„Bustrophedon“ – Versionsunterschied
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'''Bustrophedon''' (auch '''Boustrophedon''') (von {{grcS|βοῦς|bous}} „Ochse“ und {{lang|grc|στρέφειν|strephein}} „wenden, drehen“) bezeichnet die Schreibweise mit zeilenweise abwechselnder [[Schreibrichtung]], meist auf eine horizontale Schreibrichtung bezogen.<ref>[[Christa Dürscheid]]: ''Einführung in die Schriftlinguistik.'' 3., überarbeitete und ergänzte Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-26516-6, S. 118.</ref> Mit dem Wort wird diese Schreibweise verglichen mit dem Wenden eines Ochsengespanns beim Pflügen am Ende der Furche.<ref>Ältestes Beispiel: [[Pausanias]], Beschreibung Griechenlands 5.17.6: Diese Bezeichnung sei bei den Griechen üblich zur Charakterisierung derartiger alter Texte.</ref> |
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'''Bustrophedon''' (auch '''Boustrophedon''') bezeichnet die Schreibweise mit zeilenweise abwechselnder [[Schreibrichtung]] von links nach rechts und von rechts nach links. |
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⚫ | Das Substantiv ''Bustrophedon'' bezeichnet das Schriftmerkmal, manchmal auch einen so geschriebenen Text („das ist ein Bustrophedon“). Daneben gibt es das Adjektiv ''bustrophedon'' („ein bustrophedoner Text“), das meistens adverbial verwendet wird („ein bustrophedon geschriebener Text“) oder mit gleicher Bedeutung ''bustrophedisch.'' |
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[[Griechische Sprache|Griechisch]] βουστροφηδόν ''boustrophēdon'' bedeutet wörtlich „ochsenwendig“ (βούς ''bous'' „Ochse“, στρέφειν ''strephein'' „wenden“; vgl. ''[[Strophe]]''). Gemeint ist: „hin und her wie ein Ochse beim Pflügen“. Im Deutschen wird gelegentlich der Ausdruck „furchenwendig“ verwendet.<ref>Christa Dürscheid: ''Einführung in die Schriftlinguistik.'' 3., überarbeitete und ergänzte Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-26516-6, S. 118.</ref> |
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== Beispiele bustrophedoner Schriften == |
== Beispiele bustrophedoner Schriften == |
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[[Luwische Sprache|Hieroglyphen-luwische]] Inschriften aus der Zeit des [[Hethiter|hethitischen]] Großreichs im 2. Jahrtausend v. Chr. und der [[Neo-hethitische Staaten|neo-hethitischen Staaten]] am Anfang des 1. Jahrtausends v. Chr. sind häufig bustrophedon geschrieben. |
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Neben alten griechischen [[Inschrift]]en aus dem [[6. |
Neben alten griechischen [[Inschrift]]en aus dem [[6. Jahrhundert v. Chr.]] (davor war die übliche Schreibrichtung von rechts nach links, nach [[500 v. Chr.]] durchgehend von links nach rechts) gibt es vereinzelt auch frühe [[Etruskische Sprache|etruskische]], [[latein]]ische<ref>Hans Joachim Störig: ''Abenteuer Sprache. Ein Streifzug durch die Sprachen der Erde.'' 2., überarbeitete Auflage. Langenscheidt, Berlin/München 1997, ISBN 3-581-66936-6, S. 117.</ref> und [[Runen|runische]] Inschriften,<ref>Wolfgang Krause: ''Runen.'' de Gruyter, Berlin 1970, S. 12.</ref> die ''bustrophedon'' geschrieben sind. |
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Nicht nur die Schreibrichtung war im frühen [[Epigraphik|epigraphischen]] Gebrauch flexibel, auch die Ausrichtung der einzelnen Buchstaben war noch nicht allgemeingültig festgelegt. Die „Bäuche“ der [[Buchstabe]]n zeigten oft in Schreibrichtung, |
Nicht nur die Schreibrichtung war im frühen [[Epigraphik|epigraphischen]] Gebrauch flexibel, auch die Ausrichtung der einzelnen Buchstaben war noch nicht allgemeingültig festgelegt. Die „Bäuche“ der [[Buchstabe]]n zeigten oft in Schreibrichtung, sodass eine Zeile von rechts nach links in [[Spiegelschrift]] erscheint. |
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Die in Griechisch verfasste „Große Inschrift“ ([[Stadtrecht von Gortys]]) – eines der ältesten europäischen Gesetze – ist bustrophedisch in die Wand des Odeion in der antiken Stadt [[Gortyn|Gortys]] auf Kreta gemeißelt. |
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⚫ | Die Bilderschrift [[Rongorongo]] der frühen [[Osterinsel]]-Bewohner ist auf geschnitzten [[Toromiro]]-Holztafeln erhalten (25 Beispiele sind erhalten). Sie wird als Bustrophedon gelesen, wobei nach jeder gelesenen Zeile das Lesebrett umgedreht wird.<ref>Harald Haarmann: ''Universalgeschichte der Schrift.'' Campus Verlag, Frankfurt / New York 1990, ISBN 3-593-34346-0, S. 189.</ref> Lesebeginn ist links unten; nach dem Umdrehen wird die zweite Zeile von oben ebenfalls von links nach rechts gelesen, danach das Brett wieder umgedreht. Die [[Glyphen]] stehen also im Vergleich zur vorhergehenden Zeile auf dem Kopf. |
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⚫ | Das Schreiben in Schlangenlinien hat zur Folge, dass beim Lesen der Zeilensprung entfällt.<ref>Vgl. [[Herbert E. Brekle]]: ''Die Antiqualinie von ca. −1500 bis ca. +1500: Untersuchungen zur Morphogenese des westlichen Alphabets auf kognitivistischer Basis.'' Kap. 3.2: ''Linearität, Schreibrichtung, Zeiligkeit.'' Nodus Publikationen, Münster 1994, ISBN 978-3-89323-259-8, S. 31–46.</ref> Im 19. Jahrhundert hat [[William Moon]] seine [[Blindenschrift]] deshalb als bustrophedone Schrift entwickelt (siehe [[Moonalphabet]]). |
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* [http://www.panoramio.com/photo/50857809 Beispiel für ein lateinisches Bustrophedon auf einem Garagentor] |
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Aktuelle Version vom 16. April 2024, 01:31 Uhr
Bustrophedon (auch Boustrophedon) (von altgriechisch βοῦς bous „Ochse“ und στρέφειν strephein „wenden, drehen“) bezeichnet die Schreibweise mit zeilenweise abwechselnder Schreibrichtung, meist auf eine horizontale Schreibrichtung bezogen.[1] Mit dem Wort wird diese Schreibweise verglichen mit dem Wenden eines Ochsengespanns beim Pflügen am Ende der Furche.[2] Das Substantiv Bustrophedon bezeichnet das Schriftmerkmal, manchmal auch einen so geschriebenen Text („das ist ein Bustrophedon“). Daneben gibt es das Adjektiv bustrophedon („ein bustrophedoner Text“), das meistens adverbial verwendet wird („ein bustrophedon geschriebener Text“) oder mit gleicher Bedeutung bustrophedisch.
