ADB:Riehl, Wilhelm Heinrich: Unterschied zwischen den Versionen
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|TITEL=Riehl, Wilhelm Heinrich
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|NÄCHSTER=Riesenthal, Julius Adolf Oskar
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|AUTORENKÜRZEL1=H. Simonsfeld.
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'''Riehl:''' ''Wilhelm Heinrich'' R., geboren am 6. Mai 1823 zu Bieberich am Rhein, † am 16. November 1897 zu München, Culturhistoriker, Sociologe und Novellist.
Wenn von irgend jemand behauptet werden darf, daß Jugendeindrücke bestimmend auf sein Leben eingewirkt haben, so ist dies bei Wilhelm Heinrich Riehl der Fall. Wie er selbst klar erkannt und in seinen „religiösen Studien eines
Der erstere, Johann Philipp Giesen, ein Pfälzer aus Marnheim am Donnersberg, war zuerst Schulmeister und dann herzoglich nassauischer Haushofmeister in Bieberich, wo er bei der Geburt des
Der Einfluß des
Dazu kam nun von Vaters Seite die Vorliebe für Musik, der auf das Weite und große Zusammenhänge gerichtete Blick, der feste Unabhängigkeitssinn, der gesunde Humor und die Hinneigung zur Culturgeschichte, die als weitere Charaktereigenschaften Riehl’s zu bezeichnen sind.
Riehl’s Vater, 1789 geboren, war ein Kind der französischen Revolution, ein
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Infolge dieser Katastrophe schien, wie früher beim Vater, so auch bei dem jungen Sohne alles bisher Erlernte und Errungene in Frage gestellt. Der junge R. hatte zuerst von Bieberich aus die Lateinschule, das Pädagogium in dem fünf Viertelstunden entfernten Wiesbaden, dann in Weilburg das Landesgymnasium besucht,
*) Ich bediene mich hier und jim folgenden der eigenen Worte Riehl’s, Iohnekim emzelnen anzuführen, wo sie stehen. P▼
{{Seite|364}} und in R. die Neigung zu einer Vielseitigkeit weckte, die
▲{{Seite|363}} segneten Eltern ein Handwerk erlernen und wurde Tapezierer. y Als solcher arbeitete er von 1808–1812 in Paris und hatte hier bei der Umgestaltung und Ausstattung der Schlösser Napoleon’s Gelegenheit, das Leben und Treiben in der damaligen Hauptstadt Europas und am Hofe Napoleon’s , wie dessen Persönlichkeit näher kennen zu- lernen und reiche Erfahrungen zu sammeln. Fast wäre er„ freilich auch hier4 wieder in eine andere Laufbahn gedrängt worden. Er war von früh auf eines begeisterter und damals auch geschickter Spieler auf dem Violoncell. Durch einen Zufall wurde der berühmte Geigenkün stler Peter Rode auf das Talent des jungen Tapezierergesellen aufmerksam und suchte ihn ganz für die Musik zu gewinnen. Auch daran hinderte ihn aber seine Mittellosigkeit. Nach seiner Rückkehr in die Heimath wurde er von dem neuen Herzog von Nassau (aues der Weilburgischen Linie), dessen Jugendgespiele er gewesen, in dessen neuer Residenz Bieberich als Sch.loßverwalter angestellt und konnte nun bei der neuen Einrichtung des Schlosses wie bei anderen ähnlichen Gelegenheiten seine in der„Praxis gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen praktisch verwerthen. Auf seine Dienstreisen in die Nachbarstädte nahm er auch seinen jüngeren Sohn, unsern R., mit, der dadurch mit der Welt bekannt wurde und zugleich einen erstensEinblick in die Weltgeschichte erhielt, vornehmlich durch die mancherlei werthvollen Kunstsachen, die aus den alten Schlössern und anderswoher nach der neuen Residenz Biel-erich zusammengeschleppt wurden. Andererseits; lernte er durch den Besuch auswärtiger Fürstlichkeiten und gekrönter Häupter am Hofe, wie eines Kaisers Nikolaus, des Königs Ludwig I. von Baiern, der Großfürstin Helene ein Stück Zeitgeschichte kennen. Ferner kam der Trieb des Vaters, seine Kenntnisse zu erweitern, auch dem jungen R. zu gute. Die Bibliothek, die der Vater sich allmählich angeschafft, bot Gelegenheit zur Lectüre, eine kleine Gemäldesammlung zu künstlerischer Anregung. Daneben wurde besonders die Liebe zur Musik durch das vom Vater ins Leben gerufene Haus’quartett geweckt. Durch seine Kenntnisse, seine Gewandtheit und Geselligkeit war der frühere Tapezierergeselle und nunmehrige SchloßVerwalter nach dem Urtheile einer nassauischen Prinzessin mehr und mehr nicht blos der gebildetste Mann am Hofe, sondern auch einer der einflußreichsten geworden, zumal der alte Hofmarschall ihm auchdie haueswirthschaftlichen Aufgaben überließ. Ein Wechsel im Amte brachte dann freilich Conflicte aller Art mit dem neuen Hofmarschall, der alles selbst leiten wollte; aber erst ein schwerer Unfall, den der Vater bei einem tollkühnen Uebergang über den Rhein von Mainz nach Bieberich bei schwerem Eisgang erlitt, mit darauffolgender Erkrankung, brach ihm den Hals. Der Herzog, der seinem Jugendgespielen noch immer in Gnaden gewogen war, schickte den schwerkranken Mann nach Weilburg als Verwalter des verwaisten Stammschlosses, und wenn er diese Pille auch auf jede Weise zu Versüßen suchte, der Vater war doch in seinem innersten Lebensnerv getroffen. Infolge des quälenden, unerträglichen Nervenleidents griff er zuletzt zur Scheere und öffnete sich die Pulsadern.
