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„Eliezer Ben-Jehuda“ – Versionsunterschied

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'''Eliezer Ben-Jehuda''' [{{IPA|ɛli'ʕɛzeʁ bɛn jɛhu'da}}] ({{heS|אֱלִיעֶזֶר בֶּן־יְהוּדָה}}, gebürtig ''Eliezer Jitzchak Perlman''; geboren [[7. Januar]] [[1858]] in [[Synagoge (Luschki)|Luschki]], [[Russisches Kaiserreich]]; gestorben [[16. Dezember]] [[1922]] in [[Jerusalem]]) war Journalist und Autor des ersten modernen hebräischen (mehrbändigen) Wörterbuchs (''Complete Dictionary of Modern Hebrew'', 1910 ff.; nach Ben-Jehudas Tod abgeschlossen 1959 im Staat Israel mit dem letzten, dem 18. Band). Er gilt als die wichtigste Kraft bei der Vervollständigung und Verbreitung des modernen [[Ivrit]], vor allem als ''gesprochener'' Sprache. Damit hat er das [[Hebräische Sprache|Hebräische]] als [[Muttersprache]] wiederbelebt, welches seit etwa dem Jahre [[200|200 n. Chr.]] fast nur noch als [[Sakralsprache]] im [[Tora]]studium verwendet worden war. Er gründete auch die aus dem Hebräischen Sprachkomitee 1920 hervorgegangene Akademie für die Hebräische Sprache, die bis heute in Jerusalem tätig ist. Dank seines Engagements wurde Hebräisch seit dem Jahr 1922 neben Englisch und Arabisch zur Amtssprache im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina.
'''Eliezer Ben-Jehuda''', auch ''Elieser'' bzw. ''Ben-Yehuda'' [{{IPA|ɛliˈ(ʕ)ɛzɛʁ bɛn j(ɛ)huˈda}}] ({{heS|אֱלִיעֶזֶר בֶּן־יְהוּדָה‎}}, gebürtig ''Eliezer Jitzchak Perlman''; geboren [[7. Januar]] [[1858]] in [[Synagoge (Luschki)|Luschki]], [[Russisches Kaiserreich]]; gestorben [[16. Dezember]] [[1922]] in [[Jerusalem]], [[Völkerbundsmandat für Palästina]]) war Journalist und Autor des ersten modernen [[Hebräische Sprache|hebräischen]] Wörterbuches, des ''Thesaurus totius Hebraitatis et veteris et recentioris'' (Band 1–8 erschienen bei Langenscheidt, Berlin-Schöneberg, 1908–1930; mit Band 18 im Jahr 1959 in Israel abgeschlossen). Er gilt als die wichtigste Kraft beim [[Abstand und Ausbau#Ausbausprache|Ausbau]] und der Verbreitung des Hebräischen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ben-Jehuda gründete 1920 die aus dem Hebräischen Sprachkomitee hervorgegangene Akademie für die Hebräische Sprache, die bis heute mit Sitz in Jerusalem tätig ist. Auf seine Initiative wurde Hebräisch im Jahr 1922 neben [[Englische Sprache|Englisch]] und [[Arabische Sprache|Arabisch]] [[Amtssprache]] im damaligen britischen [[Völkerbundsmandat für Palästina|Mandatsgebiet Palästina]]. Ben-Jehuda gilt in Israel als Vater der [[Ivrit|modernhebräischen Sprache]].


== Leben ==
== Leben ==
=== Aufwachsen in Europa ===
=== Aufwachsen in Europa ===
==== Kindheit in Russland ====
==== Kindheit in Russland ====
Er wurde als Eliezer Jitzchak Perlman in Luschki (im heutigen[[Rajon Scharkouschtschyna| Weißrussland]]), einer kleinen im [[Gouvernement Wilna]] gelegenen Stadt (damals [[Russisches Kaiserreich]]), in eine arme [[Orthodoxes Judentum|jüdisch-orthodoxe]] Familie geboren. Sein Vater Jehuda Leib starb, als Eliezer fünf Jahre alt war. Seine Mutter Tzipora ("Feige") Perlman heiratete wieder, die Ehe wurde wenige Jahre später geschieden und Eliezer wurde aus wirtschaftlichen Gründen zu seinem Onkel mütterlicherseits, David Wolfson, gegeben. Nach seiner [[Bar Mitzwa]] im Alter von 13 Jahren schickte ihn sein Onkel auf eine [[Jeschiwa]] des Rabbiners Joseph Blücker in [[Polazk]], wo er [[Talmud]]unterricht erhielt, in der Hoffnung, er würde eine Laufbahn als [[Rabbiner]] einschlagen. Ein Rabbiner, bei dem Eliezer Unterricht erhielt, weihte ihn jedoch in die jüdische Aufklärung, die [[Haskala]] ein, welche ihn sehr beeindruckte und seinem Leben eine andere Richtung gab. Er wandelte sich zum [[Freidenker]] und rasierte seine [[Schläfenlocken]], widmete sich dem kulturellen Leben und begann, [[Schöne Literatur|weltliche Literatur]] zu lesen.
Ben-Jehuda wurde als Eliezer Jitzchak Perlman in Luschki, einer kleinen im [[Gouvernement Wilna]] gelegenen Stadt im [[Russisches Kaiserreich|Russischen Kaiserreich]], in eine arme [[Orthodoxes Judentum|jüdisch-orthodoxe]] Familie geboren. Sein Vater, Jehuda Leib, starb, als er fünf Jahre alt war. Seine Mutter, Tzipora (Feige), heiratete erneut, die Ehe wurde jedoch nach wenigen Jahren geschieden und Eliezer aus wirtschaftlichen Gründen zu einem Onkel mütterlicherseits, David Wolfson, gegeben. Nach seiner [[Bar Mitzwa]] schickte ihn sein Onkel auf eine [[Jeschiwa]] des Rabbiners Joseph Blücker in [[Polazk]] in der Hoffnung, er werde die [[Rabbiner]]laufbahn einschlagen. Ein Rabbiner, der Eliezer unterrichtete, machte ihn mit den Lehren der [[Haskala]], der jüdischen Aufklärung, vertraut, und Eliezer wandelte sich zum [[Freidenker]]. Er schnitt seine [[Schläfenlocken]] ab und begann [[Schöne Literatur|weltliche Literatur]] zu lesen. Als solche Bücher bei ihm entdeckt wurden, musste er die Jeschiwa verlassen. Nach einer kurzen Zeit der Wanderschaft wurde Eliezer Ben-Jehuda im Alter von vierzehn Jahren von einer jüdischen Familie in [[Hlybokaje|Glubokoje]] bei [[Wizebsk]] aufgenommen. Schlomo Jonas, der Familien Vater, war ein wohlhabender Unternehmer und ermutigte Eliezer in seiner Entwicklung. Debora, die älteste Tochter der Familie, gab Ben-Jehuda zwei Jahre Sprachunterricht in Französisch, Deutsch und Russisch, was ihm den Weg auf das Gymnasium in [[Daugavpils]] (Dünaburg) ebnete. In dem Jahr, in dem er das Gymnasium abschloss, begann der [[Russisch-Osmanischer Krieg (1877–1878)|Russisch-Osmanische Krieg (1877–1878)]], in dem er viel Enthusiasmus für die [[Balkanhalbinsel|Balkanvölker]] aufbrachte, die um ihre Unabhängigkeit kämpften.

