Der Begriff Bildhauerei umfasst das ganze Feld der Herstellung von Skulpturen und Plastiken in Kunst und Kunsthandwerk.
Wortherkunft und -verwendung
Das Wort steht daher für:
- das Werk eines Bildhauers
- die Gattungsbezeichnung für dreidimensionale Kunstwerke, seien es Vollplastiken oder Reliefs, aus festen Materialien (Bildwerke der bildenden Kunst)
- die Bezeichnung für eine Werkstätte oder Unternehmen, in dem derartige dauerhafte Arbeiten ausführt werden
Ursprünglich bezeichnet der Begriff Bildhauer nur den Skulpteur (Skulpturenmacher), aber der Begriff des Modelleurs (Verfertiger von Plastiken) ist darin aufgegangen, als sich der Modellbegriff im Laufe der Neuzeit veränderte. Im deutschen Sprachgebrauch unterteilt man die Bildhauerei durch Lehnwörter in Skulptur als das subtraktive, welches Materie wie zum Beispiel Marmor, Sandstein oder Holz abträgt und Plastik als das additive Arbeiten, welches Materie wie zum Beispiel Ton, Wachs, Gips oder Metall anträgt. Ein Zwischenbereich stellt sich in der Metallbildhauerei dar, welche mit der Schmiedetechnik oder Treibtechnik arbeitet. Hier wird weder subtraktiv noch additiv gearbeitet, sondern verformt.
Eine Erweiterung erfuhr das bildhauerisch-plastische Arbeiten in der Moderne mit dem künstlerisch-kreativen Zusammenfügen ganz verschiedener Materialien in der Objektkunst. Die Methode der Assemblage ist hier hervorzuheben.
Historisches Zitat: Der Bildhauer „ist ein Künstler, der mit dem Hammer, Schlägel, Meißel und Messer, nach einem vorgezeichneten Risse, oder wirklichen Original, und nach einem in Wachs, Ton oder Gyps [sic] gemachten Modell, in Steine, Sand, Marmor, Alabaster, Holz, Metall etc. Bilder schnitzet, hauet, gräbt und schneidet.“ (Aus Oeconomische Encyclopädie von Johann Georg Krünitz[1])
Bildhauerei als Werk eines Bildhauers
Schon in der Altsteinzeit gaben Menschen Steinen eine Form. Diese Faustkeile wurden zwar als Werkzeuge geschaffen, können jedoch streng genommen als die ersten Skulpturen der Menschheitsgeschichte angesehen werden (siehe auch Venus vom Hohlen Fels, Löwenmensch). Steinschlagen zu ornamentalen Zwecken wurde jedoch erst in der späten Jungsteinzeit aufgenommen. Im Laufe der Jahrtausende wurden Alltagsutensilien immer aufwendiger gestaltet, da sie nicht mehr nur ihren eigentlichen Zweck erfüllen sollten, sondern auch der Zierde dienten. Cro-Magnon-Menschen benutzten dann bereits Gravierwerkzeuge wie Stichel, um Knochen und Elfenbein zu gravieren und zu skulptieren. Es wurden auch leichter zu bearbeitende Materialien wie Ton oder Holz verwendet, allerdings sind diese Artefakte heute größtenteils nicht mehr erhalten. Beispielhaft für die plastische Gestaltungskunst des frühen modernen Menschen sind die Knochen- und Elfenbeinskulpturen des Aurignacien im Lohne-Tal, die Frauenstatuetten des Gravettien oder die Reliefs des Magdalénien (Bisondarstellungen in den Volp-Höhlen).
Auch die Pharaonen im alten Ägypten ließen kleinere und größere Skulpturen aus wertvollen Gesteinen wie Lapislazuli und Jaspis fertigen, wie auch als Beigabe zu den Grabstätten. Die wichtigsten Werkzeuge basierten auf härteren Steinsorten und oder bestanden aus Holz; diese wurde vielseitig eingesetzt, so als Untersatz zum Rollen oder Ziehen schwerer Steinblöcke, als Griff an den Werkzeugen oder zum Absprengen von Steinfragmenten, indem man es mit Wasser übergoss und die Raumausdehnung in einer Fuge nutzte.
Im Antiken Griechenland schuf man lebensnahe Statuen aus Marmor und Ton, die leider zu einem Großteil nicht erhalten geblieben sind; von einigen Werken sind aber römische Kopien bekannt.