▲Infolge dieser Katastrophe schien, wie früher beim Vater, so auch bei dem jungen Sohne alles bisher Erlernte und Errungene in Frage gestellt. Der junge R. hatte zuerst von Bieberich aus die Lateinschule, das Pädagogium in dem fünf Viertelstunden entfernten Wiesbaden, dann in Weilburg das Landesgymnasium besucht, kas einzige im Herzogthum Nassau- dessen Einfluß auf die Entwicklung Riehl’s gleichfalls nicht zu unterschätzen ist. Es stand unter der Leitung des Oberschulraths und Director Friedrich Traugott Friedemann, eines Humanisten von der Art der holländischen Philologen des 17. und 18. Jahrhunderts J, der den Schülern durch seinen Universalismus imponirte
▲{{Seite|364}} und in R. die Neigung zu einer Vielseitigkeit weckte, die „vosm Kleinen und Einzelnen ausgehend immer weitere Kreise zieht, um zuletzt doch immer wieder zu einem idealen Centrum zurückzukehren“. Dabei wurde auch in der Schule, ähnlich wie im Hause, fleißig Musik getrieben, Vocal- und Instrumenta lmusik gepflegt. Noch in später Zeit gehörte der Rückblick auf den Chor und das Orchester des Weilburger Gymnasiums für R. zu den sonnigsten Erinnerungen seiner Gymnasialjahre, wie er andererseits selbst bekannt hat, daß er ohne den Vater und ohne das Biebericher Jugendleben weder ein Novellist noch ein -Culturhistoriker geworden wäre. Die Vom Großvater ererbte Wanderluft aber bethätigte R. damals theils in einsamen Fußwanderungen durch das Weilthal von der Mündung des Flusses in die Lahn bis zu den Quellen am Taunus, theils inHFerienwanderungen mit Kameraden durch den Taunus und Westerwald, am Rhein und Main; und die Freude an der Natur äußerte sich darin, daß er am liebsten in kühler Schlucht liegend oder auf einem Felsen sitzend die Meisterwerke derHdeutschen Litteratur, Schiller, Goethe, Klopstock, Herder, Jean Paul und daneben Walter Scott studirte, den er in jungen Jahren persönlich hatte flüchtig kennen lernen.
Der Vater war dem Zuge der Zeit entsprechend entschiedener Freimaurer und tolerant gewesen und mehr Kosmopolit als Deutscher. Seinen Sohn, der damals schon eine stille Neigung zum geistlichen Berufe in sich verspürte und wohl auch merken ließ, wollte er weder Pfarrer noch Staatsbeamter aus Eifersucht gegen das wachsende Ansehen der letzteren werden lassen: er sollte nach seinem Wunsche Arzt werden. Als er die zunehmende Zerrüttung seiner Vermögensverhältnisse erkannte, meinte er wohl, daß sein Sohn, wie er selbst, ein Handwerker, etwa ein Schuster werden müsse. Bei der Katastrophe, die durch den Selbstmord des Vaters über die Familie hereinbrach, schien dieses Wort zur Wahrheit werden zu sollen, und die Welt hätte einen hochbedeutsamen Gelehrten und Schriftsteller weniger erhalten. Aber die energische Mutter ermöglichte im Verein mit treuen Freunden, daß der Sohn noch die zwei letzten Classen des Weilburger Gymnasiums absolviren und dann die Universität beziehen konnte.