Nachdem solche Bücher bei ihm gefunden worden waren, musste er die Jeschiwa verlassen. Dies verärgerte seinen Onkel schwer, der ihn von nun an nicht mehr unterstützte und ihn zum Verlassen des Hauses aufforderte. Der 14-jährige Eliezer wurde nach einer kurzen Zeit des Umherwanderns von einer jüdischen Familie in [[Hlybokaje|Glubokoje]] bei [[Wizebsk]] aufgenommen, die seine weltlichen Ansichten teilte. Schlomo Jonas, Vater der Familie und wohlhabender Unternehmer, war beeindruckt von Eliezer und ermutigte ihn in seiner Entwicklung. Debora, die älteste Tochter der Familie, die er später heiratete, gab ihm die folgenden zwei Jahre Sprachunterricht in Französisch, Deutsch und Russisch, was ihm den Weg auf das Gymnasium in [[Daugavpils]] (deutsch ''Dünaburg'') ebnete. Im selben Jahr, in dem er das Gymnasium abschloss, begann der [[Russisch-Osmanischer Krieg (1877–1878)|Russisch-Osmanische Krieg (1877–1878)]], in dem er viel Enthusiasmus für die [[Balkanhalbinsel|Balkanvölker]] aufbrachte, deren Unabhängigkeit erkämpft werden sollte.


==== Paris und Hinwendung zum Zionismus ====
==== Paris und Hinwendung zum Zionismus ====
Er begann, die Idee der nationalen Befreiung auf das jüdische Volk auszudehnen: ein eigenes Land, eine eigene Sprache. Dafür stehen exemplarisch folgende Zitate:
Ben-Jehuda begann, die Idee der nationalen Befreiung auf das jüdische Volk zu übertragen: ein eigenes Land, eine eigene Sprache. Dafür stehen exemplarisch folgende Zitate:


{{Zitat
{{Zitat
|Text=„Es war, als ob sich die Himmel plötzlich geöffnet hätten, ein helles, weißglühendes Licht flammte vor meinen Augen auf und eine mächtige innere Stimme dröhnte in meinen Ohren: die Wiedergeburt Israels auf dem Boden seiner Ahnen.“
|Text=„Es war, als ob sich die Himmel plötzlich geöffnet hätten, ein helles, weißglühendes Licht flammte vor meinen Augen auf und eine mächtige innere Stimme dröhnte in meinen Ohren: die Wiedergeburt Israels auf dem Boden seiner Ahnen.“

„Je mehr das nationale Konzept in mir wuchs, desto mehr kam mir zu Bewusstsein, was eine gemeinsame Sprache für eine Nation bedeutet…“
„Je mehr das nationale Konzept in mir wuchs, desto mehr kam mir zu Bewusstsein, was eine gemeinsame Sprache für eine Nation bedeutet…“
|Sprache=
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|Autor=Eliezer Ben-Jehuda
|Autor=Eliezer Ben-Jehuda
|Quelle=jewish-life.de
|Quelle=jewish-life.de
|ref=<ref>http://jafi.jewish-life.de/zionismus/people/Eliezer_Ben_Jehuda.html Eliezer Ben Jehuda (1858-1922)</ref>
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}}


Auf diesem Wege wurde er zum überzeugten [[Zionismus|Zionisten]]. 1877 ging er zunächst nach [[Paris]], um an der [[Sorbonne]] Medizin zu studieren.
Auf diesem Weg wurde Ben-Jehuda zum überzeugten [[Zionismus|Zionisten]]. 1877 ging er nach [[Paris]], um an der [[Sorbonne]] Medizin zu studieren.


[[Datei:Sorbonne-2002.jpg|mini|Die Sorbonne]]
[[Datei:Sorbonne-2002.jpg|mini|Die Sorbonne]]


Im dortigen intellektuellen Umfeld und in vielen Gesprächen erwuchs die Idee, Hebräisch nicht mehr darauf zu beschränken, religiöse Themen zu diskutieren, sondern es zu einer Alltagssprache und Muttersprache zu wandeln. Erstmals unter dem [[Pseudonym]] ''Eliezer Ben-Jehuda'' veröffentlichte er in der von [[Peretz Smolenskin]] herausgegebenen, für die Haskala sehr wichtigen hebräischen Zeitschrift [[Haschachar (Magazin)|Haschachar]] (dt. ''Die Morgenröte'') einen [[Essay]] über seine politischen Vorstellungen. Hauptsächlich rief er darin zur Immigration nach [[Palästina (Region)|Palästina]] auf. Ferner setzte er sich dafür ein, dort ein nationales und spirituelles Zentrum für die Juden aufzubauen. Auch erklärte er Hebräisch als gemeinsame Sprache zur Grundvoraussetzung für eine nationale Einheit des Judentums. In Paris traf er unter anderem auf einen jüdischen Journalisten, der ihm davon berichtete, dass er auf seinen Reisen durch Afrika und Asien mit den dortigen Juden Hebräisch gesprochen habe, die Sprache also keineswegs eine [[Sprachtod|tote Sprache]] sei, was Ben-Jehuda in seinen Bemühungen motivierte.
Im dortigen intellektuellen Umfeld erwuchs seine Idee, den Gebrauch der hebräischen Sprache nicht mehr auf religiöse Themen zu beschränken, sondern es zur Alltagssprache der jüdischen Nation zu formen. Erstmals unter dem [[Pseudonym]] ''Eliezer Ben-Jehuda'' veröffentlichte er in der von [[Peretz Smolenskin]] herausgegebenen, der Haskala nehstehenden hebräischen Zeitschrift [[Haschachar (Magazin)|''Haschachar'']] (deutsch ''Die Morgenröte'') ein [[Essay]] über seine politischen Vorstellungen. Darin rief er zur Einwanderung der Juden nach [[Palästina (Region)|Palästina]] auf. Außerdem setzte er sich dafür ein, dort ein nationales geistiges Zentrum des Judentums aufzubauen. Hebräisch erklärte er zur Grundvoraussetzung für die nationale Einheit der Juden.