Im fernen Osten dagegen wurde eher mit Jade, Elfenbein und Bronze gearbeitet. Das Motiv waren oft Tiere, wie beispielsweise Pferde, Büffel, Bären, Nashörner, Elefanten und Tiger. In Nordamerika töpferten Indianer neben Tiermodellen auch Gegenstände für den täglichen Gebrauch, wie Schalen, und Musikinstrumente aus Ton. Bemerkenswerte Beispiele der Bildhauerei sind in der hethitischen Steinmetzwerkstatt von Yesemek in der Türkei zu sehen.
Im Altertum wurde das Spektrum der Bearbeitungsverfahren dann um den Guss von Metallen in vorgefertigte Formen erweitert. Während des europäischen Mittelalters benutzte man bereits eine Vielzahl von Werkzeugen, die in ähnlicher Form auch noch heute verwendet werden.
Bildhauerei als Gattungsbezeichnung
Die Bildhauerei ist eine der ältesten bildenden Künste der Kulturgeschichte. Der Unterschied von bildhauerischen Arbeiten zur Malerei besteht in der Dreidimensionalität der Kunstwerke. In der Bildhauerei werden Formen und Gebilde unter Verwendung verschiedener Materialien und durch unterschiedliche Bearbeitungstechniken von Bildhauern räumlich erfahrbar gemacht. Die geschaffenen Skulpturen oder Plastiken können realistisch darstellen, die Realität kreativ verändern oder völlig abstrakt sein. Die Bandbreite der verwendeten Materialien reicht von klassischen Stoffen, wie Stein, Holz, Elfenbein, Metall, Ton und Gips, über Glas, diverse Kunststoffe bis hin zu Textilien und Papier. Synonyme Bezeichnung für den Holzbildhauer ist (Holz-)Bildschnitzer.
Je nach räumlicher Ausformung unterscheidet man Vollplastik, Hochrelief und Flachrelief. Diese Formen des Reliefs können mit Architektur und Baukunst verbunden sein. Denkmäler sind sich an antiken Vorbildern orientierende selbständige Plastiken und Architekturen mit städtebaulichem Bezug oder in Parklandschaften. Hier schließen moderne Installationen, Rauminstallationen, Land-Art oder auch die Konzeptkunst an.
Hauen ist auch die alte Bezeichnung für die dreidimensionale Treibarbeit von Kupferblechen, die bei Monumentalausführungen von tragenden Gerüsten stabilisiert wird. Die Treibtechnik wird auch als die alte Gürtlertechnik bezeichnet. Daher hat sich der Begriff der Bildhauerei auch auf monumentale Treibarbeiten ausgedehnt sowie auf die Werkstätten und Firmen, die solche ausführen (Metallbildhauerei oder Formschmiede).
Im Gegensatz dazu wird in den Kunstgießereien das flüssige Metall, zumeist Bronze, zum vom Bildhauer entworfenen Modell und danach in der Gießerei geschaffenen Gussform vergossen. Dabei werden meist die Techniken des Sandgusses und des Wachsgusses verwendet.
Herausragende Bildhauer
- Phidias (5. Jh. v. Chr.), attischer Bildhauer, maßgebend beteiligt an den Skulpturen des Parthenon.
- Polyklet (um 480 v. Chr. bis gegen Ende 5. Jh. v. Chr.), griechischer Bildhauer, bekannt wegen seiner Bronzebildwerke.
- Praxiteles (4. Jh. v. Chr.), griechischer Bildhauer, wohl bedeutendster Bildhauer der Spätklassik.
- Niccolò Pisano (1205/07–1278), italienischer Bildhauer, bedeutender Vertreter der mittelalterlichen Bildhauerei.
- Donatello (um 1386–1466), italienischer Bildhauer, Meister der italienischen Bildhauerkunst der Frührenaissance.
- Veit Stoß (um 1447–1533), Meister der deutschen Spätgotik.
- Tilman Riemenschneider (1460–1531), Meister der deutschen Renaissance.
- Michelangelo (1475–1564), italienischer Bildhauer, Hauptmeister der Hochrenaissance.
- Benvenuto Cellini (1500–1571), Bildhauer des italienischen Manierismus.
- Gian Lorenzo Bernini (1598–1680), Bildhauer des italienischen Barock.
