Leben
Näherte sich die Kultur der Weimarer Republik einerseits universal-demokratischen Werten und "westlichem" Lebensstil an, so gab es auch Kräfte, die gegenüber "Massenkultur" und "Amerikanismus" auf einem spezifisch "deutschen" Weg in die Moderne beharrten, der mit Antiuniversalismus, Antiamerikanismus und Antiparlamentarismus verbunden und mitunter als nationaler oder gar völkischer "Sonderweg" definiert war. Diese konservativ-reaktionären Tendenzen führten zu einer spezifischen Annäherung an die Moderne, die der amerikanische Historiker Jeffrey Herf als "reaktionären Modernismus" bezeichnet hat. Die "reaktionären Modernisten" akzeptierten moderne technologische Entwicklungen als an sich neutral und mögliche Mittel auf dem Weg zu Macht, lehnten aber die kulturellen, sozialen und politischen Entwicklungen der Moderne ab. Bei Autoren wie Oswald Spengler, Ernst Jünger, Hans Freyer oder Carl Schmitt findet sich deshalb nachgerade eine Ästhetisierung der Technik.[1]
Moderne Literatur fand während der Weimarer Republik großen Absatz. Heraus ragt dabei Ludwig Maria Remarques Kriegsroman Im Westen nichts Neues, der bis Mai 1930 über eine Million mal verkauft wurde und geradezu eine Welle der Kriegsliteratur auslöste. Aber auch die Werke von Jakob Wassermann, Hans Fallada, Thomas Mann und Alfred Döblin fanden ihre Leser. Unter den ausländischen Autoren verkaufte sich vor allem Knut Hamsun, John Galsworthy und Jack London sehr gut. Teilweise um ein Vielfaches höhere Auflagenstärken erreichte jedoch antimoderne Literatur. Neben nationalistischer Kriegsliteratur wie von Wilhelm Beumelburg und Ernst Jünger waren dies nicht zuletzt Bücher, die bereits in der Vorkriegszeit erschienen waren wie Werke Gustav Frenssens oder Ludwig Ganghofers. Auch exotische Schauplätze (Karl May) und Kriminalliteratur (Edgar Wallace) sprachen ein Massenpublikum an. Die höchsten Auflagen aber erzielte Hedwig Courths-Mahler. [2]
Eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zwischen Polen und Deutschland spielte die Situation der jüdischen Bevölkerung in den jeweiligen Ländern. Polen hatte bereits nach der Konferenz von Évian im Sommer 1938 versucht, die internationalen Bemühungen, die in der Frage der Auswanderung von Juden aus Deutschland und Österreich unternommen wurden, auch auf die Frage der jüdischen Auswanderung aus Polen zu lenken. Die judenfeindliche deutsche Politik, so die polnische Argumentation, dürfe nicht auch noch belohnt werden. Um antisemitische Ausbrüche in Polen zu verhindern, müsse man auch über das Problem der polnischen Juden sprechen. Viele Staaten wurden durch die polnischen Forderungen jedoch eher abgeschreckt, Auswanderer aus Polen aufzunehmen. Polen suchte deshalb die Kooperation mit Deutschland, das im September und Oktober 1938 die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erkennen ließ.[3]
So hatte Hitler bereits im September 1938 angedeutet, in Übereinkunft mit Polen, Ungarn und der Ukraine eine Emigration von Juden in die Kolonien anzustreben. Bei dem Treffen Ribbentrops und Lipskis am 24. Oktober 1938 ging es dann nicht nur um die Danzig-Frage, sondern auch um eine etwaige Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland in Frage der Kolonien und der jüdischen Auswanderung. Ob von deutscher Seite dahinter ernsthafte Absichten steckten, wird allerdings von Historikern bezweifelt.[4] Denn auch wenn Hitler bei der Unterredung mit Beck am 5. Januar 1939 den Eindruck erweckte, Deutschland werde früher oder später Kolonien zurückerhalten und sei bereit, zur „Lösung der Judenfrage“ ein Territorium in Afrika zur Verfügung zu stellen, so weist der Historiker Klaus Hildebrand darauf hin, dass Hitler knapp drei Monate zuvor genau einen solchen Plan des südafrikanischen Verteidigungsministers Oswald Pirow abgelehnt und dem Oberkommando der Wehrmacht entsprechende Planungen strikt untersagt hatte. Diese Andeutungen seien deshalb „typisch für Hitlers skrupellose Verhandlungstaktik“.[5]
In der Tat setzte die deutsche Seite das polnische Interesse an der jüdischen Auswanderung gleichzeitig als Mittel politischer Erpressung ein, um Polen bereitwilliger zu territorialen Verzichten zu machen. Nur drei Tage nach Ribbentrops Berchtesgadener Treffen mit Lipski begann das Deutsche Reich mit der sogenannte Polenaktion, der kurzfristigen Ausweisung von ca. 17.000 jüdischen Polen – eine Mahnung an die polnische Seite, so die Historikerin Yfaat Weiss, dass Deutschland das jüdische Problem in Polen verschärfen könne, wenn sich Polen nicht zu Kompromissen und diplomatischen Verhandlungen mit Deutschland bereit zeigen wolle.[3]
Die polnische Regierung bewahrte gegenüber der polnischen Öffentlichkeit im wesentlichen Stillschweigen über den Umfang der deutschen Forderungen. Erst im März 1939 wurde die Öffentlichkeit sich der Bedrohung bewußt. Die Regierung versuchte außerdem den Eindruck zu erwecken, als ob Polen militärisch gewappnet sei. Man begriff die Situation als Nervenkrieg, in welchem vor allem Ruhe zu bewahren war.[6]
Bei einem Treffen mit Beck im Januar 1938, also noch vor dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, hatte Hitler noch betont, er sehe das Danziger Problem als zweitrangig an.[7]
Am 14. März 1938 hatte Hitler noch einmal das polnische Recht auf Danzig und auf einen freien Zugang zur Ostsee bestätigt und ließ die antipolnischen Aktivitäten der Nationalsozialisten in Danzig unterbrechen.[8]
Polen hatte vor dem Zweiten Weltkrieg eine Großmachtpolitik verfolgt und dabei eine Kooperation mit Deutschland bevorzugt. So unterstützte Polen Deutschland in der Sudetenkrise unterstützt und annektierte nach dem Münchner Abkommen seinerseits am 2. Oktober 1938 die Region um Teschen.[9]
Auf der anderen Seite machte Deutschland Polen aber im Hinblick auf die Kolonial- und die Judenfrage aber auch Hoffnungen gemacht.
