse nur noch „der politische Fluchtweg“. Seine einzige Rettung sei die Präsidentschaft. Deshalb habe Bouterse ein vitales Interesse daran, die Wahlen am 25. Mai 2020 zu gewinnen. Sobald er kein Präsident mehr sei und keine Immunität mehr genieße, gehöre Bouterse „natürlich“ ins Gefängnis „geworfen“.<ref name="nu-061220">{{Internetquelle|url=https://www.nu.nl/weekend/6040612/alleen-de-verkiezingen-lijken-bouterse-voor-20-jaar-cel-te-kunnen-behoeden.html |titel=Alleen de verkiezingen lijken Bouterse voor 20 jaar cel te kunnen behoeden |autor=Matthijs le Loux |werk=nu.nl | sprache=nl |datum=2020-03-27 |abruf=2020-04-15}}</ref> |
||
=== Verurteilung und Flucht === |
|||
Am 29. November 2019 verurteilte das Militärgericht in Suriname Desi Bouterse zu 20 Jahren Gefängnis für die Dezembermorde von 1982.<ref>{{Internetquelle |autor=Kees Broere |url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/rechter-veroordeelt-bouterse-tot-20-jaar-cel-voor-betrokkenheid-bij-decembermoorden~bbb71d7c/ |titel=Rechter veroordeelt Bouterse tot 20 jaar cel voor betrokkenheid bij Decembermoorden |werk=[[Volkskrant]] |datum=2019-11-29 |abruf=2019-11-30}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://www.theguardian.com/world/2019/nov/30/suriname-president-guilty-of-over-1982-executions |titel=Suriname president guilty of murder over 1982 executions |werk=[[The Guardian]] |datum=2019-11-30 |abruf=2019-11-30}}</ref><ref>[https://rechtspraak.sr/wp-content/uploads/2019/12/KRG-2019-46.pdf Urteil des Militärgerichtes vom 29. November 2019] niederländisch, abgerufen am 3. Januar 2020 (PDF-Datei).</ref> Auch sechs Mittäter wurden verurteilt: [[Benny Brondenstein]], [[Ernst Gefferie]] und [[Iwan Dijksteel]] zu je 15 Jahren sowie [[Stephanus Dendoe]], [[Kenneth Kempes]] und [[Lucien Lewis]] zu je 10 Jahren Gefängnis.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.volkskrant.nl/nieuws-achtergrond/krijgsraad-suriname-veroordeelt-nog-zes-verdachten-voor-decembermoorden~bd8134c9/ |titel=Krijgsraad Suriname veroordeelt nog zes verdachten voor Decembermoorden |werk=[[Volkskrant]] |datum=2019-11-30 |abruf=2019-11-30}}</ref> |
|||
Am 20. Dezember 2023 wurde durch den [[Rechtswesen (Suriname)|''Hof van Justitie'']] in einem Berufungsverfahren letztinstanzlich die Verurteilung von Bouterse zu 20 Jahren Haft bestätigt.<ref>{{Internetquelle |url=https://nos.nl/artikel/2502261-desi-bouterse-definitief-veroordeeld-tot-20-jaar-cel-voor-decembermoorden |titel=Desi Bouterse definitief veroordeeld tot 20 jaar cel voor Decembermoorden |datum=2023-12-20 |sprache=nl |abruf=2023-12-20}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://www.starnieuws.com/index.php/welcome/index/nieuwsitem/78994 |titel=Vonnis: Moorden minutieus gepland en uitgevoerd |datum=2023-12-21 |sprache=nl |abruf=2023-12-21}}</ref> Die Verurteilung der vier Mitangeklagten zu 15 Jahren Haft wurde ebenfalls bestätigt. Die Vollstreckung der Urteile wurde ausgesetzt, da die Verurteilen ein [[Begnadigung|Gnadengesuch]] an den Präsidenten Surinames gestellt hatten.<ref>{{Internetquelle |url=https://caribbean.loopnews.com/content/surinamese-prosecution-pauses-execution-sentence-ex-leader |titel=Surinamese prosecution pauses execution of sentence of ex-leader |werk=caribbean.loop.news.com |datum=2023-12-23 |abruf=2023-12-26}}</ref> Wenig später wurde das Urteil gegen Bouterse und seine Mitangeklagten erneut bestätigt, und Bouterse aufgefordert, im Januar 2024 die Haft anzutreten.<ref>{{Internetquelle |autor=Ank Kuipers |url=https://www.reuters.com/world/americas/suriname-ex-president-bouterse-will-not-report-jail-wife-2024-01-12/ |titel=Suriname authorities hunt for fugitive ex-president amid prison no-show |werk=reuters.com |datum=2024-01-20 |abruf=2024-01-20}}</ref> |
|||
Nachdem Bouterse am 12. Januar 2024 um 13 Uhr nicht zum vorgesehenen Haftantritt im ''Santo Boma'', dem Gefängnis von Paramaribo, erschienen war, wurde ein [[Haftbefehl|internationaler Haftbefehl]] gegen ihn beantragt.<ref>{{Internetquelle |autor=Joanne Clark |url=https://www.caribbeannationalweekly.com/news/caribbean-news/international-arrest-warrant-issued-for-former-suriname-president-desi-bouterse/ |titel=International arrest warrant issued for former Suriname President Desi Bouterse |werk=caribbeannationalweekly.com | sprache=en |datum=2024-01-19 |abruf=2024-01-20}}</ref> Seine Frau ließ mitteilen, dass Bouterse nicht vorhabe, sich zu stellen.<ref>{{Internetquelle |autor=Vrt Nws |url=https://www.vrt.be/vrtnws/nl/2024/01/12/desi-bouterse/ |titel=Surinaamse oud-president Bouterse daagt ondanks veroordeling niet op bij gevangenis |werk=vrt.be | sprache=nl |datum=2024-01-12 |abruf=2024-01-20}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Guardian staff reporter |url=https://www.theguardian.com/world/2024/jan/12/suriname-dictator-desi-bouterse-missing-prison |titel=Former Suriname dictator missing after failing to turn himself in to prison {{!}} Suriname {{!