Im Winter 1878 erkrankte Ben-Jehuda an [[Tuberkulose]] und musste deshalb sein Studium abbrechen. Das wärmere Klima suchend reiste er nach [[Algier]]. Während eines Aufenthaltes in einer Heilanstalt<ref>entweder noch in Paris oder bereits in Algier (die Angaben in der Literatur sind hierzu nicht eindeutig)</ref> traf er auf den Jerusalemer Gelehrten [[Abraham Moses Luncz]], der mit ihm [[Sephardim|sephardisches]] Hebräisch sprach. Von ihm erfuhr Ben-Jehuda, dass die Mitglieder der verschiedenen jüdischen Jerusalemer Gemeinden mit ihren unterschiedlichen Muttersprachen lediglich auf Hebräisch miteinander kommunizieren konnten, was ihn in seinem Vorhaben nochmals bestärkte.
Im Winter 1878 erkrankte Ben-Jehuda an [[Tuberkulose]] und musste sein Studium abbrechen. Das wärmere Klima suchend, reiste er nach [[Algier]]. Während eines Aufenthaltes in einer Heilanstalt<ref>Entweder noch in Paris oder bereits in Algier (die Angaben in der Literatur sind hierzu widersprüchlich).</ref> traf er den Jerusalemer Gelehrten [[Abraham Moses Luncz]], der mit ihm [[Sephardim|sephardisches]] Hebräisch sprach. Von ihm erfuhr er, dass die Juden Jerusalems trotz verschiedener Muttersprachen auf Hebräisch miteinander kommunizieren konnten, was ihn in seinem Vorhaben, das Hebräische zur jüdischen Nationalsprache zu erheben, bestärkte.


<!--Er schrieb einen Brief, datiert auf den 21. Dezember 1880, an die HaSchachar-->
<!--Er schrieb einen Brief, datiert auf den 21. Dezember 1880, an die HaSchachar-->
Zurück in Paris schrieb er weiterhin politische Artikel und besuchte ein Seminar der [[Alliance Israélite Universelle]], wo er zum Ausbilder für eine Landwirtschaftsschule geschult wurde. Auch traf er dort auf den Dozenten [[Joseph Halévy]], einen frühen Befürworter des Prägens neuer hebräischer Wörter für Begriffe, die in den religiösen Schriften nicht vorkommen.
Zurück in Paris schrieb er politische Artikel und besuchte ein Seminar der [[Alliance Israélite Universelle]], um sich zum Ausbilder für Landwirtschaftsschulen zu qualifizieren. Dort lernte er [[Joseph Halévy]] kennen, einen frühen Befürworter der Neuschöpfung hebräischer Wörter für Begriffe und Sachverhalte, die in den überlieferten Schriften des Judentums nicht vorkamen.


Er wurde zum starken Verfechter des Aufbaus und der Besiedlung Palästinas und entschied sich, dort zu leben. Er benachrichtigte seinen ehemaligen Gastvater Schlomo Jonas von seinem Vorhaben, welcher ihm daraufhin anbot, seine Tochter Debora zu heiraten. Ben-Jehuda willigte unter der Voraussetzung ein, deren kommende Kinder lediglich auf Hebräisch zu erziehen. Sie trafen sich daraufhin auf dem Weg nach Palästina in [[Wien]] und heirateten, bevor sie 1881 per Schiff in [[Tel Aviv-Jaffa|Jaffa]] landeten.
Ben-Jehuda war ein Verfechter der jüdischen Besiedlung Palästinas und beschloss, selbst dorthin auszuwandern. Dies teilte er seinem früheren Gastvater, Schlomo Jonas, mit, der ihm daraufhin vorschlug, seine Tochter Debora zu heiraten. Ben-Jehuda traf sie auf dem Weg nach Palästina in [[Wien]], und beide heirateten, bevor sie 1881 auf einem Schiff in [[Tel Aviv-Jaffa|Jaffa]] an Land gingen.


=== Jerusalem – Palästina ===
=== Jerusalem – Palästina ===
[[Datei:Jerusalem Jaffator um 1900.jpg|mini|links|Jerusalem, [[Jaffator (Jerusalem)|Jaffator]] um 1900]]
[[Datei:Jerusalem Jaffator um 1900.jpg|mini|links|Jerusalem, [[Jaffator (Jerusalem)|Jaffator]] um 1900]]


Angekommen in [[Jerusalem]], übernahmen sie den Kleidungsstil und die Bräuche der dortigen religiösen Juden in der Hoffnung, ihren Einfluss auf die dortige Bevölkerung zu vergrößern und das Hebräische wiederzubeleben. Ben-Jehuda ging von nun an zur [[Synagoge]], Debora bedeckte ihr Haar. Auch wenn der größte Teil der jüdischen Bevölkerung Jerusalems Hebräisch konnte, fand die Kommunikation meist in der jeweiligen Muttersprache statt. Lediglich in den [[Sephardim|sephardischen]] Gemeinschaften gab es die Tradition, Hebräisch zu sprechen, wenngleich mit sehr begrenztem Wortschatz.
In [[Jerusalem]] übernahmen sie den Kleidungsstil und die Bräuche frommer Juden in der Hoffnung, auf diese Weise Einfluss auf die lokale jüdische Bevölkerung zu gewinnen, um die Verbreitung der hebräischen Sprache voranzutreiben. Lediglich in den [[Sephardim|sephardischen]] Gemeinden bestand bereits die Tradition, neben [[Djudeo-Espanyol]] und [[Arabische Sprache|Arabisch]] Hebräisch zu sprechen, wenngleich mit einem sehr begrenzten Wortschatz.


