Baccalauréat

erster akademischer Grad in einigen romanischen Ländern
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Das französische Baccalauréat (informelle Kurzform Bac, analog zu „Abi“) entspricht in etwa dem Abitur beziehungsweise der Matura. Genau genommen wird es, obwohl nur Abschluss einer höheren sekundären Schulausbildung, als erster akademischer Grad in Frankreich, Rumänien, Algerien, Marokko und Tunesien verstanden; der Prüfungskommission sitzt jeweils ein Universitätsprofessor vor.

Unterschiedliche Typen des Baccalauréat

Es gibt drei verschiedene Typen des Baccalauréats:

  • Baccalauréat général (auf dem Lycée erworben):
    • bis 2020 mit drei Fachrichtungen (filières): Literatur und Philosophie (Bac L – littéraire), Naturwissenschaft (Bac S – scientifique) und sozialen Wissenschaften (Bac ES – économique et social);
    • ab 2021 mit 12 Hauptfächern, von denen die Schüler in der Première (11. Stufe in Deutschland) drei auswählen, mit je 4 Stunden Unterricht pro Woche, und anschließend in der Terminale (12. Stufe) eines davon abwählen, also 6 Stunden Unterricht für jedes der 2 Fächer haben. Sie sind auch der Schwerpunkt für die Gesamtnote des Bacs. Diese besteht zu 60% aus den "Epreuves Finales", also den vorgezogenen Prüfungen in Première von Französisch und dem abgewählten Hauptfach. Dazu kommen in der Terminale Prüfungen für die 2 Hauptfächer, Philosophie und ein mündlicher Vortrag Ende des Jahres. Die restlichen 40% bestehen aus Prüfungen der Nebenfächer, die über die zwei letzten Jahre verteilt sind (genannt "Contrôle Continu") und einem Zeugnissdurchschnitt desselben Zeitraums.[1] Zur Wahl als Hauptfächer stehen (Stand 2020):[2]
      1. Kunst
      2. Biologie-Ökologie
      3. Sprachen, Literatur und Fremd- und Regionalkulturen (Englisch)
      4. Digital und Informatikwissenschaften
      5. Ingenieurwissenschaften
      6. Literatur, Sprachen und Kultur der Antique
      7. Literatur und Philosophie
      8. Mathematik
      9. Physik und Chemie
      10. Geschichte und Erdkunde, Geopolitik und Politikwissenschaften
      11. Biologie und Geowissenschaften (Sciences et vie de la Terre)
      12. Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Mit den 6 letzten Fächern lassen sich praktisch gesehen die früheren Fachrichtungen wiederspiegeln, doch insgesamt haben Schüler bei der Wahl von teils eigentlich nicht einhergehenden Fächern mehr Freiheit. Durch das Abwählen eines Faches in der Terminale fehlt aber z.B. die Möglichkeit, SVT, Physik-Chimie und Mathematik (wie in dem früheren Bac S) zu erlernen. Als Alternative für das Hauptfach Mathematik bieten sich daher 2 Optionen: "Maths complémentaires" (Matheersatz für Schüler, die einen anderen Schwerpunkt haben) und "Maths Expertes", für fortgeschrittene Mathematik. Neu in der Reform des Bacs ist auch die reformierte mündliche Prüfung, "Le Grand Oral", die theoritisch in Première und Terminale vorbereitet wird, de facto für die 2021 absolvierenden aber erst in der Terminale vorbereitet werden kann. Ausgesucht wird ein Thema, das eins oder beide Hauptfächer betrifft, und anschließend in 5 Minuten vorgetragen und 15 Minuten mit einer Jury besprochen wird.

  • Baccalauréat technologique mit acht Fachrichtungen wie zum Beispiel Hotel, medizinische und soziale Berufe, Laborberufe…
  • Baccalauréat professionnel mit über 50 Fachrichtungen von Kunststoffgießerei über Automechanik bis Einzelkaufmann.