}} The Guardian |werk=theguardian.com | sprache=en |datum=2024-01-12 |abruf=2024-01-20}}</ref> Mit Bouterse verschwunden ist sein ehemaliger Leibwächter Iwan Dijksteel, der ebenfalls verurteilt worden war und seine Haft nicht antrat.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.dbsuriname.com/2024/01/23/gezocht-78-jarige-meervoudig-moordenaar-en-zijn-voormalig-lijfwacht-71/ |titel=Gezocht: 78-jarige meervoudig moordenaar en zijn voormalig lijfwacht (71) – Dagblad Suriname |werk=dbsuriname.com | sprache=nl |datum=2024-01-23 |abruf=2024-01-24}}</ref> Am 25. Dezember 2024 gab die Regierung bekannt, dass Bouterse nach kurzer Krankheit am 24. Dezember verstorben ist.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.france24.com/en/live-news/20241225-suriname-ex-dictator-and-fugitive-desi-bouterse-dead-at-79-1 |titel=Suriname's former dictator, fugitive and president Desi Bouterse dies at 79 |werk=France24 |datum=2024-12-25 |sprache=en |abruf=2024-12-25}}</ref> |
|||
== Erinnerung == |
== Erinnerung == |
||
Zum Gedenken an die Dezembermorde wurde 1992 an der Südmauer der [[Mozes en Aäronkerk]] in Amsterdam eine Gedenktafel mit den Namen angebracht. Jährlich findet dort eine Gedenkveranstaltung statt.<ref name="historie-219728">{{Internetquelle|url=https://historiek.net/decembermoorden-herdacht-in-amsterdam-2/19728/ |titel=Decembermoorden herdacht in Amsterdam |autor=|werk=historiek.net | sprache=nl |datum=2016-03-21 |abruf=2020-04-16}}</ref> Die Familien der Mordopfer gründeten die ''Stichting 8 december 1982''.<ref name="december">{{Internetquelle|url=http://www.decembermoorden.com/8-december.html |titel=8 December |autor= |werk=decembermoorden.com |datum=2016-12-07 |abruf=2020-04-18}}</ref> |
Zum Gedenken an die Dezembermorde wurde 1992 an der Südmauer der [[Mozes en Aäronkerk]] in Amsterdam eine Gedenktafel mit den Namen angebracht. Jährlich findet dort eine Gedenkveranstaltung statt.<ref name="historie-219728">{{Internetquelle|url=https://historiek.net/decembermoorden-herdacht-in-amsterdam-2/19728/ |titel=Decembermoorden herdacht in Amsterdam |autor=|werk=historiek.net | sprache=nl |datum=2016-03-21 |abruf=2020-04-16}}</ref> Die Familien der Mordopfer gründeten die ''Stichting 8 december 1982''.<ref name="december">{{Internetquelle|url=http://www.decembermoorden.com/8-december.html |titel=8 December |autor= |werk=decembermoorden.com |datum=2016-12-07 |abruf=2020-04-18}}</ref> |
||
2009 wurde |
2009 wurde im Fort Zealandia vom damaligen Präsidenten [[Ronald Venetiaan]] eine Tafel mit den Namen der Opfer enthüllt. Dort sind die Einschusslöcher von der Hinrichtung erhalten.<ref name="waterkan-091209">{{Internetquelle|url=https://www.waterkant.net/suriname/2009/12/09/monument-decembermoorden-in-suriname-onthuld/ |titel=Monument Decembermoorden in Suriname onthuld |autor= |werk=waterkant.net | sprache=en |datum=2009-12-09 |abruf=2020-04-16}}</ref> |
||
Nach André Kamperveen wurde in Paramaribo im Jahre 2000 das dortige [[André-Kamperveen-Stadion|Fußballstadion]] benannt, zudem erinnert ein Standbild seiner Person am Stadion an ihn.<ref name="academia-2728">{{Internetquelle|url=https://www.academiadasapostasmz.com/stats/venue/suriname/andre-kamperveen-stadion/2728 |titel=André-Kamperveen-Stadion – Suriname |autor=|werk=academiadasapostasmz.com | sprache=pt |datum= |abruf=2020-04-16}}</ref> |
Nach André Kamperveen wurde in Paramaribo im Jahre 2000 das dortige [[André-Kamperveen-Stadion|Fußballstadion]] benannt, zudem erinnert ein Standbild seiner Person am Stadion an ihn.<ref name="academia-2728">{{Internetquelle|url=https://www.academiadasapostasmz.com/stats/venue/suriname/andre-kamperveen-stadion/2728 |titel=André-Kamperveen-Stadion – Suriname |autor=|werk=academiadasapostasmz.com | sprache=pt |datum= |abruf=2020-04-16}}</ref> |
||
Zeile 122: | Zeile 129: | ||
[[Kategorie:Mordfall]] |
[[Kategorie:Mordfall]] |
||
[[Kategorie:Gerichtsprozess (21. Jahrhundert)]] |
[[Kategorie:Gerichtsprozess (21. Jahrhundert)]] |
||
[[Kategorie:Ereignis 1982]] |
|||
[[Kategorie:Kriminalität in Lateinamerika]] |
Aktuelle Version vom 25. Dezember 2024, 18:46 Uhr
Mit dem Begriff Dezembermorde werden die Folterung und Ermordung von 15 Gegnern des surinamischen Militärregimes von Desi Bouterse am 7. und 8. Dezember 1982 bezeichnet. Ab 2007 fand vor einem surinamischen Militärgericht der Strafprozess wegen dieses Verbrechens statt. Nachdem der Prozess über Jahre verzögert und behindert worden war, wurde am 29. November 2019 der Hauptangeklagte Desi Bouterse, damaliger Oberbefehlshaber der Armee und seit 2010 Präsident des Landes, zu 20 Jahren Haft verurteilt; sechs weitere Angeklagte zu Strafen von 10 bis 15 Jahren Haft. Keiner der Verurteilten wurde bis April 2020 in Haft genommen, da die Berufungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft waren. Der Hauptangeklagte Bouterse genoss als Präsident des Landes zudem politische Immunität. Bouterse starb im Dezember 2024, ohne die Haft angetreten zu haben.