Und wie der Historiker Helmut Krausnick mit Verweis auf die Bemerkung Ribbentrops zum polnischen Außenminister Beck im Januar 1939 in Warschau, das Schwarze Meer sei doch „auch ein Meer,“ anmerkt, „ohne bleibende Gewähr für schonende Behandlung“.[10]
Literatur
- Hans Adolf Jacobsen: Nationalsozialistische Aussenpolitik, 1933-1938. Metzner, Frankfurt/Main 1969.
- Peter Longerich: Propagandisten im Krieg. Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop. R. Oldenbourg, München ISBN 3486541113.
- Roland Ray: Annäherung an Frankreich im Dienste Hitlers ? Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930-1942. R. Oldenbourg, München 2000, ISBN 3486564951.
- Rainer F Schmidt: Die Aussenpolitik des Dritten Reiches 1933-1939. Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 3608940472.
- G. T. Waddington: ‘An idyllic and unruffled atmosphere of complete Anglo-German misunderstanding’. Aspects of the Operations of the Dienststelle Ribbentrop in Great Britain, 1934-1938. In: History 82 (1997): S. 44-72. ISSN 0018-2648.
Einzelnachweise
- ↑ Andreas Wirsching: Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft. R. Oldenbourg, München 2000, ISBN 3486550489, S. 85f; Louis Dupeux: "Kulturpessimismus", Konservative Revolution und Modernität. In: Manfred Gangl und Gérard Raulet (Hrsg.). Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik. Zur politischen Kultur einer Gemengelage. Lang, Frankfurt 2007, ISBN 9783631566251, S. 416f..
- ↑ Nicole Nottelmann: Strategien des Erfolgs. Narratologische Analysen exemplarischer Romane Vicki Baums. Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 3826023056, S. 21-25.
- ↑ a b Yfaat Weiss: Deutsche und polnische Juden vor dem Holocaust. Jüdische Identität zwischen Staatsbürgerschaft und Ethnizität 1933-1940. Oldenbourg, München 2000, S. 163-165, zit. 165.
- ↑ Magnus Brechtken: "Madagaskar für die Juden". Antisemitische Idee und politische Praxis 1885 - 1945. 2. Auflage. Oldenbourg, München 2009, ISBN 3-486-56384-X, S. 150.
- ↑ Klaus Hildebrand: Vom Reich zum Weltreich. Hitler, NSDAP und koloniale Frage, 1919-1945. Fink, München 1969, ISBN 9783770503384, S. 598f.; Magnus Brechtken: "Madagaskar für die Juden". Antisemitische Idee und politische Praxis 1885 - 1945. 2. Auflage. Oldenbourg, München 2009, ISBN 3-486-56384-X, S. 199-202.
- ↑ Joseph Marcus: Social and political history of the Jews in Poland, 1919-1939. Mouton Publishers, New York 1983, ISBN 9789027932396, S. 413f.
- ↑ Marian Wojciechowski: Die polnisch-deutschen Beziehungen 1933 - 1938. Brill, Leiden 1971, S. 387.
- ↑ Marian Zgórniak: Europa am Abgrund - 1938. Lit, Münster 2002, ISBN 978-3-8258-6062-2, S. 107f.
- ↑ Paul N. Hehn: A low dishonest decade. The great powers, Eastern Europe, and the economic origins of World War II, 1930-1941. Continuum, New York 2002, ISBN 0826414494, S. 94f.
- ↑ Helmut Krausnick: Legenden um Hitlers Außenpolitik. In: VfZ 2 (1954): S. 228.
Koordinaten: 50° 43′ 7″ N, 7° 3′ 36,7″ O
Personendaten | |
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NAME | Puls, Willi Walter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Geograph |
GEBURTSDATUM | 9. Januar 1908 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | 5. Dezember 1980 |
STERBEORT | Hamburg |