Ben-Jehuda nahm eine Lehrstelle an der [[Alliance Israélite Universelle]] an, der ersten Schule, in der einige Fächer auf das beharrliche Drängen Ben-Jehudas hin auf Hebräisch unterrichtet wurden. Auch begann er, für die wöchentlich erscheinende, hebräische Literaturzeitschrift ''[[Chawatzelet|Ḥabatseleth]]'' (dt. ''Die Lilie'') als Redaktionsassistent zu schreiben. In der zweiten Ausgabe von 1882 beschwerte er sich, dass die Alliance Israélite Universelle [[Geschichte der Juden in Russland|russisch-jüdische]] Emigranten ermuntere und ihnen noch dabei Hilfe leiste, in die [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten von Amerika]] zu emigrieren, welche er als die „endgültige Begräbnisstätte des Judaismus“ betitelte.
Ben-Jehuda nahm eine Lehrstelle an der Alliance Israélite Universelle an, der ersten Schule, in der einige Fächer auf Hebräisch unterrichtet wurden. Auch begann er, für die wöchentlich erscheinende hebräische Literaturzeitschrift ''[[Chawatzelet]]'' (deutsch ''Die Lilie'') zu schreiben. In der zweiten Ausgabe von 1882 klagte er, dass die Alliance Israélite Universelle [[Geschichte der Juden in Russland|russisch-jüdische]] Emigranten ermuntere, in die [[Vereinigte Staaten|USA]] auszuwandern, die er als „endgültige Begräbnisstätte des Judaismus“ bezeichnete.


Der erste Sohn Deboras und Ben-Jehudas, Ben-Zion (später änderte er seinen Namen in [[Itamar Ben-Avi]]), wurde 1882 geboren und war wahrscheinlich zugleich das erste Kind seit sehr langer Zeit, dessen einzige Muttersprache Hebräisch war.<ref>Momentous Century; Teil 8: ''Ittamar Ben Avi, the “Guinea Pig Infant” of Modern Spoken Hebrew, Tells How He Uttered His First Word in Hebrew (1885)'' S. 51; ISBN 0-8453-4748-9</ref>
Ben-Jehudas erster Sohn, Ben-Zion (später änderte er seinen Namen in [[Itamar Ben-Avi]]), wurde 1882 geboren und war wahrscheinlich das erste Kind seit vielen Generationen, dessen Muttersprache Hebräisch war.<ref>Momentous Century; Teil 8: ''Ittamar Ben Avi, the “Guinea Pig Infant” of Modern Spoken Hebrew, Tells How He Uttered His First Word in Hebrew (1885)'' S. 51; ISBN 0-8453-4748-9</ref>


[[Datei:HaZewi.jpg|mini|Ausgabe der Zeitung HaTzewi vom 18. Dezember 1899<ref>{{Webarchiv | url=http://www.jnul.huji.ac.il/dl/newspapers/hazevi/html/hazevi-18991218.htm | wayback=20150706030406}}</ref>]]
[[Datei:HaZewi.jpg|mini|Ausgabe der Zeitung HaTzewi vom 18. Dezember 1899<ref>{{Webarchiv |url=http://www.jnul.huji.ac.il/dl/newspapers/hazevi/html/hazevi-18991218.htm |text=jnul.huji.ac.il |wayback=20150706030406}}</ref> ]]


Ben-Jehuda begann seine Forschung an der hebräischen Sprache und der Kreation neuer Wörter, um eine alltägliche Kommunikation zu ermöglichen. Ab 1884 gab er die hebräische Zeitung [[HaTzewi]] (dt. ''Der Hirsch'') heraus, die 30 Jahre später, zu Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]], aufgrund der offenen Forderung nach einem jüdischen Staat vom [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] verboten werden sollte. In seiner Zeitung verwendete er die von ihm neu eingeführten Wörter, die durch Adoption ihren Weg in andere Publikationen und so in den sich entwickelnden Sprachgebrauch fanden. Viele europäisch-zionistische Einwanderer, die hauptsächlich außerhalb Jerusalems siedelten, wurden von Jehuda inspiriert, Hebräisch zu sprechen.
Ab 1884 gab Ben-Jehuda die hebräische Zeitung ''[[HaTzewi]]'' (dt. ''Der Hirsch'') heraus, die mehrere Jahrzehnte Bestand hatte und erst zu Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] wegen der Befürwortung eines jüdischen Staates in Palästina von den [[Osmanisches Reich|osmanischen]] Behörden verboten wurde. In vielen seiner Artikel verwendete er von ihm ausgedachte Neuschöpfungen jebräischer Wörter, die so in Umlauf gebracht und von anderen Publikationen aufgegriffen wurden. Viele europäische Einwanderer, die sich außerhalb Jerusalems ansiedelten, wurden von Ben-Jehuda inspiriert, Hebräisch zu sprechen.


Zu einem Bruch mit den orthodoxen Einwohnern Jerusalems kam es beim herannahenden [[Sabbatjahr]], in dem es nach biblischem Brauch verboten ist, die Felder zu bearbeiten oder etwas von Juden zu kaufen, die diesem Gebot nicht nachkommen. In Anbetracht der Schwierigkeiten, in denen die Landwirtschaft ohnehin steckte, zeigte sich Jehuda in seiner Ablehnung sehr stur gegenüber den Rabbinern und verspielte damit seinen Ruf in der Jerusalemer Öffentlichkeit. Er und seine Zeitung wurden von der religiösen Gemeinschaft geächtet. Die Familie Ben-Jehuda sah sich daraufhin nicht mehr in der Pflicht, die religiöse Kleiderordnung einzuhalten, und es kam zum Bruch mit allen bisherigen religiösen Freunden.
Zum Konflikt mit den orthodoxen Kreisen Jerusalems kam es anlässlich eines [[Sabbatjahr]]s, in dem es nach biblischer Sitte verboten war, die Felder zu bestellen oder etwas von Juden zu kaufen, die diese Tradition nicht respektierten. Wegen der Schwierigkeiten, in denen sich der Landbau zu dieser Zeit in Palästina befand, lehnte Ben-Jehuda die Erfüllung des biblischen Sabbatjahrgebotes ab, damit die Lebensmittelversorgung nicht in Gefahr geriet. Daraufhin wurden er und seine Zeitung von religiösen Kreisen geächtet, und Ben-Jehuda begann sich wieder weltlich zu kleiden und vollzog den Bruch mit dem orthodoxen Milieu.


Im Jahre 1890 gründete Ben-Jehuda als deren Vorsitzender den Vorläufer der noch heute existierenden [[Akademie für die Hebräische Sprache]], den [[Wa’ad HaLaschon]]“. Er arbeitete dort in späteren Jahren bis zu 18 Stunden täglich, um sein „[[Vollständiges Wörterbuch des alten und modernen Hebräisch]]“ zu vollenden.
Im Jahr 1890 gründete Ben-Jehuda den Vorläufer der [[Akademie für die Hebräische Sprache]], den [[Wa’ad HaLaschon]], und wurde dessen Vorsitzender. Dort vollendete er sein „vollständiges Wörterbuch“ der hebräischen Sprache, den ''Thesaurus totius Hebraitatis''.