Die Dezembermorde
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1982 wurden 14 prominente Kritiker des Militärregimes von Suriname, dem mit etwas mehr als 500.000 Einwohnern kleinsten Land Südamerikas, aus ihren Wohnungen und zwei weitere aus dem Gefängnis geholt.[1] Die Männer wurden zum Fort Zeelandia gebracht, dem damaligen Hauptquartier der Militärverwaltung nahe der Hauptstadt Paramaribo. Nach Aussagen von Zeugen erhob der damalige Oberbefehlshaber der Armee und Chef des Militärrates, Desi Bouterse, in einem „Scheinprozess“ persönlich Anklagen gegen die Männer. Sie wurden gefoltert und 15 der 16 Männer auf der Bastion Veere im Fort Zeelandia exekutiert.[2]
In derselben Nacht zerstörte das Militär das Hauptquartier der Gewerkschaft Moederbond, zwei Radiostationen sowie die Redaktionsräume der oppositionellen Zeitung De Vrije Stem.[3]
Am 8. Dezember 1982 erklärte Bouterse im surinamischen Fernsehen, dass an Weihnachten 1982 ein Putsch mit der Unterstützung ausländischer Kräfte, darunter der US-amerikanischen CIA, geplant gewesen sei und dass man dies frühzeitig vereitelt habe.[4] Er behauptete zudem, die Männer seien auf der Flucht erschossen worden.[5] Anschließend wurde eine kurze Filmsequenz gezeigt, in der der Häftling Jozef Slagveer zu sehen war, dessen linke Gesichtshälfte geschwollen war und der in Anwesenheit des Mithäftlings Roy Horb vor laufender Kamera eine Erklärung verlas. Er habe tatsächlich in Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften geplant, das Regime zu stürzen. Auch André Kamperveen gab eine ähnliche Erklärung ab, da er aber noch stärkere Spuren von Misshandlungen aufwies, wurde diese nur im Radio gesendet.[6] Der Film wurde erst später während des Strafprozesses gezeigt.[7]
Den Morden waren mindestens drei erfolglose Versuche vorausgegangen, das Militärregime zu stürzen und die Demokratie wieder herzustellen, sowie Massendemonstrationen und Streiks im November 1982, als Reaktion auf die Festnahme des Gewerkschaftsführers Cyrill Daal.[3]
Die Opfer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- John Baboeram (36), Rechtsanwalt
- Bram Behr (31), Journalist mit Verbindung zum kommunistischen Wochenblatt Mokro
- Cyrill Daal (46), Vorsitzender des Moederbond, damals größte Gewerkschaft von Suriname
- Kenneth Gonçalves (42), Rechtsanwalt und Präsident des lokalen Anwaltverbandes
- Eddy Hoost (48), Rechtsanwalt
- André Kamperveen (58), Unternehmer, Eigentümer von ABC Radio, vormaliger Minister für Jugend, Sport und Kultur sowie Vizepräsident der FIFA
- Gerard Leckie (39), Psychologe und Dekan der Wirtschaftsfakultät der Universität von Suriname
- Sugrim Oemrawsingh (42), Mathematiker und Naturwissenschaftler sowie ehemaliges Parlamentsmitglied der Vooruitstrevende Hervormings Partij.[8] Sein Zwillingsbruder war Baal Oemrawsingh, Medizindozent an der Universität von Suriname, dessen blutiger Leichnam nach einem Putschversuch im März 1982 aufgefunden worden war.
- Lesley Rahman (28), Journalist der Tageszeitung De Ware Tijd
- Surendre Rambocus (29), Leutnant, der im März 1982 den Putschversuch gegen Bouterse angeführt hatte und im November 1982 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war
- Harold Riedewald (49), Rechtsanwalt
- Jiwansingh Sheombar (25), Soldat, der beschuldigt wurde, am Putschversuch im März 1982 beteiligt gewesen zu sein und deshalb zu acht Jahren Haft verurteilt worden war
- Jozef Slagveer (42), Journalist und Direktor der Nachrichtenagentur Informa
- Robby Sohansingh (37), Unternehmer
- Frank Wijngaarde (43), Journalist und Radiosprecher bei ABC Radio
Alle Opfer waren Mitglied in der Suriname Association for Democracy.[9] Mit John Baboeram, Eddy Hoost, Kenneth Gonçalves und Harold Riedewald befanden sich vier der renommiertesten Strafverteidiger von Suriname unter den Opfern. Sie waren in dem Prozess wegen eines Putsches am 11. März 1982 als Verteidiger der Angeklagten Surendre Rambocus und Djiewansing Sheombar tätig.[10]
Viele Familienangehörige der ermordeten Männer emigrierten nach den Dezembermorden in die Niederlande, bis 1975 Kolonialmacht von Suriname.[10]
Berichte und Voruntersuchungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bericht der niederländischen Juristenkommission
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 14. Februar 1983 legte die niederländische Sektion der Internationalen Juristenkommission (NJCM) in Leiden ihren Bericht zu den Dezembermorden vor. Er fasste die Aussagen von Zeugen zusammen, die zwischen dem 9. und 13. Dezember im Leichenhaus des Universitätsklinikums in Paramaribo die zum Teil verstümmelten Körper der Opfer gesehen hatten. Danach wiesen die Gesichter aller Opfer Spuren von schweren Misshandlungen auf, die Körper Knochenbrüche und andere Verwundungen, die nicht von Gewehrschüssen herrühren konnten. Auch stellten Experten fest, dass die Schüsse in Brust und Bauch eindeutig von vorne abgegeben worden waren. Fazit des Berichts war, dass die Opfer nicht versucht hatten zu fliehen, sondern dass sie schwer gefoltert und dann getötet worden waren. Es wurden auch einzelne Verletzungen aufgelistet: So war Cyrill Daal entmannt worden. Surindre Rambocus wurde von mehreren Kugeln durchbohrt, angefangen vom linken Fuß bis zum Hals, seine Zunge war herausgeschnitten und das Gesicht von Brandwunden durch Zigaretten übersät. Jiwansingh Sheombars Brust und Bauch wiesen Schüsse in einem Kreuzmuster auf.[11][12]
