Die kluge Bauerntochter

Märchen der Brüder Grimm
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Die kluge Bauerntochter ist ein Märchen (ATU 875). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 94 (KHM 94). Zudem ist es auch im dänischen[1][2], estnischen[3], lettischen[4], tschechischen[5], bulgarischen[6] und russischen[7][8] Sprachraum bekannt.

Illustration von Otto Ubbelohde, 1909

Inhalt

 
Illustration von Otto Ubbelohde, 1909

Ein Bauer findet in einem Acker, den ihm der König schenkte, einen goldenen Mörser. Da er den dazugehörigen Stößel nicht findet, rät ihm seine Tochter davon ab, den Mörser ohne den Stößel dem König zu bringen. Der Bauer tut es trotzdem und wird sogleich gefangen gesetzt, weil der König ihm vorhält, den Stößel unterschlagen zu haben. Erst nachdem die Bauerntochter den König von ihrer Klugheit überzeugt, indem sie eine vermeintlich unlösbare Aufgabe löst, lässt dieser den Bauern wieder frei, heiratet die Bauerntochter und macht sie zur Königin.

Jahre später setzt die frühere Bauerntochter und jetzige Königin ihre Klugheit wieder ein, um einem Pferdebesitzer im Streit mit einem Ochsenbauern zu seinem Recht zu verhelfen, mischt sich dadurch aber in die Rechtsprechung des Königs ein, weswegen dieser sie verstößt. Er gesteht ihr aber noch zu, dasjenige aus dem Königsschloss mit in ihr Bauernhaus zu nehmen, was ihr „das Liebste“ ist. Die Königin versetzt ihren Mann in einen tiefen Schlaf und nimmt ihn, der ihr „das Liebste“ geworden ist, mit sich in ihr Bauernhaus.

Als der König dort wieder erwacht, erkennt er erst, wie groß die Liebe seiner Frau tatsächlich ist; er nimmt sie – zu Tränen gerührt – zurück mit auf das Schloss und lässt sich erneut mit ihr vermählen. „Und sie werden ja wohl noch auf den heutigen Tag leben“.

Estnische Version

Eine estnischen Version beginnt mit einem Streit zwischen einem Gutsherrn und einem Bauern, den der Bauer, dank seiner rätselbegabten Tochter, vor Gericht, für sich entscheiden kann. Dem Hauptrichter gefällt die Tochter sehr und so nimmt er sie zur Frau. Im selben Ort kommt es dann zum Streit zwischen zwei Bauern, die zwei Pferdekoppeln besitzen. Der eine hat einen Wallach und der andere eine Stute und weil die Stute ihr Fohlen auf der Koppel des Wallach-Besitzers bekommen hatte, der gut Freund mit dem Richter ist, spricht dieser dem Besitzer des Wallachs das Fohlen zu. Die Frau des Richters rät dem Stuten-Besitzer daraufhin in die nahegelegene Sandwüste fischen zu gehen, wo der Richter ihn bei Spazierengehen sieht und lacht und der Mann dem Richter entgegnet, dass es genauso unmöglich ist Fische im Sand zu fangen, wie dass ein Wallach ein Fohlen bekommt. Vor Gericht spricht der Richter dann dem Stuten-Besitzer das Fohlen zu und erfährt, dass seine Frau es war, die dem Bauern den Rat gab. Noch einige Male mischt sich die Frau des Richters in die Angelegenheiten ihres Mannes ein, bis der sie schließlich wegschickt, ihr aber sagt, sie könne ihr teuerstes Gut mitnehmen. Nach einem großen Fest, nimmt sie ihren betrunkenen Mann mit und fährt zu einem Heuschober, wo der Nüchterngewordene am nächsten Morgen um Verzeihung bittet.[3]

