ADB:Leopold II. (Kaiser): Unterschied zwischen den Versionen
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{{Seite|335}} Ziele seines Wirkens nicht leicht irre gehen kann. Wol darf man im allgemeinen annehmen, daß der weitere Verlauf der französischen Revolution den gelehrigen Schüler Locke’s über die letzten Consequenzen seines eigenen Systems hier und da bedenklich stimmen mochte; aber gerade seine constitutionellen Ueberzeugungen mußten ihn ebenso sehr vor reactionären Gesinnungen, als vor den josephinischen Experimenten auf dem Gebiete des Einheitsstaates bewahren. Die Anschauungen, welche er in dem am 17. Februar 1791 den Statthaltern der Niederlande und später den Generalstaaten selbst übersendeten Memoire entwickelte, entsprachen vollkommen dem oben mitgetheilten „Glaubensbekenntnisse“; ausdrücklich erklärt L., daß er die josephinischen Angriffe auf die Verfassung des Landes mißbilligt habe, ausdrücklich erkennt er an, daß nach der <tt>joyeuse entrée</tt> der Souverän seiner Hoheitsrechte verlustig gehe, wenn er den geschworenen Vertrag nicht halte. Und auch in den alten Erblanden zeigte er sich in einzelnen Punkten nachgiebig gegenüber den Gegnern der josephinischen Reformen. Ueberall aber hält er an dem Principe der Staatshoheit fest, nirgends geht er über die theresianische Epoche zurück. Zwischen dieser und den Reformen seines Bruders sucht er zu vermitteln und seine Regierung ist eben darum, trotz ihrer kurzen Dauer für Oesterreich so wichtig; die Zustände, die sich am Ende seiner Regierung ausgebildet hatten, sind in mehr als einer Beziehung die Grundlage für jenes Regierungssystem geworden, welches von 1792–1848 in Oesterreich bestanden hat. Obgleich selbst Theoretiker, ermaß er doch theils aus innerer Ueberzeugung, theils aus den trüben Erfahrungen seines Bruders die Nachtheile einer auf bloßer Theorie aufgebauten Gesetzgebung und es ist daher nicht richtig, wenn man ihn als den Fürsten hingestellt hat, unter welchem die Axt an die Wurzel des Ständelebens in Oesterreich gelegt worden sei, das er vielmehr, wie aus den mannigfachen Verhandlungen mit den Landtagen hervorgeht, namentlich durch die Begünstigung des dritten Standes zu regeneriren, zeitgemäß umzugestalten und zu einer den gegebenen Verhältnissen entsprechenden Theilnahme an dem Gesetzgebungswerke befähigen wollte. – Leopolds äußere Politik haben wir bereits oben in ihren Grundzügen kennen gelernt. Auch in ihr kam sein durchaus maßvolles, jeder kriegerischen Verwickelung abgeneigtes und auf die Erhaltung des Weltfriedens und des europäischen Gleichgewichtes gerichtetes Wesen zu vollem Ausdrucke. Sie war conservativ im besten Sinne des Wortes, und wenn man sie gelegentlich als „gewunden“, „proteusartig“ bezeichnet hat, so dürfte die Erklärung dieser wechselnden Strömungen nicht in der angeblich macchiavellistischen Routine Leopolds, sondern vielmehr in dem Gegensatze und in dem Verhältnisse des Kaisers zu seinen Ministern, namentlich dem Staatskanzler Kaunitz, zu suchen sein, mit welchem er in der Auffassung der französischen Angelegenheiten vollkommen übereinstimmte, ohne dagegen dessen Warnungen vor Preußens Politik Gehör zu schenken. Und so ist denn als die wichtigste und zugleich ganz aus Leopolds Initiative hervorgegangene That seiner Regierung nach außen der Allianzvertrag mit Preußen zu bezeichnen, den sein jugendlicher Nachfolger als folgenschwere Erbschaft übernahm.
: Ueber Leopolds Jugendzeit: A. R. v. Arneth, Briefe der Kaiserin Maria Theresia an ihre Kinder und Freunde, I. u. IV. und desselben Geschichte Maria Theresia’s (namentlich 7. Bd.). Ueber Leopolds Regierung in Toscana: <tt>A. Zobi, Storia civile di Toscana, T.</tt> II. – [[ADB:Reumont, Alfred von|A. v. Reumont]], Gesch. Toscanas. Zweiter Theil, S. 79 ff. – <tt>A. v. Reumont, Giuseppe</tt> II., <tt>Pietro Leopoldo e la Toscana (Archivio storico italiano. Seria</tt> III. <tt>tom.</tt> XXIV). <tt>G. Capponi, Storia di Pietro Leopoldo (Scritti editi e inediti di Gino Capponi per cura di M. Tabarrini,</tt> II, <tt>Firenze</tt> 1877). – Ferd. Hirsch, Leopold II. als Großherzog von Toscana ([[ADB:Sybel, Heinrich von|Sybel’s]] Hist. Ztschr., XL.). – K. Hillebrand, Ein fürstlicher Reformator in: Zeiten, Völker u. Menschen IV, 1878. – Briefe von u. {{Seite|336}} an Leopold in: v. Arneth, Maria Theresia und Joseph II., 3 Bde. – Derselbe, Joseph II. und Leopold von Toscana, 2 Bde. – Derselbe, Maria Antoinette, Joseph II. und Leopold II. – Adam Wolf, Leopold II. und Marie Christine. – A. Beer, Joseph II., Leopold II. und Kaunitz, Wien 1873. – Derselbe, Leopold II., Franz II. und Katharina, nebst einer Einleitung: Z. Gesch. d. Politik Leopolds II., Leipz. 1874, mit einem Anhange: Aus der Correspondenz Leopolds II. mit Christine. – Actenstücke aus seiner Regierungszeit in Oesterreich in Vivenot, Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiserpolitik Oesterreichs. – Ueber
{{ADBAutor|v. Zeißberg.}}
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