Vereinte Nationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1983 forderten die Angehörigen von acht Opfern der Dezembermorde den UN-Menschenrechtsausschuss auf, die Hinrichtungen als Verstoß gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) zu verurteilen. Die surinamische Regierung verlangte im Gegenzug, der Antrag solle für unzulässig erklärt werden. Der Ausschuss urteilte aber, dass die 15 Opfer unter Verstoß gegen Artikel 6 des IPbpR „willkürlich getötet“ worden seien, und forderte Suriname auf, die Morde zu untersuchen und die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen.[3]
1984 besuchte der Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsausschusses, Amos Wako, Suriname und die Niederlande als ehemaliges Mutterland des Landes, wo eine große surinamische Gemeinschaft lebt. Er stellte fest, dass in der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1982 „standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen“ stattgefunden hätten, die „eine traumatische Wirkung“ auf die surinamische Bevölkerung gehabt hätten, insbesondere mit Hinblick auf den prominenten Status der Opfer. Viele Surinamer seien der Meinung, dass eine unabhängige Untersuchung und Verfolgung der Schuldigen notwendig sei.[3]
1992 wurde Desi Bouterse in den Niederlanden in Abwesenheit wegen Drogenhandels zu elf Jahren Haft verurteilt. Wegen eines internationalen Haftbefehls konnte er anschließend das Land nicht verlassen, ist aber seit seiner Wahl zum Präsidenten im Jahre 2010 durch politische Immunität geschützt.[13]
Gerichtliche Untersuchung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 1. November 2000, kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist, wurde eine gerichtliche Voruntersuchung unter Leitung von Untersuchungsrichter Albert Ramnewash eingeleitet. Im Dezember 2002 ordnete Ramnewash eine Autopsie der Opfer an, und das Nederlands Forensisch Instituut (NFI) wurde hinzugezogen. Im August 2004 übermittelte das NFI die Ergebnisse der forensischen Untersuchung an das surinamische Untersuchungsteam, das Anfang Dezember 2004 die Voruntersuchung abschloss.[14]
Im Jahr 2000 kam John Dugard, langjähriger Rechtsberater von Bischof Desmond Tutu, zu dem Schluss, dass die Dezembermorde vom 8. Dezember 1982 mit Folterungen und Hinrichtungen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen seien. Um die friedliche Volksbewegung für Recht und Demokratie zu brechen, seien gezielt ihre intellektuellen Anführer ermordet worden.[15] Im selben Jahr berichtete der einzige Überlebende, der Gewerkschaftsführer Freddy Derby, Bouterse habe ihm zugesagt, ihn am Leben zu lassen, um die „rebellischen“ Gewerkschaften von Suriname zu beruhigen.[16]
Strafrechtliche Verfolgung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beginn des Prozesses
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im März 2007 entschuldigte sich Desi Bouterse öffentlich für die Dezembermorde. Gleichzeitig plädierte er für eine Amnestie der Täter und ihrer Komplizen. Bouterse erklärte, er sei lediglich „politisch verantwortlich“ für die Morde: „Es hieß: sie oder wir.“[17] Er sei auch nicht in der Festung persönlich anwesend gewesen. Dementgegen sagten zwei Augenzeugen aus, die Opfer Paul Bhagwandas und Roy Horb seien in Bouterses Büro in Fort Zeelandia kurz vor ihrem Tod durch ihn „verhört“ worden. Bouterse habe als „Richter“ agiert und die Strafen ausgesprochen. Laut den Aussagen der beiden Zeugen – zwei Soldaten – wurden die Morde schon einen Monat zuvor vorbereitet. Ursprünglich sei geplant gewesen, die Männer auf einem Patrouillenboot auf See zu erschießen.[18]
Am 30. November 2007, 25 Jahre nach der Tat, begann der Strafprozess wegen der Dezembermorde vor einem Militärgericht in Suriname unter dem Vorsitz von Richterin Cynthia Valstein-Montnor. 25 Männer waren angeklagt, und Desi Bouterse als damaliger Oberbefehlshaber der Armee war der Hauptangeklagte. Speziell für dieses Strafverfahren wurde im Bezirk Domburg ein stark gesicherter Gerichtssaal errichtet.[19]