Herkunft

 
Illustration von Robert Anning Bell, 1912

Grimms Anmerkung notiert zur Herkunft „Zwehrn“ (von Dorothea Viehmann) und vergleicht anhand mehrerer Motive die Sage von Aslaug, Tochter Brünhilds bei Sigurd, bzgl. des Rätsels auch einen Schwank in Paulis Schimpf und Ernst und bei Hans Sachs „1560. Bl. 78“, Gesta Romanorum „Cap. 124“, „Cento novelle antiche (Torino 1802) S. 163“, Wuk „S. 125. 126“, Würdtwein „S. 488“, die Lalenbürger, Ratheriussermo de octavis paschae in Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum 8, 21, Altdeutsche Blätter 1, 149, 152, Ferdinand Wolf „über die altfranzös. Heldengedichte S. 133.“ Grimms nennen noch Colshorn Nr. 26: Die kluge Dirne, Zingerle „S. 160“, Pröhles Märchen für die Jugend Nr. 49: Die kluge Hirtentochter, einen Reisebericht Asbjörnsens 1847 „S. 2“, Wuk Nr. 25, Tendlau „in den jüdischen Sagen S. 54“.

In Ulrich Jahns Schwänke und Schnurren aus Bauernmund bekam das Märchen den Titel Kathrinchen, die kluge Besenbinderstochter.[9]

Ákos Dömötör sah bei 600 Fassungen als Kern die unmöglichen Aufgaben des Königs an ein kluges Mädchen. Der zweite Teil der Erzählung scheint später angefügt und ähnelt der Salomo-Sage und Midrasch-Erzählungen.[10] Vgl. später zum Fischgarn Die Räuberhöhle im Walde in Johann Wilhelm Wolfs Deutsche Hausmärchen, „nicht angezogen und nicht nackt“ auch in Ulrich Jahns Volksmärchen aus Pommern und Rügen, Nr. 11 Hadelum-pum-pum.

Das Märchen ist auch im nichtdeutschen Sprachraum bekannt. Die dänische Version von Svend Grundtvig wurde mit Die kluge Königin übersetzt.[1] Eine weitere dänische Version wurde 1888 oder früher von Kristen Nielsen in der Egsgård Mark in der Gemeinde Ringive (Ostjütland) aufgezeichnet und erhielt im Deutschen den Titel Die kluge Küsterstochter. Erzählerin war seine Mutter Ane Marie Nielsen.[2] Eine estnische Version wurde 1896 von Hans Veikenberg erzählt und von Jaan Saalverk aufgezeichnet.[3] Eine lettische Version wurde im Kreis Liepāja (Kurzeme) aufgezeichnet und trägt in der deutschen Übersetzung den Titel Die kluge Tochter.[4] In Tschechien erschien das Märchen 1916 an Stelle Nr. 58 in Josef Tvrdýs Werk Jiří Polívka, Povídky lidu opavského a hanáckého. Diese Version stammt aus Nemojany im Distrikt Haná in Mittelmähren und wurde 1913 von Jan Křička erzählt sowie von M. Balcárková aufgezeichnet. Sie erhielt im Deutschen den Titel Vom klugen Mädchen[5]. Eine weitere, von Jiří Horák erzählte, tschechische Version des Artia Verlags wurde im Deutschen mit Die Kluge betitelt.[11] Nikolai Rainows bulgarische Version erhielt den deutschen Titel Das kluge Mädchen.[6] Die russische Version des Märchens stammt von Alexander Nikolajewitsch Afanassjew und wurde im deutschsprachigen Raum unter den Titeln Das kluge Mädchen[7] sowie Die kluge Jungfrau[8] veröffentlicht.

Das Märchen ist auch bei den Roma in Ungarn bekannt, wo es Sándor Csenki am 12. Januar 1942 von der Erzählerin Gyula Mágani aufzeichnete und 1974 in seinem in Budapest erschienenen Werk A cigány meg a sárkány (Nr. 8, S. 39–41) veröffentlichte. Ebenfalls enthalten ist es in Ilona Tausendschön, Kassel 1980, Nr. 19, S. 136–139. Diese Version erhielt im Deutschen den Titel König Mátyás und seine kluge Frau.[12]