Im Hinblick auf das traurige Geschick des Vaters hatte der junge R. opfermuthig und
Für die Wissenschaft begeistert, voll höchster Lernbegier kam R. im Sommer 1841 auf die Universität Marburg.
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Im Winter 1842/43 bezog er die Universität Tübingen, wo er bei [[ADB:Baur, Ferdinand Christian|Baur]] und [[ADB:Landerer, Maximilian Albert|Landerer]] Dogmengeschichte und Dogmatik, bei Zeller und [[ADB:Vischer, Friedrich Theodor|Vischer]] wieder philosophische und kunstphilosophische Vorlesungen hörte, welche letztere mit ihren „farbenvollen Erläuterungen aus Kunst und Leben“ auf seine künstlerischen Anschauungen von Einfluß wurden. Aehnlich fühlte er sich in Gießen, wohin er im Sommer 1843 ging, durch gemeinsame künstlerische Begeisterung zu
R. war, wie er selbst sagt, ein armer und doch zugleich ein sehr stolzer Student. Wenn sein Wechsel sich nur auf 300 Gulden jährlich belief, so war um so größer sein
Im Herbst
{{Seite|366}} begeisternde Vorträge über vergleichende Völkergeschichte, welche ihm die Augen öffneten, wie er die auf seinen Wanderungen gemachten Wahrnehmungen für die Geschichte zu verwerthen habe. [[ADB:Dahlmann, Friedrich|Dahlmann’s]] Vorlesungen über Politik kehrten ihn die Bedeutung des Staates für das Gesammtwohl erkennen und leiteten ihn zur socialen Politik hinüber. Vollends hatte er hier in Bonn Gelegenheit, seine Kunststudien, denen er schon in Tübingen mit Eifer obgelegen hatte, an der Hand der Baudenkmäler in Bonn und in Köln fortzusetzen und zu ergänzen. Nachhaltigen Eindruck machten in dieser Beziehung auf ihn [[ADB:Schnaase, Karl|Schnaase’s]] niederländische Briefe, worin sich ihm die Kunstgeschichte mit der Culturgeschichte so innig verbunden zeigte, daß er daraus den Werth des Kunststudiums für das Volksstudium wohl erkannte. Alles dies im Verein mit den musikalischen Kunstgenüssen, die in Bonn im Theater und Concertsaale sich ihm darboten und auf die er als Landpfarrer hätte
{{Seite|367}} und ebenso bei F. Dunst in Frankfurt als <tt>Op.</tt>
Infolge von Differenzen mit dem Hauptdirector gab er seine Stellung in Frankfurt auf und siedelte 1847 nach Karlsruhe über, wo er Mitredacteur der „Karlsruher Zeitung“ wurde und dann mit dem Abgeordneten Christ den
Der Ausbruch der Revolution 1848 brachte eine neue Veränderung in seinem unsteten Leben. Die Häupter der gemäßigten Partei in Wiesbaden riefen ihn in die Heimath zurück, und er gründete hier die „Nassauische allgemeine Chronik“, in welcher er trotz vielfacher Anfeindung und Gegnerschaft einen entschieden conservativen Standpunkt vertrat. Die Jahre 1848 und 1849 hat er selbst später als seine wichtigste Lehrzeit, als seine „Feuerprobe in der journalistischen Laufbahn“ bezeichnet. Der sociale Gegensatz einer „stürmisch erregten und einer zäh beharrenden Volksschicht“ drängte sich ihm hier auch örtlich in den Städten und Stadtdörfern des Rhein- und Mainthales und in den Bauerndörfern des Taunus und des Westerwaldes auf. Drei Jahre lang hielt er auf diesem Posten aus und zugleich wurde er – bezeichnend für seine Vielseitigkeit – in die Commission von Vertrauensmännern berufen, welchen die Direction des Wiesbadener Hoftheaters übertragen wurde. Drei Jahre lang hat er auch dieses
{{Seite|368}} nicht geringerem Gewinn als seine Thätigkeit als politischer
Der Freiherr Georg v. Cotta ist es dann auch gewesen, der, von lebhaftem Interesse für Riehl’s Arbeiten erfüllt und dessen vorzügliche Arbeitskraft wohl erkennend, ihn ganz für sich, d. h. für das damals weitaus bedeutendste deutsche Blatt, für seine
Gerade diese Publicationen waren es nun aber, welche die vollste Aufmerksamkeit
{{Seite|369}} Herr v. Witzleben, ihn aufforderte, die