Der Prozess verlief schleppend, und Bouterse selbst, der im Mai 2010 trotz des laufenden Verfahrens zum Präsidenten von Suriname gewählt worden war und dadurch nun Immunität genoss, erschien bis zu seiner Berufungsverhandlung im Januar 2020 nie vor dem Gericht.[20] Einer der 25 Angeklagten, Ruben Rozendaal, erklärte am 8. Mai 2010, dass ihm der Anwalt von Bouterse 10.000 Dollar gegeben habe, zum Dank dafür, dass er keine Bouterse belastenden Aussagen gemacht habe.[21] Am 23. März 2012 sagte er aus, Desi Bouterse habe die Opfer Cyrill Daal und Surendre Rambocus eigenhändig erschossen.[22] Bouterse sei ebenfalls verantwortlich für den Tod von Roy Horb, dessen Schwager Guno Mahadew, von Roy Tolud und Wilfred Hawker. Auch sei Bouterse ein Drogendealer und Waffenhändler, der weitere Morde in den 1980er Jahren zu verantworten habe.[23] Rozendaal erklärte, er habe wegen einer schweren Erkrankung nicht mehr lange zu leben und wolle seinen Namen vor seinem Tod reinwaschen. Seine eigene Rolle bei den Dezembermorden habe einzig darin bestanden, André Kamperveen zu Hause abzuholen und nach Fort Zeelandia zu bringen. Er habe nicht an den Folterungen und Morden teilgenommen. Im Dezember 2017 beging Rozendaal Suizid, nachdem der Staatsanwalt für ihn einen Monat zuvor zehn Jahre Haft gefordert hatte.[24]
Das Amnestiegesetz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 19. März 2012 reichten zwölf Parlamentsabgeordnete der Regierungskoalition von Bouterse eine Vorlage zur Erweiterung eines bestehenden Gesetzes zur Amnestie von Straftaten während des surinamischen Bürgerkriegs ein, so dass auch die Dezembermorde davon erfasst würden.[25][26] Eine Verabschiedung dieses Gesetzes hätte bedeutet, dass der Prozess um die Dezembermorde im Dezember 2012 ein Ende gefunden hätte. Trotz massiver Kritik wurde es am 4. April 2012 nach drei Tagen hitziger Debatte mit 28 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen im Parlament verabschiedet. Alle anwesenden Oppositionsmitglieder stimmten gegen das Gesetz. Bouterse erklärte, die Ratifizierung des Gesetzes bedeute einen „Neuanfang“ für Suriname.[27][28] Bei einer anschließenden Feier auf dem Onafhankelijkheidsplein in Paramaribo bezeichnete Steve Meye, Bischof einer surinamischen Pfingstkirche und der geistliche Berater von Bouterse, die Gegner des Gesetzes als „Staatsfeinde“, die identifiziert und verhaftet werden müssten.[29]
Als Reaktion auf die Verabschiedung des Gesetzes ließ der niederländische Außenminister Uri Rosenthal den niederländischen Botschafter Aart Jacobi am Tag darauf aus Suriname abrufen. Darüber hinaus ließ er rund 20 Millionen Euro Entwicklungshilfe für Suriname einfrieren.[30] Die Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) und Partij van de Arbeid (PvdA) plädierten für weitergehende Wirtschaftssanktionen.[31] Der niederländische Premierminister Mark Rutte nannte das Amnestiegesetz „schwer erträglich“, und Suriname würde noch spüren, dass es diese Entscheidung getroffen habe.[32] Am 24. Juni 2012 ordnete Minister Rosenthal ein Einreiseverbot für die 25 Angeklagten in Sachen Dezembermorde an.[33] Auch die Vereinten Nationen, Amnesty International, Human Rights Watch, Reporter ohne Grenzen und weitere Menschenrechtsorganisationen verurteilten das Amnestiegesetz.[34][35]
Bei den Parlamentswahlen vom 25. Mai 2015 erreichte die NDP von Präsident Bouterse mit 26 von 51 Parlamentssitzen die absolute Mehrheit.[36]
Fortgang des Prozesses und Urteil
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 9. Juni 2016 entschied das Militärgericht, dass das Amnestiegesetz nicht rechtmäßig sei und der Prozess fortgesetzt werde: Das Gesetz sei während des laufenden Prozesses verabschiedet worden und hätte zudem von einem Verfassungsgericht überprüft werden müssen. Kurz darauf suchte Bouterse das Gespräch mit Richtern und informierte Armee und Polizei über eine „Verfassungskrise“, in der sich das Land infolge des Urteils angeblich befinde. Kritiker, darunter die Surinamese Bar Association (SOVA), betrachteten diese Vorgänge als Angriff auf die Gewaltenteilung.[37] Auch im Parlament erklärte Bouterse, dass es eine „Verfassungskrise“ gebe.[38] Mit Berufung auf den Artikel 148 der surinamischen Verfassung ließ er den Prozess vorübergehend unterbrechen, da dieser eine „Gefahr für die nationale Sicherheit Surinames“ darstelle.
In der Folge wurden weitere Sitzungen des Gerichts mehrfach verschoben. Am 30. Januar 2017 kündigte das Gericht an, dass die Verhandlung gegen Bouterse und seine Mitverdächtigen fortgesetzt werde. Es stellte fest, dass Bouterse zu Unrecht in den Prozess eingegriffen habe und sich nicht auf den Verfassungsartikel 148 berufen könne. Am 9. Februar solle das Urteil gesprochen werden,[39] aber die Sitzung wurde vertagt, weil die Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung des Gerichts Berufung einlegte.[40] Vermutet wurde, dass dieser unerwartete Schritt auf Druck der Regierung auf den Oberstaatsanwalt zurückzuführen war.[41] Im Mai 2017 erklärte der Oberste Gerichtshof von Suriname die Berufung jedoch für unbegründet.
Am 28. Juni 2017 forderte Staatsanwalt Roy Elgin jeweils 20 Jahre Haft für Bouterse und vier weitere Angeklagte wegen geplanten Mordes.[42] Bouterse konterte diese Forderungen mit der Behauptung, kein Richter könne über ihn richten, da er „von Gott eingesetzt“ sei.[43] Strafforderungen für weitere Angeklagte folgten in den kommenden Monaten.