Bühnenfassungen

 
Illustration von Otto Ubbelohde, 1909

Hörspiele

Verfilmungen

Literatur

  • Jacob und Wilhelm Grimm: Die schönsten Märchen der Brüder Grimm. Gütersloh 1957.
  • Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 182–184, 483.
  • Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend, Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854.[13]
  • Carl und Theodor Colshorn: Märchen und Sagen, Hannover 1854.
  • Svend Grundtvig: Dänische Volksmärchen – Nach bisher ungedruckten Quellen erzählt, Zweite Sammlung, Joh. Barth, Leipzig 1879, S. 160–178. Übersetzt von Adolf Strodtmann.[1]
  • Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauernmund, Mayer und Müller, Berlin 1890.[14]
  • Alexander Nikolajewitsch Afanassjew: Russische Volksmärchen, Ludwig, Wien 1910.[7]
  • Jaromír Jech (Hrsg.): Tschechische Volksmärchen, Rütten & Loening, Berlin 1961, S. 368–373, 579. Übersetzung von Franz Peter Künzel.
  • Ojārs Ambainis (Hrsg.): Lettische Volksmärchen, Akademie-Verlag, Berlin 1977, S. 330–333, 437. Übersetzung von Benita Spielhaus.
  • Richard Viidalepp (Hrsg.): Estnische Volksmärchen, Akademie-Verlag, Berlin, 1980, S. 327–330, 449. Übersetzung von Eugenie Meyer.
  • Heinz Mode und Milena Hübschmannová: Zigeunermärchen aus aller Welt, vierte Sammlung, Insel-Verlag, Leipzig 1985, S. 214–217, 538. Übertragen von Percy Dreger.
  • Bengt Holbek (Hrsg.): Dänische Volksmärchen, Akademie-Verlag, Berlin 1990, S. 149–157, 276. Übersetzung von Gisela Perlet.
  • Alexander Nikolajewitsch Afanassjew: Russische Märchen, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1990. S. 372–376. Übertragen von Werner von Grimm.

Einzelnachweise

  1. a b c Svend Grundtvig: Dänische Volksmärchen – Nach bisher ungedruckten Quellen erzählt, Zweite Sammlung. books.google.de, abgerufen am 7. Juni 2024. Märchentexte auf zeno.org.
  2. a b Bengt Holbek (Hrsg.) Dänische Volksmärchen, Akademie-Verlag, Berlin 1990, S. 149–157, 276. Übersetzung von Gisela Perlet.
  3. a b c Richard Viidalepp (Hrsg.): Estnische Volksmärchen, Akademie-Verlag, Berlin, 1980, S. 327–330, 449. Übersetzung von Eugenie Meyer.
  4. a b Ojārs Ambainis (Hrsg.): Lettische Volksmärchen, Akademie-Verlag, Berlin 1977, S. 330–333, 437. Übersetzung von Benita Spielhaus.
  5. a b Jaromír Jech (Hrsg.): Tschechische Volksmärchen, Rütten & Loening, Berlin 1961, S. 368–373, 579. Übersetzung von Franz Peter Künzel.
  6. a b Nikolai Rainow: Bulgarische Märchen, Swjat Verlag, Sofia 1987, S. 283–285. Übersetzung von Lotte Markowa.
  7. a b c Alexander Nikolajewitsch Afanassjew: Russische Volksmärchen. zeno.org, abgerufen am 7. Juni 2024.
  8. a b Alexander Nikolajewitsch Afanassjew: Russische Märchen, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1990. S. 372–376. Übertragen von Werner von Grimm.
  9. Ulrich Jahn: Kathrinchen, die kluge Besenbinderstochter. In: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. zeno.org, abgerufen am 6. Juni 2024.
  10. Walter Scherf: Das Märchenlexikon. Band 1. C. H. Beck, München 1995, ISBN 978-3-406-51995-6, S. 692–695.
  11. Tschechische Volksmärchen, Artia Verlag, Prag 1971, erzählt von Jiří Horák.
  12. Heinz Mode und Milena Hübschmannová: Zigeunermärchen aus aller Welt, vierte Sammlung, Insel-Verlag, Leipzig 1985, S. 214–217, 538. Übertragen von Percy Dreger.
  13. Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. zeno.org, abgerufen am 6. Juni 2024.
  14. Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauernmund. zeno.org, abgerufen am 6. Juni 2024.
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