[[Datei:Eliezer und Hemda Ben Jehuda im Jahre 1912.jpg|mini|hochkant|links|Ben-Jehuda mit seiner zweiten Frau Hemda im Jahre 1912]]
[[Datei:Eliezer und Hemda Ben Jehuda im Jahre 1912.jpg|mini|hochkant|links|Ben-Jehuda mit seiner zweiten Frau Hemda im Jahre 1912]]


Im Jahre 1891 starb Eliezers erste Frau Debora an Tuberkulose. Sie hinterließ ihm sieben Kinder. Sechs Monate später besuchte ihn die 14 Jahre jüngere Paula, die Schwester der verstorbenen Debora. Die beiden heirateten, woraufhin Paula ihren nicht-hebräischen Namen zu Hemda änderte. Durch die Heirat wurden die Antipathien zwischen Ben-Jehuda und der Jerusalemer Gemeinde noch verstärkt. Sie riefen bei ihm eine starke Abneigung gegen die religiösen Führer hervor, die er später der Unterschlagung von Spendengeldern für ihren persönlichen Gebrauch beschuldigte.
Im Jahr 1891 starb Ben-Jehudas Frau Deborah an Tuberkulose. Sie hinterließ sieben Kinder. Sechs Monate später besuchte ihn die 14 Jahre jüngere Schwester der Verstorbenen, Paula. Beide heirateten, woraufhin Paula ihren Namen in Hemda änderte. Unterdessen vertiefte sich der Konflikt Ben-Jehudas mit der Jerusalemer Gemeinde, deren religiösen Führern er vorwarf, einen Teil der Spendengelder, von denen die Gemeinden lebten, für ihren persönlichen Gebrauch zu entwenden.


Drei Jahre später, im Jahre 1894, veröffentlichte Ben-Jehuda einen Artikel seines Schwiegervaters, in dem die Formulierung „lasst uns unsere Kräfte bündeln und voranschreiten“ zu finden war. Das dem Zionismus abgeneigte Osmanische Reich sah aufgrund einer Fehlinterpretation in diesem Satz einen Aufruf zur Rebellion und ließ Ben-Jehuda inhaftieren.<ref>Über den eigentlichen Grund der Gefangennahme gibt es in der Literatur keine Einigkeit. Manche sind der Meinung, sie sei auf Mitglieder der ultraorthodoxen Gemeinde zurückzuführen, die den osmanischen Behörden gezielt die Falschübersetzung „Sammeln wir eine Armee und marschieren wir ostwärts“ vorlegten.</ref> Daraufhin kam er lediglich durch Bestechung und internationale Intervention wieder frei, mit der Auflage, für ein Jahr keine Zeitungen mehr zu verlegen. Er begann nun mit hoher Intensität die Arbeit an einem modernen hebräischen Wörterbuch.
1894 veröffentlichte Ben-Jehuda einen Aufsatz seines Schwiegervaters, der den Satz „Lasst uns unsere Kräfte bündeln und voranschreiten“ enthielt. Die osmanischen Behörden sahen darin einen Aufruf zur Rebellion und nahmen Ben-Jehuda in Haft.<ref>Über den eigentlichen Grund der Gefangennahme besteht in der Literatur keine Einigkeit. Manche meinen, sie sei auf Mitglieder der ultraorthodoxen Gemeinde zurückzuführen, die den osmanischen Behörden gezielt eine Falschübersetzung des Satzes vorlegten: „Sammeln wir eine Armee und marschieren wir ostwärts.</ref> Durch Bestechung und internationale Intervention kam er frei, jedoch durfte er ein Jahr lang nicht publizieren.


[[Theodor Herzl]], der als Präsident des [[Zionistenkongress|Zionistischen Weltkongresses]] 1903 in [[Basel]] für das [[Britisches Uganda-Programm|Britische Uganda-Programm]] warb, fand in Ben-Jehuda einen Anhänger dieser Idee, was Ben-Jehuda und seiner Zeitung viel Missgunst der jüdischen Einwanderer in Palästina einbrachte. Nachdem Herzl 1904 verstorben war, entschied der Kongress schließlich 1905, das britische Angebot abzulehnen. Ben-Jehuda wandte sich wieder seinem Wörterbuch zu, unter großer Mithilfe seiner Frau.
Ben-Jehuda unterstützte [[Theodor Herzl]], der auf dem [[Zionistenkongress]] 1903 in Basel für das britische [[Britisches Uganda-Programm|Uganda-Programm]] warb, und erntete dafür heftigen Widerspruch bei den jüdischen Immigranten in Palästina. Zugleich wandte sich Ben-Jehuda wieder der Redaktion seines Wörterbuchs zu. Für seine Forschungen reiste er zu den Nationalbibliotheken und Museen mehrerer europäischer Hauptstädte. Von 1908 an wurden die ersten Bände des Wörterbuchs von der [[Langenscheidt|Langenscheidtschen Verlagsbuchhandlung]] in Berlin herausgegeben.


Für seine Forschungen arbeitete er in Nationalbibliotheken und Museen in verschiedenen europäischen Hauptstädten. Ab 1910 erschienen schließlich die ersten sechs Bände des Wörterbuches in der „[[Langenscheidt|Langenscheidtschen Verlagsbuchhandlung]]“ in Berlin. Die Zeit während des Ersten Weltkrieges verbrachte Ben-Jehuda mit seiner Familie in den Vereinigten Staaten (1915 bis 1919). Auch dort arbeitete er an seinem Wörterbuch. Zurückgekehrt nach Jerusalem, gelang es ihm am 29. November 1922, [[Herbert Samuel, 1. Viscount Samuel|Herbert Samuel]], den [[Gouverneur#Zivile Gouverneure|Hochkommissar]] des britischen [[Völkerbundsmandat für Palästina|Mandats für Palästina]], davon zu überzeugen, Hebräisch neben Arabisch und Englisch zur offiziellen Amtssprache zu erheben.<ref>{{cite web |url=http://www.pravapis.org/art_benyehuda2.asp |title=Eliezer Ben-Yehuda and the Revival of Hebrew (1858-1922) |accessdate=2022-01-09 }}</ref>
Den Ersten Weltkrieg verbrachten Ben-Jehuda und seine Familie in den Vereinigten Staaten (1915 bis 1919). Nach der Rückkehr nach Jerusalem gelang es ihm am 29. November 1922, [[Herbert Samuel, 1. Viscount Samuel|Herbert Samuel]], den [[Gouverneur#Zivile Gouverneure|Hochkommissar]] des britischen [[Völkerbundsmandat für Palästina|Völkerbundsmandats für Palästina]] zu überzeugen, Hebräisch zur Amtssprache Palästinas neben Arabisch und Englisch zu erheben.<ref>{{cite web |url=http://www.pravapis.org/art_benyehuda2.asp |title=Eliezer Ben-Yehuda and the Revival of Hebrew (1858–1922) |accessdate=2022-01-09 |archiveurl=https://web.archive.org/web/20091005053616/http://www.pravapis.org/art_benyehuda2.asp |archivedate=2009-10-05 |offline=yes |archivebot=2023-04-20 22:49:59 InternetArchiveBot }}</ref>