Von da ab verlief das Leben Riehl’s in ruhigeren Bahnen als zuvor und in fortwährend aufsteigender Linie. Eine Aenderung erfuhr seine dienstliche Stellung in München insofern, als vom 1. Januar 1856 ab ihm die ganze
1870 hatte er die Redaction des von [[ADB:Raumer, Friedrich von|Friedrich v. Raumer]] begründeten „Historischen
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Schon 1861 als ordentliches Mitglied in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen, war er von seinem König außer mit dem Kronen- auch mit dem Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet und 1890 zum Geheimen Rath ernannt worden. Zwei Mal (1873 und 1883) hat ihm das Vertrauen seiner Collegen die Würde des Rectors der Ludwig-Maximilians-
Welche Stelle nun R. in der Geschichte der Geschichtswissenschaft und
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Was aber hierbei noch besonders hervorgehoben werden muß, ist dies, daß R. neben aller Richtung auf das Universelle (wie sie namentlich in seinen „Freien
{{Seite|372}} materiellen Cultur
Den Zusammenhang von Land und Volk als „das Fundament aller socialen und politischen Entwicklung, als Ausgangspunkt aller socialen Forschungen“ nachzuweisen, war übrigens, wie R. selbst versichert, von Anbeginn das Ziel seiner schriftstellerischen Thätigkeit, und dies ist auch der Grundgedanke, der seinem bekanntesten Werke: „Die Naturgeschichte des deutschen Volkes als Grundlage einer deutschen Socialpolitik“ in 4 Bänden zu Grunde liegt. Das Werk ist freilich keineswegs aus einem Guß und nach einem vorgefaßten genauen Plane entstanden. Zuerst (1851) erschien ja der zweite Band: „Die bürgerliche Gesellschaft“, der, wie schon erwähnt, aus verschiedenen, seit 1847 veröffentlichten Aufsätzen über den „gemeinen Mann“ u. s. w. hervorgegangen ist. Hier sollte das Volk in seinen allgemeinsten Beziehungen durch sich selbst, in seiner von den örtlichen Besonderungen losgelösten Gliederung in seinen Ständen geschildert und das Verhältniß der großen natürlichen Volksgruppen zueinander nachgewiesen werden. In dem Bande: „Land und Leute“ (1853), der bei der Zusammenfassung später an die erste Stelle trat, wollte er eben diese örtlichen Besonderungen des Volkslebens behandeln, den Zusammenhang von Volksart und Landesart, das organische Erwachsen des
{{Seite|373}} ''und'' geschildert habe
{{Seite|374}} Hat R. so auch kein eigenes abgeschlossenes System hinterlassen –
Um diesem Buche der „Bürgerlichen Gesellschaft“ gerecht zu werden, muß man, wie dies R. selbst in späteren Auflagen verlangt hat, sich
{{Seite|375}} Fanatiker: er war insbesondere kein Reactionär, als welchen man ihn damals verschrieen hat. Im
{{Seite|376}} Ebenso ist R. für den Fortbestand des
Was endlich das Bürgerthum betrifft, so ist es nach R. gegenüber dem Bauern und dem Adel der Träger der berechtigten socialen Bewegung, der socialen Reform. Aber er bekennt sich dabei als einen Gegner der Gewerbefreiheit, die für ihn nicht
{{Seite|377}}
Aehnlich hat unser Urtheil über den dritten Band der „Naturgeschichte“, „Die Familie“, zu lauten. Wohl
Wie R. es sehr treffend als einen Stolz der germanischen
{{Seite|378}} Bücher; Gothein nennt es geradezu „ein Meisterstück einer auf Psychologie
Eine andere, noch nicht erwähnte Ergänzung zur „Naturgeschichte
Ein ausgezeichnetes Seitenstück hiezu ist die gleichfalls aus einer Anregung König Maximilian’s hervorgegangene und zunächst (1857) für ihn verfaßte Studie über Augsburg, welche Gothein Riehl’s „Meisterstück“ nennen möchte, hinter der mir aber andere ähnliche Skizzen in dem „Wanderbuche“ etc. kaum zurückzustehen scheinen. Wie vorzüglich er es verstanden hat, den „Genius Augsburgs in Begriff und Wort zu fassen“, habe ich in meiner Festrede dargethan.