- Antonio Canova (1757–1822), italienischer Bildhauer, führender Vertreter des italienischen Klassizismus.
- Johann Gottfried Schadow (1764–1850), deutscher Bildhauer, wichtiger Vertreter des deutschen Klassizismus.
- Bertel Thorvaldsen (1770–1844), dänischer Bildhauer, führender Vertreter des europäischen Klassizismus
- Auguste Rodin (1840–1917), französischer Bildhauer, Wegbereiter der modernen Bildhauerei.
- Aristide Maillol (1861–1944), französischer Bildhauer, Wegbereiter der modernen Bildhauerkunst
- Ernst Barlach (1870–1938), deutscher Bildhauer, Vertreter des Realismus und Expressionismus.
- Constantin Brâncuși (1876–1957), rumänischer Bildhauer, Wegbereiter der modernen Plastik.
- Marcel Duchamp (1887–1968), französisch-amerikanischer Objektkünstler
- Alexander Calder (1898–1976), US-amerikanischer Bildhauer der Moderne, kinetische Kunst.
- Henry Moore (1898–1986), britischer Bildhauer, Durchbruch zur Abstraktion.
- Marino Marini (1901–1980), italienischer Bildhauer der Moderne
- Alberto Giacometti (1901–1966), schweizerischer Bildhauer, bedeutender Vertreter der Plastik des Surrealismus.
- Fritz Wotruba (1907–1975), österreichischer Bildhauer, exponierter Vertreter geometrischer Abstraktion.
- Joseph Beuys (1921–1986), deutscher Bildhauer
- Eduardo Chillida (1924–2002), baskischer Bildhauer
- Sol LeWitt (1928–2007), US-amerikanischer Bildhauer, ein Hauptvertreter des Minimalismus
- Richard Serra (* 1939), US-amerikanischer Bildhauer, führender Vertreter des Minimalismus in der Plastik.
- Bruce Nauman (* 1941), US-amerikanischer Bildhauer und Konzeptkünstler
- Abraham David Christian (* 1952) deutsch-US-amerikanischer Bildhauer
- Anish Kapoor (* 1954), indischer Bildhauer, Vertreter der Monumentalkunst.
Siehe auch
Literatur
- Philippe Clérin: Das große Buch des Modellierens und Bildhauens, Bern 2003, ISBN 3-258-06222-6
- Eduard Trier: Moderne Plastik von Auguste Rodin bis Marino Marini, Verlag Gebr. Mann Berlin 1954, 103 Seiten
- Eduard Trier: Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert, Verlag Mann, Berlin 1999, ISBN 3-786-11879-5
- Dietrich Mahlow: 100 Jahre Metallplastik, 2 Bände, Metallgesellschaft AG, Frankfurt 1981; ISSN 0369-2345
- Georg Kaspar Nagler: Die Monogrammisten und diejenigen bekannten und unbekannten Künstler aller Schulen, welche sich zur Bezeichnung ihrer Werke eines figürlichen Zeichens, der Initialen des Namens, der Abbreviatur desselben &c. bedient haben. Mit Berücksichtigung von Buchdruckerzeichen, der Stempel von Kunstsammlern, der Stempel der alten Gold- und Silberschmiede, der Majolicafabriken, Porcellan-Manufacturen u.s.w. Nachrichten über Maler, Zeichner, Bildhauer, Architekten, Kupferstecher, Formschneider, Briefmaler, Lithographen, Stempelschneider, Emailleure, Goldschmiede, Niello-, Metall- und Elfenbein-Arbeiter, Graveure, Waffenschmiede u.s.w. Mit den rasonirenden Verzeichnissen der Werke anonymer Meister, deren Zeichen gegeben sind, und der Hinweisung auf die mit Monogrammen oder Initialen bezeichneten Produkte bekannter Künstler ... auch Ergänzung ... des Neuen allgemeinen Künstler-Lexicons, und Supplement zu den bekannten Werken von A. Bartsch, Robert-Dumesnil, C. le Blanc, F. Brulliot, J. Heller u.s.w.
- Erster Band, München: Georg Franz, 1858
- auch als Nachdruck ab 1991 erhältlich[2]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Oeconomische Encyclopädie, Universität Trier
- ↑ Angaben der Deutschen Nationalbibliothek