Eliezer Ben-Jehuda starb im folgenden Monat, am 16. Dezember 1922, dem zweiten Tag von Chanukka, in Jerusalem und wurde auf dem [[Jüdischer Friedhof am Ölberg|Jüdischen Friedhof am Ölberg]] bestattet.
Eliezer Ben-Jehuda starb am 16. Dezember 1922 in Jerusalem und wurde auf dem jüdischen Friedhof am [[Jüdischer Friedhof am Ölberg|Ölberg]] bestattet. Er ging als Vater des modernen Hebräisch in die Geschichte des Staates Israel ein. Eliezer Ben-Jehuda hat maßgeblich dazu beigetragen, das Hebräische, das seit etwa [[200|200 n. Chr.]] nahezu ausschließlich als [[Sakralsprache]] verwendet worden war, als Alltags- und [[Muttersprache]] der Juden in Palästina bzw. Israel wiederzubeleben.


Nach seinem Tod führten seine Witwe und sein Sohn Ehud die Veröffentlichung des Manuskriptes fort. Die komplette Veröffentlichung aller 17 Bände konnte 1959 abgeschlossen werden. Heute tragen Straßen in zahlreichen Orten Israels seinen Namen.
Nach seinem Tod führten seine Witwe und sein Sohn Ehud die Bearbeitung seines Manuskripts fort. Die Veröffentlichung aller 18 Bände seines Wörterbuches kam im Jahr 1959 zum Abschluss. Heute tragen Straßen in israelischen Ortschaften und Städten Ben-Jehudas Namen.


== Ben-Jehuda-Haus in Jerusalem ==
== Ben-Jehuda-Haus in Jerusalem ==
Das Haus, das Ben Yehuda im südlichen Vorort [[Talpiot]] bauen ließ und in dem seine Witwe lebte, wird heute von der [[Aktion Sühnezeichen Friedensdienste]] als Länderzentrale und als internationale Begegnungsstätte ([[Beit Ben Yehuda]]) genutzt. Der Ort ist zu einem Treffpunkt zwischen Deutschen und Israelis geworden, da die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste dort eine Jugendherberge eröffnet hat und [[Ivrit|Hebräischsprachkurse]] anbietet.
Das Haus, das Ben Yehuda im südlichen Vorort [[Talpiot]] bauen ließ und in dem später seine Witwe lebte, wird heute von der [[Aktion Sühnezeichen Friedensdienste]] als Länderzentrale und internationale Begegnungsstätte ([[Beit Ben Yehuda]]) genutzt. Der Ort ist zu einem Treffpunkt zwischen Deutschen und Israelis geworden; die Aktion Sühnezeichen betreibt dort eine Jugendherberge und veranstaltet Hebräischsprachkurse.


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{DNB-Portal|118658298}}
* {{DNB-Portal|118658298}}
* [[Jewish Encyclopedia]]: {{Webarchiv | url=http://www.jewishencyclopedia.com/articles/2876-ben-judah-eliezer | wayback=20121104021449 | text=''Ben Judah, Eliezer''}} (um 1901, englisch)
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* Jack Fellman: ''Revival of a Classical Tongue: Eliezer Ben Yehuda and the Modern Hebrew Language'' in „Contributions to the Sociology of Language“ No. 6; [[Verlag Walter de Gruyter|Walter De Gruyter]], 1973, ISBN 90-279-2495-3
* Jack Fellman: ''Revival of a Classical Tongue: Eliezer Ben Yehuda and the Modern Hebrew Language'' in „Contributions to the Sociology of Language“ No. 6; [[Verlag Walter de Gruyter|Walter De Gruyter]], 1973, ISBN 90-279-2495-3
* Robert St. John: ''Tongue of the Prophets: The Life Story of Eliezer Ben Yehuda''. Greenwood Press, 1972, ISBN 0-8371-2631-2 (deutsche Ausgabe: Robert St. John: Die Sprache der Propheten. Lebensgeschichte des Elieser Ben-Jehuda, des Schöpfers der neuhebräischen Sprache. Gerlingen 1985.)
* Robert St. John: ''Tongue of the Prophets: The Life Story of Eliezer Ben Yehuda''. Greenwood Press, 1972, ISBN 0-8371-2631-2 (deutsche Ausgabe: Robert St. John: Die Sprache der Propheten. Lebensgeschichte des Elieser Ben-Jehuda, des Schöpfers der neuhebräischen Sprache. Gerlingen 1985.)
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Aktuelle Version vom 26. Oktober 2024, 23:46 Uhr

Ben-Jehuda bei der Arbeit an seinem Wörterbuch

Eliezer Ben-Jehuda, auch Elieser bzw. Ben-Yehuda [ɛliˈ(ʕ)ɛzɛʁ bɛn j(ɛ)huˈda] (hebräisch אֱלִיעֶזֶר בֶּן־יְהוּדָה, gebürtig Eliezer Jitzchak Perlman; geboren 7. Januar 1858 in Luschki, Russisches Kaiserreich; gestorben 16. Dezember 1922 in Jerusalem, Völkerbundsmandat für Palästina) war Journalist und Autor des ersten modernen hebräischen Wörterbuches, des Thesaurus totius Hebraitatis et veteris et recentioris (Band 1–8 erschienen bei Langenscheidt, Berlin-Schöneberg, 1908–1930; mit Band 18 im Jahr 1959 in Israel abgeschlossen). Er gilt als die wichtigste Kraft beim Ausbau und der Verbreitung des Hebräischen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ben-Jehuda gründete 1920 die aus dem Hebräischen Sprachkomitee hervorgegangene Akademie für die Hebräische Sprache, die bis heute mit Sitz in Jerusalem tätig ist. Auf seine Initiative wurde Hebräisch im Jahr 1922 neben Englisch und Arabisch Amtssprache im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina. Ben-Jehuda gilt in Israel als Vater der modernhebräischen Sprache.