Der Düsseldorfer Bildungsforscher Rainer Bölling gibt folgende Daten an:

„Hinter diesem nationalen Ereignis steht ein gewaltiger organisatorischer und finanzieller Aufwand. 2011 wurden 166.866 Prüfer in 4.737 Examenszentren aufgeboten, um 654.548 Kandidaten zu examinieren. 4.880 Aufgaben waren für die verschiedenen Prüfungen erstellt worden, rund vier Millionen Arbeiten mussten korrigiert werden. Die Kosten beliefen sich auf 83,10 Euro pro Kandidat, insgesamt auf etwa 54,4 Millionen Euro.“[3]

Die Vergleichbarkeit der Noten in diesem französischen Zentralabitur sieht Bölling kritisch:

„Dieser Eindruck [der Vergleichbarkeit der Noten] schwächt sich […] bei einem Blick auf den Korrekturvorgang deutlich ab. Da es keine landesweit gültigen Bewertungsvorgaben und keine Zweit- oder gar Drittkorrektur gibt, hängt das Ergebnis je Fach von nur einem Prüfer ab. Und da kann es große Bewertungsunterschiede geben. So wurden 2006 und 2007 in einem Test drei Schülerarbeiten der Fachrichtung ES von dreißig Lehrern für Wirtschaftskunde unabhängig voneinander beurteilt. Bei einer Arbeit reichten die Bewertungen von 5 bis 16, bei einer anderen von 8 bis 18 von 20 Punkten.“[3]

Berechtigung zum Studium

Alle diese Baccalauréats berechtigen zum Studium an einer französischen Hochschule beziehungsweise Grande école, so die Theorie. Da das Baccalauréat als erster akademischer Grad gilt, kann es an französischen Universitäten keine Zulassungsbeschränkungen (Numerus clausus) geben. Die Grandes Écoles jedoch halten Concours – also Auswahlverfahren – ab, auf die man sich normalerweise nach dem Baccalauréat mit zwei Jahren in einer Classe préparatoire vorbereitet. Allerdings öffnen sich immer mehr Grandes Écoles für Bewerber, die keine akademische Vorbildung haben. Hier werden die acquis professionnels herangezogen, also der berufliche Werdegang des Bewerbers. Auch die Verwaltungs-Elitehochschule ENA verfährt nach diesem Muster.

Anerkennung des Baccalauréat

Deutschland

Das Problem der Anerkennung des Baccalauréats in Deutschland ist relativ komplex. Die Konferenz der Kultusminister der Länder legte 1986 einen Katalog fest, dem ausländische Zeugnisse zu entsprechen haben, um als Hochschulreife in Deutschland anerkannt zu werden (etwa sechs Fächer, davon zwei Sprachen, Mathematik, etwas Soziales usw.).

Allein das Baccalauréat général erfüllt alle diese Voraussetzungen und wird deshalb als uneingeschränkte Allgemeine Hochschulreife anerkannt. Sowohl die Baccalauréats technologiques als auch die Baccalauréats professionnels qualifizieren in der Regel nicht uneingeschränkt für ein Studium an einer deutschen Hochschule.

Das Baccalauréat in Belgien und Kanada

In Belgien und Kanada ist das Baccalauréat kein Sekundarschulabschluss, sondern ein akademischer Grad, der nach einem mindestens dreijährigen Hochschulstudium verliehen wird (z. B. Bachelier ès Arts, Bachelière en Sciences médicales).

Begriffsunterschiede

Der französische Begriff Bachelier entspricht dem Gesellen beziehungsweise dem lateinischen Baccalaureus. Der relativ neue akademische Grad heißt Bachelor.

Das deutsche Baccalaureat, auch Bakkalaureat, über engl. bachelor, ist ein Hochschulabschluss, der zum Tragen des Titels Baccalaureus berechtigt. Das theologische Baccalaureat endet mit dem Abschlussgrad des Baccalaureus Theologiae seu Divinitatis; es ist mit dem Bachelor identisch.

Literatur

Siehe auch

Commons: Baccalauréat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Le nouveau baccalauréat. Abgerufen am 16. Oktober 2020 (französisch).
  2. Horizons 21 - Construisez vos choix de spécialités au lycée. Abgerufen am 16. Oktober 2020.
  3. a b Rainer Bölling: Frankreichs Zentralabitur ist kein Vorbild für Deutschland. In: FAZ Nr. 64 / 15. März 2012, S. 8