Nach weiteren Verzögerungen sprach das aus drei Richterinnen – Cynthia Valstein-Monthor, Suzanne Chu und Rewita Chatterpal – bestehende Gericht am 29. November 2019, über zwölf Jahre nach Prozessbeginn, die Urteile:[44] Bouterse wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. Auch sechs Mittäter wurden verurteilt: Benny Brondenstein, Ernst Gefferie und Iwan Dijksteel zu je 15 Jahren sowie Stephanus Dendoe, Kenneth Kempes und Lucien Lewis zu je 10 Jahren Gefängnis.[45][46][47] Zehn Angeklagte wurden freigesprochen.[48] Sechs weitere Angeklagte waren im Laufe der Jahre verstorben.[1]
Die Verlesung des 120-seitigen Urteils durch Cynthia Valstein-Montnor, das der surinamische Politikwissenschaftler Hans Breeveld als „juristisches Meisterwerk“ bezeichnete,[49] dauerte drei Stunden.[50] Es wurden indes keine Haftbefehle erlassen, da nach surinamischem Gesetz Verhaftungen von Verurteilten erst erfolgen können, wenn alle Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.[1]
Präsident Bouterse befand sich an diesem Tag auf einem Staatsbesuch in China. Sein Anwalt kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen, zumal Bouterse „in Abwesenheit“ verurteilt worden sei.[51][50] Das Urteil sei eindeutig „politisch motiviert“.[52][53] Die Richter hätten aus den Verhören der Opfer „ein Drama“ gemacht.[50]
Zur Berufungsverhandlung am 22. Januar 2020 erschien Desi Bouterse erstmals persönlich vor Gericht, umgeben von zehn Leibwächtern und unter lautem Beifall von rund 1500 Anhängern von ihm und seiner Partei Nationale Democratische Partij (NDP). Diese waren von der NDP aus allen Teilen des Landes mit Bussen zum Gerichtsgebäude gebracht worden. Straßen waren abgesperrt und die Schulen geschlossen.[54] Da der Staatsanwalt und ein Richter wegen Krankheit nicht anwesend waren, wurde die Sitzung nach wenigen Minuten beendet.[20]
Jeff Handmaker, Leiter der unabhängigen Beobachtungsmission der Internationalen Juristenkommission (ICJ) und Hochschullehrer an der Erasmus-Universität Rotterdam, listete auf, wie Bouterse, sein Anwalt und seine Parteifreunde alles in ihrer Macht Stehende taten, um den Strafprozess wegen der Dezembermorde zu diskreditieren, zu beenden und/oder zu verzögern. Dabei habe er auch das Gesetz missbraucht, wie etwa mit dem unrechtmäßigen Amnestiegesetz von 2012. Handmaker verwies auch auf die zahlreichen öffentlichen Schikanen gegen die Justiz und die Versuche, ihre Legitimität zu untergraben. Handmaker kam zu dem Schluss, dass Präsident Bouterse sich des Lawfare (politischer Verfolgung, Zerstörung des öffentlichen Ansehens und des Unschädlichmachens eines politischen Gegners durch unrechtmäßigen Gebrauch von juristischen Instrumentarien) schuldig gemacht habe, um den Rechtsstaat in Suriname zu untergraben.[15]
Nach Auffassung des Anwalts Gerard Spong, der mit Opfern der Morde befreundet war und die Staatsanwaltschaft bei der Anklage beriet, bleibe Bouterse nur noch „der politische Fluchtweg“. Seine einzige Rettung sei die Präsidentschaft. Deshalb habe Bouterse ein vitales Interesse daran, die Wahlen am 25. Mai 2020 zu gewinnen. Sobald er kein Präsident mehr sei und keine Immunität mehr genieße, gehöre Bouterse „natürlich“ ins Gefängnis „geworfen“.[13]
Verurteilung und Flucht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 29. November 2019 verurteilte das Militärgericht in Suriname Desi Bouterse zu 20 Jahren Gefängnis für die Dezembermorde von 1982.[55][56][57] Auch sechs Mittäter wurden verurteilt: Benny Brondenstein, Ernst Gefferie und Iwan Dijksteel zu je 15 Jahren sowie Stephanus Dendoe, Kenneth Kempes und Lucien Lewis zu je 10 Jahren Gefängnis.[58]
Am 20. Dezember 2023 wurde durch den Hof van Justitie in einem Berufungsverfahren letztinstanzlich die Verurteilung von Bouterse zu 20 Jahren Haft bestätigt.[59][60] Die Verurteilung der vier Mitangeklagten zu 15 Jahren Haft wurde ebenfalls bestätigt. Die Vollstreckung der Urteile wurde ausgesetzt, da die Verurteilen ein Gnadengesuch an den Präsidenten Surinames gestellt hatten.[61] Wenig später wurde das Urteil gegen Bouterse und seine Mitangeklagten erneut bestätigt, und Bouterse aufgefordert, im Januar 2024 die Haft anzutreten.[62]
Nachdem Bouterse am 12. Januar 2024 um 13 Uhr nicht zum vorgesehenen Haftantritt im Santo Boma, dem Gefängnis von Paramaribo, erschienen war, wurde ein internationaler Haftbefehl gegen ihn beantragt.[63] Seine Frau ließ mitteilen, dass Bouterse nicht vorhabe, sich zu stellen.[64][65] Mit Bouterse verschwunden ist sein ehemaliger Leibwächter Iwan Dijksteel, der ebenfalls verurteilt worden war und seine Haft nicht antrat.[66] Am 25. Dezember 2024 gab die Regierung bekannt, dass Bouterse nach kurzer Krankheit am 24. Dezember verstorben ist.[67]
Erinnerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zum Gedenken an die Dezembermorde wurde 1992 an der Südmauer der Mozes en Aäronkerk in Amsterdam eine Gedenktafel mit den Namen angebracht. Jährlich findet dort eine Gedenkveranstaltung statt.[68] Die Familien der Mordopfer gründeten die Stichting 8 december 1982.[69]
2009 wurde im Fort Zealandia vom damaligen Präsidenten Ronald Venetiaan eine Tafel mit den Namen der Opfer enthüllt. Dort sind die Einschusslöcher von der Hinrichtung erhalten.[70]
Nach André Kamperveen wurde in Paramaribo im Jahre 2000 das dortige Fußballstadion benannt, zudem erinnert ein Standbild seiner Person am Stadion an ihn.[71]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sachbücher
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sandew Hira: Balans van een coup: drie jaar Surinaamse revolutie. Futile, Rotterdam 1983, ISBN 90-6323-057-5 (niederländisch).
- Jan Sariman, mit einem Nachwort von Hendrick Chin A Sen: De Decembermoorden in Suriname: verslag van een ooggetuige. Het Wereldvenster, Bussum 1983, ISBN 90-293-9435-8 (niederländisch).
- Willem Oltmans: Willem Oltmans in gesprek met Desi Bouterse. Jan Mets, Amsterdam 1984, ISBN 90-70509-15-6 (niederländisch).
- Harmen Boerboom/Joost Oranje: De 8 december moorden: slagschaduw over Suriname. BZZTôH, 's-Gravenhage 1992, ISBN 90-6291-762-3 (niederländisch).
- Theo Para: De schreeuw van Bastion Veere. Van Gennep, Amsterdam 2009, ISBN 90-5515-441-5 (niederländisch).
- Ivo Evers/Pieter van Maele: Bouterse aan de macht. De Bezige Bij, 2012, ISBN 978-90-234-7293-3 (niederländisch).