Aufwachsen in Europa

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Kindheit in Russland

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Ben-Jehuda wurde als Eliezer Jitzchak Perlman in Luschki, einer kleinen im Gouvernement Wilna gelegenen Stadt im Russischen Kaiserreich, in eine arme jüdisch-orthodoxe Familie geboren. Sein Vater, Jehuda Leib, starb, als er fünf Jahre alt war. Seine Mutter, Tzipora (Feige), heiratete erneut, die Ehe wurde jedoch nach wenigen Jahren geschieden und Eliezer aus wirtschaftlichen Gründen zu einem Onkel mütterlicherseits, David Wolfson, gegeben. Nach seiner Bar Mitzwa schickte ihn sein Onkel auf eine Jeschiwa des Rabbiners Joseph Blücker in Polazk in der Hoffnung, er werde die Rabbinerlaufbahn einschlagen. Ein Rabbiner, der Eliezer unterrichtete, machte ihn mit den Lehren der Haskala, der jüdischen Aufklärung, vertraut, und Eliezer wandelte sich zum Freidenker. Er schnitt seine Schläfenlocken ab und begann weltliche Literatur zu lesen. Als solche Bücher bei ihm entdeckt wurden, musste er die Jeschiwa verlassen. Nach einer kurzen Zeit der Wanderschaft wurde Eliezer Ben-Jehuda im Alter von vierzehn Jahren von einer jüdischen Familie in Glubokoje bei Wizebsk aufgenommen. Schlomo Jonas, der Familien Vater, war ein wohlhabender Unternehmer und ermutigte Eliezer in seiner Entwicklung. Debora, die älteste Tochter der Familie, gab Ben-Jehuda zwei Jahre Sprachunterricht in Französisch, Deutsch und Russisch, was ihm den Weg auf das Gymnasium in Daugavpils (Dünaburg) ebnete. In dem Jahr, in dem er das Gymnasium abschloss, begann der Russisch-Osmanische Krieg (1877–1878), in dem er viel Enthusiasmus für die Balkanvölker aufbrachte, die um ihre Unabhängigkeit kämpften.

Paris und Hinwendung zum Zionismus

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Ben-Jehuda begann, die Idee der nationalen Befreiung auf das jüdische Volk zu übertragen: ein eigenes Land, eine eigene Sprache. Dafür stehen exemplarisch folgende Zitate:

„Es war, als ob sich die Himmel plötzlich geöffnet hätten, ein helles, weißglühendes Licht flammte vor meinen Augen auf und eine mächtige innere Stimme dröhnte in meinen Ohren: die Wiedergeburt Israels auf dem Boden seiner Ahnen.“

„Je mehr das nationale Konzept in mir wuchs, desto mehr kam mir zu Bewusstsein, was eine gemeinsame Sprache für eine Nation bedeutet…“

Eliezer Ben-Jehuda: jewish-life.de[1]

Auf diesem Weg wurde Ben-Jehuda zum überzeugten Zionisten. 1877 ging er nach Paris, um an der Sorbonne Medizin zu studieren.

Die Sorbonne

Im dortigen intellektuellen Umfeld erwuchs seine Idee, den Gebrauch der hebräischen Sprache nicht mehr auf religiöse Themen zu beschränken, sondern es zur Alltagssprache der jüdischen Nation zu formen. Erstmals unter dem Pseudonym Eliezer Ben-Jehuda veröffentlichte er in der von Peretz Smolenskin herausgegebenen, der Haskala nehstehenden hebräischen Zeitschrift Haschachar (deutsch Die Morgenröte) ein Essay über seine politischen Vorstellungen. Darin rief er zur Einwanderung der Juden nach Palästina auf. Außerdem setzte er sich dafür ein, dort ein nationales geistiges Zentrum des Judentums aufzubauen. Hebräisch erklärte er zur Grundvoraussetzung für die nationale Einheit der Juden.

Im Winter 1878 erkrankte Ben-Jehuda an Tuberkulose und musste sein Studium abbrechen. Das wärmere Klima suchend, reiste er nach Algier. Während eines Aufenthaltes in einer Heilanstalt[2] traf er den Jerusalemer Gelehrten Abraham Moses Luncz, der mit ihm sephardisches Hebräisch sprach. Von ihm erfuhr er, dass die Juden Jerusalems trotz verschiedener Muttersprachen auf Hebräisch miteinander kommunizieren konnten, was ihn in seinem Vorhaben, das Hebräische zur jüdischen Nationalsprache zu erheben, bestärkte.

Zurück in Paris schrieb er politische Artikel und besuchte ein Seminar der Alliance Israélite Universelle, um sich zum Ausbilder für Landwirtschaftsschulen zu qualifizieren. Dort lernte er Joseph Halévy kennen, einen frühen Befürworter der Neuschöpfung hebräischer Wörter für Begriffe und Sachverhalte, die in den überlieferten Schriften des Judentums nicht vorkamen.

Ben-Jehuda war ein Verfechter der jüdischen Besiedlung Palästinas und beschloss, selbst dorthin auszuwandern. Dies teilte er seinem früheren Gastvater, Schlomo Jonas, mit, der ihm daraufhin vorschlug, seine Tochter Debora zu heiraten. Ben-Jehuda traf sie auf dem Weg nach Palästina in Wien, und beide heirateten, bevor sie 1881 auf einem Schiff in Jaffa an Land gingen.

Jerusalem – Palästina

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Jerusalem, Jaffator um 1900

In Jerusalem übernahmen sie den Kleidungsstil und die Bräuche frommer Juden in der Hoffnung, auf diese Weise Einfluss auf die lokale jüdische Bevölkerung zu gewinnen, um die Verbreitung der hebräischen Sprache voranzutreiben. Lediglich in den sephardischen Gemeinden bestand bereits die Tradition, neben Djudeo-Espanyol und Arabisch Hebräisch zu sprechen, wenngleich mit einem sehr begrenzten Wortschatz.

Ben-Jehuda nahm eine Lehrstelle an der Alliance Israélite Universelle an, der ersten Schule, in der einige Fächer auf Hebräisch unterrichtet wurden. Auch begann er, für die wöchentlich erscheinende hebräische Literaturzeitschrift Chawatzelet (deutsch Die Lilie) zu schreiben. In der zweiten Ausgabe von 1882 klagte er, dass die Alliance Israélite Universelle russisch-jüdische Emigranten ermuntere, in die USA auszuwandern, die er als „endgültige Begräbnisstätte des Judaismus“ bezeichnete.