Beispiele bustrophedoner Schriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hieroglyphen-luwische Inschriften aus der Zeit des hethitischen Großreichs im 2. Jahrtausend v. Chr. und der neo-hethitischen Staaten am Anfang des 1. Jahrtausends v. Chr. sind häufig bustrophedon geschrieben. Neben alten griechischen Inschriften aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. (davor war die übliche Schreibrichtung von rechts nach links, nach 500 v. Chr. durchgehend von links nach rechts) gibt es vereinzelt auch frühe etruskische, lateinische[3] und runische Inschriften,[4] die bustrophedon geschrieben sind.
Nicht nur die Schreibrichtung war im frühen epigraphischen Gebrauch flexibel, auch die Ausrichtung der einzelnen Buchstaben war noch nicht allgemeingültig festgelegt. Die „Bäuche“ der Buchstaben zeigten oft in Schreibrichtung, sodass eine Zeile von rechts nach links in Spiegelschrift erscheint.
Die in Griechisch verfasste „Große Inschrift“ (Stadtrecht von Gortys) – eines der ältesten europäischen Gesetze – ist bustrophedisch in die Wand des Odeion in der antiken Stadt Gortys auf Kreta gemeißelt.
Im archäologischen Museum von Korfu befindet sich eine Grabstele mit vertikaler Bustrophedon-Inschrift, die sogenannte Arniadas-Grabstele.
Ein bekanntes Beispiel ist das SATOR-AREPO-Quadrat, auch ROTAS-OPERA-Quadrat genannt. Es ist in die Wand der Palästra von Pompeji geritzt und wurde 1936 ausgegraben. Der Text aus dem 1. Jahrhundert, furchenwendig gelesen, lautet „SATOR-OPERA-TENET-AREPO-ROTAS“.
Die Bilderschrift Rongorongo der frühen Osterinsel-Bewohner ist auf geschnitzten Toromiro-Holztafeln erhalten (25 Beispiele sind erhalten). Sie wird als Bustrophedon gelesen, wobei nach jeder gelesenen Zeile das Lesebrett umgedreht wird.[5] Lesebeginn ist links unten; nach dem Umdrehen wird die zweite Zeile von oben ebenfalls von links nach rechts gelesen, danach das Brett wieder umgedreht. Die Glyphen stehen also im Vergleich zur vorhergehenden Zeile auf dem Kopf.
Das Schreiben in Schlangenlinien hat zur Folge, dass beim Lesen der Zeilensprung entfällt.[6] Im 19. Jahrhundert hat William Moon seine Blindenschrift deshalb als bustrophedone Schrift entwickelt (siehe Moonalphabet).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Christa Dürscheid: Einführung in die Schriftlinguistik. 3., überarbeitete und ergänzte Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-26516-6, S. 118.
- ↑ Ältestes Beispiel: Pausanias, Beschreibung Griechenlands 5.17.6: Diese Bezeichnung sei bei den Griechen üblich zur Charakterisierung derartiger alter Texte.
- ↑ Hans Joachim Störig: Abenteuer Sprache. Ein Streifzug durch die Sprachen der Erde. 2., überarbeitete Auflage. Langenscheidt, Berlin/München 1997, ISBN 3-581-66936-6, S. 117.
- ↑ Wolfgang Krause: Runen. de Gruyter, Berlin 1970, S. 12.
- ↑ Harald Haarmann: Universalgeschichte der Schrift. Campus Verlag, Frankfurt / New York 1990, ISBN 3-593-34346-0, S. 189.
- ↑ Vgl. Herbert E. Brekle: Die Antiqualinie von ca. −1500 bis ca. +1500: Untersuchungen zur Morphogenese des westlichen Alphabets auf kognitivistischer Basis. Kap. 3.2: Linearität, Schreibrichtung, Zeiligkeit. Nodus Publikationen, Münster 1994, ISBN 978-3-89323-259-8, S. 31–46.