Romane
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Edgar Cairo schrieb schon in den Tagen nach den Dezembermorden den Roman De smaak van Sranan Libre. Der Text erschien in Teilen in der Zeitung Het Parool und wurde als Hörspiel von Radio Nederland Wereldomroep ausgestrahlt. 2007 erschien der Roman als Buch.
2005 verfasste Cynthia McLeod den historischen Roman ...die Revolutie niet begrepen!..., in dem auch die Dezembermorde thematisiert werden.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Decembermoorden. In: decembermoorden.com. 7. Dezember 2016, abgerufen am 16. März 2020.
- December moorden auf YouTube, vom 27. November 2016.
- Urteil gegen Desi Bouterse und die Urteilsbegründung. Abgerufen am 16. März 2020.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c Präsident von Suriname verurteilt. In: bote.ch. 30. November 2019, abgerufen am 16. April 2020.
- ↑ De waarheid, 11. Dezember 1982, S. 1. In: delpher.nl. Abgerufen am 1. April 2020 (niederländisch).
- ↑ a b c d Amos Wako: Summary or arbitrary executions : report / by Special Rapporteur, S. Amos Wako, appointed pursuant to resolution 1984/35 of 24 May 1984 of the Economic and Social Council. Annex V. In: digitallibrary.un.org. 24. Mai 1984, abgerufen am 1. April 2020 (englisch).
- ↑ Gevonden in Delpher -NRC Handelsblad. In: resolver.kb.nl. 19. Dezember 1982, abgerufen am 16. März 2020 (niederländisch).
- ↑ D. Bouterse: oging tot staatsgreep voorkomen. In: Nederlands Dagblad. 10. Dezember 1982, abgerufen am 16. März 2020 (niederländisch).
- ↑ De geschiedenis van de Decembermoorden in Suriname. In: isgeschiedenis.nl. 9. Dezember 2019, abgerufen am 31. März 2020 (niederländisch).
- ↑ Kamperveen André in blog. In: werkgroepcaraibischeletteren.nl. Abgerufen am 17. April 2020.
- ↑ Rapport over de mensenrechtensituatie in Suriname van de Inter-Amerikaanse Commissie voor de Mensenrechten
- ↑ Suriname: Justice Under Fire. In: coha.org. 17. April 2020, abgerufen am 17. April 2020 (englisch).
- ↑ a b Zonen van Suriname. In: 2doc.nl. Abgerufen am 31. März 2020 (niederländisch).
- ↑ Chris de Cooker, Vorsitzender: De gebeurtenissen in Paramaribo, Suriname, 8-13 december 1982: de gewelddadige dood van 14 Surinamers en 1 Nederlander. Hrsg.: Rapport van het Nederlands Juristen Comité voor de Mensenrechten. Leiden 14. Februar 1983.
- ↑ ‚De heer Bouterse lust ik rauw‘. In: groene.nl. 6. Januar 2010, abgerufen am 17. April 2020 (niederländisch).
- ↑ a b Matthijs le Loux: Alleen de verkiezingen lijken Bouterse voor 20 jaar cel te kunnen behoeden. In: nu.nl. 27. März 2020, abgerufen am 15. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Decembermoorden / Late lijkschouwing. In: trouw.nl. 29. Juni 2006, abgerufen am 31. März 2020 (niederländisch).
- ↑ a b Lawfare tegen Decembermoorden strafproces. In: starnieuws.com. 16. April 2020, abgerufen am 16. April 2020.
- ↑ 18 jaar na de decembermoorden: Fred Derby doet zijn verhaal ( vom 14. Juni 2012 im Internet Archive)
- ↑ Smet op Surinaams blazoen. In: nos.nl. 19. Februar 2010, abgerufen am 1. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Ooggetuige verklaart: decembermoorden van tevoren gepland. In: archief.ntr.nl. 11. Juli 2017, abgerufen am 31. März 2020 (niederländisch).
- ↑ Ivo Evers, Pieter Van Maele: Bouterse aan de macht. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ a b Tonny van der Mee: Krijgsraad is na zes minuten al klaar met Bouterse. In: ad.nl. 22. Januar 2020, abgerufen am 15. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Rozendaal: Bouterse heeft mij US$ 10.000 gegeven. In: starnieuws.com. 23. März 2012, abgerufen am 1. April 2020.
- ↑ "Bouterse heeft Daal en Rambocus doodgeschoten". In: starnieuws.com. 23. März 2012, abgerufen am 1. April 2020.
- ↑ Rozendaal: Bouterse schoot Van Aalst dood. In: starnieuws.com. 24. März 2012, abgerufen am 1. April 2020.
- ↑ Ruben Rozendaal is overleden. In: starnieuws.com. 2. Dezember 2017, abgerufen am 1. April 2020.
- ↑ Voorstel: amnestie verdachten Decembermoorden. In: trouw.nl. 20. März 2012, abgerufen am 1. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Bouterse maakt kans op amnestie voor betrokkenheid bij Decembermoorden. In: trouw.nl. 21. März 2012, abgerufen am 1. April 2020 (niederländisch).
- ↑ 'Amnestiewet Suriname bekrachtigd'. In: ad.nl. 6. April 2012, abgerufen am 1. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Bouterse: Amnestiewet is een nieuw begin. In: starnieuws.com. 6. April 2012, abgerufen am 1. April 2020.
- ↑ Meye: Mensen die niet meewerken zijn staatsvijanden. In: starnieuws.com. 6. Mai 2012, abgerufen am 31. März 2020.
- ↑ Rosenthal schort hulp aan Suriname op. In: volkskrant.nl. 11. April 2012, abgerufen am 15. April 2020 (niederländisch).
- ↑ PVV moties Suriname verworpen, RNW Suriname, 20. April 2012
- ↑ Rutte: Suriname zal gevolgen merken. In: volkskrant.nl. 5. April 2012, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Geen visum voor Surinaamse verdachten 8 december. In: waterkant.net. 25. Juni 2012, abgerufen am 1. April 2020 (englisch).