Ben-Jehudas erster Sohn, Ben-Zion (später änderte er seinen Namen in Itamar Ben-Avi), wurde 1882 geboren und war wahrscheinlich das erste Kind seit vielen Generationen, dessen Muttersprache Hebräisch war.[3]

Ausgabe der Zeitung HaTzewi vom 18. Dezember 1899[4]

Ab 1884 gab Ben-Jehuda die hebräische Zeitung HaTzewi (dt. Der Hirsch) heraus, die mehrere Jahrzehnte Bestand hatte und erst zu Beginn des Ersten Weltkrieges wegen der Befürwortung eines jüdischen Staates in Palästina von den osmanischen Behörden verboten wurde. In vielen seiner Artikel verwendete er von ihm ausgedachte Neuschöpfungen jebräischer Wörter, die so in Umlauf gebracht und von anderen Publikationen aufgegriffen wurden. Viele europäische Einwanderer, die sich außerhalb Jerusalems ansiedelten, wurden von Ben-Jehuda inspiriert, Hebräisch zu sprechen.

Zum Konflikt mit den orthodoxen Kreisen Jerusalems kam es anlässlich eines Sabbatjahrs, in dem es nach biblischer Sitte verboten war, die Felder zu bestellen oder etwas von Juden zu kaufen, die diese Tradition nicht respektierten. Wegen der Schwierigkeiten, in denen sich der Landbau zu dieser Zeit in Palästina befand, lehnte Ben-Jehuda die Erfüllung des biblischen Sabbatjahrgebotes ab, damit die Lebensmittelversorgung nicht in Gefahr geriet. Daraufhin wurden er und seine Zeitung von religiösen Kreisen geächtet, und Ben-Jehuda begann sich wieder weltlich zu kleiden und vollzog den Bruch mit dem orthodoxen Milieu.

Im Jahr 1890 gründete Ben-Jehuda den Vorläufer der Akademie für die Hebräische Sprache, den Wa’ad HaLaschon, und wurde dessen Vorsitzender. Dort vollendete er sein „vollständiges Wörterbuch“ der hebräischen Sprache, den Thesaurus totius Hebraitatis.

Ben-Jehuda mit seiner zweiten Frau Hemda im Jahre 1912

Im Jahr 1891 starb Ben-Jehudas Frau Deborah an Tuberkulose. Sie hinterließ sieben Kinder. Sechs Monate später besuchte ihn die 14 Jahre jüngere Schwester der Verstorbenen, Paula. Beide heirateten, woraufhin Paula ihren Namen in Hemda änderte. Unterdessen vertiefte sich der Konflikt Ben-Jehudas mit der Jerusalemer Gemeinde, deren religiösen Führern er vorwarf, einen Teil der Spendengelder, von denen die Gemeinden lebten, für ihren persönlichen Gebrauch zu entwenden.

1894 veröffentlichte Ben-Jehuda einen Aufsatz seines Schwiegervaters, der den Satz „Lasst uns unsere Kräfte bündeln und voranschreiten“ enthielt. Die osmanischen Behörden sahen darin einen Aufruf zur Rebellion und nahmen Ben-Jehuda in Haft.[5] Durch Bestechung und internationale Intervention kam er frei, jedoch durfte er ein Jahr lang nicht publizieren.

Ben-Jehuda unterstützte Theodor Herzl, der auf dem Zionistenkongress 1903 in Basel für das britische Uganda-Programm warb, und erntete dafür heftigen Widerspruch bei den jüdischen Immigranten in Palästina. Zugleich wandte sich Ben-Jehuda wieder der Redaktion seines Wörterbuchs zu. Für seine Forschungen reiste er zu den Nationalbibliotheken und Museen mehrerer europäischer Hauptstädte. Von 1908 an wurden die ersten Bände des Wörterbuchs von der Langenscheidtschen Verlagsbuchhandlung in Berlin herausgegeben.

Den Ersten Weltkrieg verbrachten Ben-Jehuda und seine Familie in den Vereinigten Staaten (1915 bis 1919). Nach der Rückkehr nach Jerusalem gelang es ihm am 29. November 1922, Herbert Samuel, den Hochkommissar des britischen Völkerbundsmandats für Palästina zu überzeugen, Hebräisch zur Amtssprache Palästinas neben Arabisch und Englisch zu erheben.[6]

Eliezer Ben-Jehuda starb am 16. Dezember 1922 in Jerusalem und wurde auf dem jüdischen Friedhof am Ölberg bestattet. Er ging als Vater des modernen Hebräisch in die Geschichte des Staates Israel ein. Eliezer Ben-Jehuda hat maßgeblich dazu beigetragen, das Hebräische, das seit etwa 200 n. Chr. nahezu ausschließlich als Sakralsprache verwendet worden war, als Alltags- und Muttersprache der Juden in Palästina bzw. Israel wiederzubeleben.

Nach seinem Tod führten seine Witwe und sein Sohn Ehud die Bearbeitung seines Manuskripts fort. Die Veröffentlichung aller 18 Bände seines Wörterbuches kam im Jahr 1959 zum Abschluss. Heute tragen Straßen in israelischen Ortschaften und Städten Ben-Jehudas Namen.

Ben-Jehuda-Haus in Jerusalem

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Das Haus, das Ben Yehuda im südlichen Vorort Talpiot bauen ließ und in dem später seine Witwe lebte, wird heute von der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste als Länderzentrale und internationale Begegnungsstätte (Beit Ben Yehuda) genutzt. Der Ort ist zu einem Treffpunkt zwischen Deutschen und Israelis geworden; die Aktion Sühnezeichen betreibt dort eine Jugendherberge und veranstaltet Hebräischsprachkurse.

Commons: Eliezer Ben-Jehuda – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. http://jafi.jewish-life.de/zionismus/people/Eliezer_Ben_Jehuda.html Eliezer Ben Jehuda (1858–1922)
  2. Entweder noch in Paris oder bereits in Algier (die Angaben in der Literatur sind hierzu widersprüchlich).
  3. Momentous Century; Teil 8: Ittamar Ben Avi, the “Guinea Pig Infant” of Modern Spoken Hebrew, Tells How He Uttered His First Word in Hebrew (1885) S. 51; ISBN 0-8453-4748-9
  4. jnul.huji.ac.il (Memento vom 6. Juli 2015 im Internet Archive)
  5. Über den eigentlichen Grund der Gefangennahme besteht in der Literatur keine Einigkeit. Manche meinen, sie sei auf Mitglieder der ultraorthodoxen Gemeinde zurückzuführen, die den osmanischen Behörden gezielt eine Falschübersetzung des Satzes vorlegten: „Sammeln wir eine Armee und marschieren wir ostwärts.“
  6. Eliezer Ben-Yehuda and the Revival of Hebrew (1858–1922). Archiviert vom Original am 5. Oktober 2009; abgerufen am 9. Januar 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.pravapis.org