Die Studie über
Neben der Volkskunde hat R., wie oben erwähnt, die Kunstgeschichte früh als sein zweites specielles Arbeitsgebiet der Culturgeschichte bezeichnet. Hier ist es einmal besonders die Baugeschichte; für die er als einer der ersten die Beachtung der Culturhistoriker verlangte, indem er verschiedentlich auf die
{{Seite|379}} Bedeutung z. B. der alten Dorfkirchen, der Kirchthürme, des Bruchsteins, des Backsteins für die Volkskunde oder auf das Verhältniß
Nach einer Bemerkung Gothein’s soll R. auch auf keinen Geringeren als [[ADB:Wagner, Richard|Richard Wagner]] durch mehrere anonyme ältere Aufsätze, in denen er sich gegen die Salonmusik und die socialen Vorbedingungen dieser „Entartungserscheinung“ wandte, bestimmend eingewirkt haben.
{{Seite|380}} Kenntnisse, seine allgemein künstlerische Bildung
Hingegen darf es sich R. als ein entschiedenes Verdienst anrechnen, immer und immer wieder auf die Wichtigkeit und Bedeutung des deutschen Volksliedes hingewiesen zu haben, dessen Geschichte neben der litterargeschichtlichen auch ihre sociale Seite habe, in welchem er die „Verjüngungsquelle der Musik, einschließlich der Oper“ erblickte. Auch die „50 Lieder deutscher Dichter in Musik gesetzt“, die er unter dem Titel
In der 8. Auflage von „Land und Leuten“ bemerkt R., daß seine sämmtlichen Bücher, auch die musikalischen und novellistischen, „ein sich gegenseitig stützendes
{{Seite|381}} Gegenwart nahm, sondern sie in die Vergangenheit verlegte, wurde er – im Anschlusse an [[ADB:Gotthelf, Jeremias|Jeremias Gotthelf]] – der Begründer der historischen oder culturgeschichtlichen Novelle. So erschien 1856 der erste Band mit dem Titel „Culturgeschichtliche Novellen“, 1863 die „Geschichten aus alter Zeit“, 1868
Alle seine Novellen bewegen sich – und dies ist bezeichnend – auf deutschem Boden. Man erzählt eben, meinte er einmal, am liebsten von dem, was man am liebsten hat – und das war bei ihm das deutsche Volk. So hat er mit seinen Novellen, die sich über einen Zeitraum von mehr als tausend Jahren deutscher Geschichte erstrecken, wirklich, wie er es wollte, als Novellist einen Gang durch tausend Jahre der deutschen Culturgeschichte vom 9. bis 19. Jahrhundert gemacht. Wenn auch jede seiner Novellen für sich ein kleines Genrebild ist, so hat doch jede ihren zeitgeschichtlichen Hintergrund, in dem er die einzelnen typisch ausgewählten Charaktere und ihre Schicksale in ihrem Zusammenhange mit der historischen Epoche und mit dem
Diese zeigt sich auch namentlich in seinem letzten Werke den „Religiösen Studien eines
{{Seite|382}} zur „Familie“ und zur „deutschen Arbeit“. Er wollte es schreiben „als Weltkind“, d. h. „als Culturhistoriker, der seinen beobachtenden Blick auf das religiöse Leben der Gegenwart wirft und es in
R. hat selbst einmal gemeint, die Novellen seien
Riehl’s hauptsächliche, selbständige Schriften: 1. „Land und Leute“, 1. Aufl. 1853 (10. Aufl. 1899). 2. „Die bürgerliche Gesellschaft“, 1. Aufl. 1851 (9. Aufl. 1897). 3. „Die Familie“, 1. Aufl. 1855 (12. Aufl. 1904). 4. „Wanderbuch“, 1. Aufl. 1869 (4. Aufl. 1903); 1–4 vereinigt unter dem Titel: „Die Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Socialpolitik.“ 5. „Die Pfälzer“, 1. Aufl. 1857 (2. Aufl. 1858). 6. „Die deutsche Arbeit“, 1. Aufl. 1861 (3. Aufl. 1883). 7. „Culturstudien aus drei Jahrhunderten“, 1. Aufl. 1858 (6. Aufl. 1903). 8. „Culturgeschichtliche Charakterköpfe“, 1. Aufl. 1891 (3. Aufl. 1899). 9. „Musikalische Charakterköpfe“, Bd.
{{Seite|383}} 1902). 13. „Geschichten aus alter Zeit“, 2 Bde.; 1. Aufl. 1863–64 (3. Aufl.
: J. Friedrich in den Sitzgsber. d. phil.-philol. u. hist. Cl. d. bair. Akad. d. Wiss. 1898, S. 328 ff. – E. Gothein in den Preußischen Jahrbüchern Bd. 92, April-Heft. – K. Th. Heigel in der Chronik der Ludwig-
{{ADBAutor|H. Simonsfeld.}}
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