- ↑ Suriname amnesty law threatens President's trial for human rights violations. In: amnesty.org. 23. März 2012, abgerufen am 1. April 2020 (englisch).
- ↑ United Nations High Commissioner for Refugees: Refworld – Amnesty insult to memory of dictatorship's victims, including five journalists. In: refworld.org. 5. April 2012, abgerufen am 1. April 2020 (englisch).
- ↑ Fracties - De Nationale Assemblée. De Nationale Assemblée, abgerufen am 1. April 2020.
- ↑ Bouterse praat met rechters en leger over proces Decembermoorden. In: nos.nl. 18. Juni 2016, abgerufen am 31. März 2020 (niederländisch).
- ↑ Bouterse: crisis na vonnis krijgsraad. In: rd.nl. 21. Juni 2016, abgerufen am 31. März 2020 (niederländisch).
- ↑ Krijgsraad: strafeis tegen Desi Bouterse wordt op 9 februari uitgesproken. In: volkskrant.nl. 30. Januar 2017, abgerufen am 31. März 2020 (niederländisch).
- ↑ Zitting Krijgsraad tot nader order uitgesteld. In: starnieuws.com. 9. Februar 2017, abgerufen am 31. März 2020.
- ↑ Geen strafeis tegen Bouterse na onverwacht hoger beroep OM. In: volkskrant.nl. 9. Februar 2017, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ -Dezember morders.html Wieder Forderungen von 20 Jahren im Prozess der Dezember-Morde
- ↑ Bouterse: God heeft mij hier neergezet, geen rechter haalt mij weg. In: nos.nl. 30. Juni 2017, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Zwijgzame bewaker van de rechtsstaat. In: trouw.nl. 9. Februar 2017, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Krijgsraad Suriname veroordeelt nog zes verdachten voor Decembermoorden. In: Volkskrant. 30. November 2019, abgerufen am 30. November 2019.
- ↑ Twintig jaar cel voor Bouterse. In: srherald.com. 29. November 2019, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Surinaamse president Desi Bouterse veroordeeld voor decembermoorden in 1982. In: hln.be. 30. November 2019, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Vrouwe Justitia weer bijna rechtop. In: starnieuws.com. 30. November 2019, abgerufen am 24. April 2020.
- ↑ De zwijgende meerderheid. In: starnieuws.com. 24. April 2020, abgerufen am 24. April 2020.
- ↑ a b c ‚Het is een historische dag voor de rechtsstaat Suriname‘. In: trouw.nl. 29. November 2019, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Kanhai: Proces was politiek proces, Surinam Herald, 29. November 2019
- ↑ 20 Jahre Gefängnis für Präsident Bouterse wegen „Dezember-Morden“. In: blickpunkt-lateinamerika.de. 2. Dezember 2019, abgerufen am 16. April 2020.
- ↑ Kanhai: “Proces tegen Bouterse was politiek proces”. In: srherald.com. 29. November 2019, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Historische dag in Suriname: Desi Bouterse oog in oog met de Krijgsraad. In: nos.nl. 22. Januar 2020, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ Kees Broere: Rechter veroordeelt Bouterse tot 20 jaar cel voor betrokkenheid bij Decembermoorden. In: Volkskrant. 29. November 2019, abgerufen am 30. November 2019.
- ↑ Suriname president guilty of murder over 1982 executions. In: The Guardian. 30. November 2019, abgerufen am 30. November 2019.
- ↑ Urteil des Militärgerichtes vom 29. November 2019 niederländisch, abgerufen am 3. Januar 2020 (PDF-Datei).
- ↑ Krijgsraad Suriname veroordeelt nog zes verdachten voor Decembermoorden. In: Volkskrant. 30. November 2019, abgerufen am 30. November 2019.
- ↑ Desi Bouterse definitief veroordeeld tot 20 jaar cel voor Decembermoorden. 20. Dezember 2023, abgerufen am 20. Dezember 2023 (niederländisch).
- ↑ Vonnis: Moorden minutieus gepland en uitgevoerd. 21. Dezember 2023, abgerufen am 21. Dezember 2023 (niederländisch).
- ↑ Surinamese prosecution pauses execution of sentence of ex-leader. In: caribbean.loop.news.com. 23. Dezember 2023, abgerufen am 26. Dezember 2023.
- ↑ Ank Kuipers: Suriname authorities hunt for fugitive ex-president amid prison no-show. In: reuters.com. 20. Januar 2024, abgerufen am 20. Januar 2024.
- ↑ Joanne Clark: International arrest warrant issued for former Suriname President Desi Bouterse. In: caribbeannationalweekly.com. 19. Januar 2024, abgerufen am 20. Januar 2024 (englisch).
- ↑ Vrt Nws: Surinaamse oud-president Bouterse daagt ondanks veroordeling niet op bij gevangenis. In: vrt.be. 12. Januar 2024, abgerufen am 20. Januar 2024 (niederländisch).
- ↑ Guardian staff reporter: Former Suriname dictator missing after failing to turn himself in to prison | Suriname | The Guardian. In: theguardian.com. 12. Januar 2024, abgerufen am 20. Januar 2024 (englisch).
- ↑ Gezocht: 78-jarige meervoudig moordenaar en zijn voormalig lijfwacht (71) – Dagblad Suriname. In: dbsuriname.com. 23. Januar 2024, abgerufen am 24. Januar 2024 (niederländisch).
- ↑ Suriname's former dictator, fugitive and president Desi Bouterse dies at 79. In: France24. 25. Dezember 2024, abgerufen am 25. Dezember 2024 (englisch).
- ↑ Decembermoorden herdacht in Amsterdam. In: historiek.net. 21. März 2016, abgerufen am 16. April 2020 (niederländisch).
- ↑ 8 December. In: decembermoorden.com. 7. Dezember 2016, abgerufen am 18. April 2020.
- ↑ Monument Decembermoorden in Suriname onthuld. In: waterkant.net. 9. Dezember 2009, abgerufen am 16. April 2020 (englisch).
- ↑ André-Kamperveen-Stadion – Suriname. In: academiadasapostasmz.com. Abgerufen am 16. April 2020 (portugiesisch).