„Gewaltmonopol des Staates“ – Versionsunterschied

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Das '''Gewaltmonopol des Staates''' bezeichnet in der [[Allgemeine Staatslehre|Allgemeinen Staatslehre]] die ausschließlich [[staat]]lichen [[Organ (Recht)|Organen]] vorbehaltene [[Legitimation (Politikwissenschaft)|Legitimation]], physische [[Gewalt]] auszuüben oder zu legitimieren ([[Unmittelbarer Zwang]]). Das staatliche Gewaltmonopol gilt in Deutschland nur als „[[Staatsgewalt]]“ nach {{Art.|20|gg|juris}} [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|StaaGG]]<nowiki/> für das Funktionieren des [[Rechtsstaat]]es.
 
== Grundlagen ==
Den [[Rechtsbegriff]] selbst hat der [[Soziologe]] [[Max Weber]] im Jahr 1919 in seinem Vortrag ''[[Politik als Beruf]]'' geprägt. Das staatliche Gewaltmonopol ist aber in seinem Wesensgehalt − als Folge staatlicher [[Souveränität]] − bereits bei [[Jean Bodin]] in seiner Schrift ''[[Sechs Bücher über den Staat]]'' (1576) und bei [[Thomas Hobbes]], so im ''[[Leviathan (Thomas Hobbes)|Leviathan]]'' (1651) angelegt.
 
Die Idee des Gewaltmonopols will, dass die Angehörigen eines Gemeinwesens darauf verzichten, Gewalt (z.&nbsp;B. im Wege der [[Selbstjustiz]]) auszuüben. Die Angehörigen verzichten darauf, tatsächliche oder vermeintliche [[Recht]]e und Ansprüche durch individuelle Ausübung von Zwang durchzusetzen. Vielmehr überträgt in Deutschland das Volk in [[Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland|Art. 20 GG]] „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ seinen Schutz und deren Durchsetzung ganz auf die staatlichen [[Judikative|Judikativ]]- und [[Exekutive|Exekutivorgane]]; also an [[Gericht]]e beziehungsweise [[Polizei]] und [[Verwaltung]]. Diese wiederum sind in einem [[Demokratie|demokratischen]] [[Rechtsstaat]] an das von der [[Legislative]] sanktionierte [[Verfassung|Recht]] und [[Gesetz]] gebunden.
 
Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols begann mit der [[Staatsentstehung]] als solcher. Seit der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] hat sich in Europa der Staat allmählich als einziger Gewaltinhaber gegenüber anderen sozialen Kräften durchgesetzt.<ref>[[Wolfgang Reinhard]], Geschichte der Staatsgewalt, 1999, passim.</ref> Das historische Ziel war die Machtausweitung des jeweiligen [[Monarchie|Monarchen]]. Diese Entwicklung wurde durch eine neue Staatsidee beflügelt, die nicht mehr den gottgewollten Monarchen, sondern eine imaginierte, eigene Substanz des Staates als Träger des Gewaltmonopols betrachtete.<ref>[[Wolfgang Reinhard]], Geschichte der Staatsgewalt, 1999, passim.</ref>
 
Das Gewaltmonopol hat vorherige Formen der Konfliktbeseitigung wie [[Fehde]] und [[Blutrache]] als Mittel der Rechtsdurchsetzung abgelöst. [[Wilhelm von Humboldt]] schrieb dazu 1792: „Denn bei der Zwietracht entstehen Kämpfe aus Kämpfen. Die Beleidigung fordert Rache, und die Rache ist eine neue Beleidigung. Hier muss man also auf eine Rache zurückkommen, welche keine neue Rache erlaubt – und diese ist die Strafe des Staats.“<ref name="Humboldt">{{PGDW|2640/8|Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen|Wilhelm von Humboldt}}</ref> In seiner idealtypischen Ausprägung schützt das Gewaltmonopol den [[Bürger]] vor Übergriffen anderer, indem Vollzugsbeamte gewaltsamen Rechtsmissbrauch oder Willkür einzelner Personen oder Gruppen verhindern. Das staatliche Gewaltmonopol stellt eine entscheidende Rahmenbedingung für ein möglichst angstfreies Sozialleben dar und gilt als zivilisatorischer Fortschritt.<ref>Peter Leßmann-Faust, ''Polizei und Politische Bildung'', VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1. Auflage 2008, ISBN 978-3-531-15890-7, Seite 68</ref>
 
== Ausnahmen ==
Die [[Rechtsordnung]] demokratischer Staaten kennt auch Ausnahmen vom Gewaltmonopol des Staates. Dazu zählt etwa das Recht, sich mit Gewalt gegen rechtswidrige Angriffe zu wehren ([[Notwehr]]) und sich vor sonstigen Gefahren zu schützen ([[Notstand]]).
 
Das [[Bürgerliches Gesetzbuch|Bürgerliche Gesetzbuch]] definiert einzelne Ausnahmefälle, in denen Bürger im Wege der [[Selbsthilfe (Recht)|Selbsthilfe]] die Realisierung privater Ansprüche gewaltsam durchsetzen dürfen. Diese Ausnahmen stehen jedoch nicht in einem echten Widerspruch zum Gewaltmonopol. Denn einerseits gelten [[Notwehr (Deutschland)|Notwehr]], erklärender Notstand und [[rechtfertigender Notstand]] immer nur dann, wenn der Staat die zu schützenden Interessen nicht schützen kann. Andererseits beziehen die Ausnahmen ihre [[Legitimation (Politikwissenschaft)|Legitimation]] vom Staat, der Vollzugsbeamte als Inhaber der unmittelbaren Staatsgewalt für seine Bürger zuvor (''[[ex ante]]'') definiert hat.
 
Das in der Vergangenheit geltende, lange umstrittene ([[Richterrecht|richterliche]] [[Gewohnheitsrecht|Gewohnheits-)Recht]] von Eltern gegenüber ihren Kindern, zu Erziehungszwecken Gewalt anzuwenden, wurde mit der gesetzlichen Festlegung des Anspruchs des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung abgeschafft (→&nbsp;[[Kindesmisshandlung#Deutschland|Kindesmisshandlung]]). Ebenso kann die nunmehr mit dem [[Gewaltschutzgesetz]] gesetzlich eingehend geregelte Ausdehnung des staatlichen Gewaltmonopols auf die Familie – und damit auf einen sehr privaten Bereich – als ein weiterer Fall der Nichtanerkennung einer „staatsfreien“ Zone betrachtet werden.
 
Weitgehend anerkannt ist ein privates [[Widerstandsrecht]] für den Fall, dass die staatliche Rechtsordnung versagt oder der Staat selbst zur Bedrohung für die Rechte der Bürger wird. Im [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] ist dies im {{Art.|20|gg|juris}} GG festgehalten ([[Widerstandsrecht#Rechtliche Situation in Deutschland|Widerstandsrecht in Deutschland]]).
 
Eine weitere Ausnahme kann die [[Festnahme#Jedermann-Festnahme|Jedermann-Festnahme]] ({{§|127|stpo|juris}} Abs.&nbsp;1 [[Strafprozessordnung (Deutschland)|StPO]]) darstellen, auf die sich die private Sicherheitsbranche (z.&nbsp;B. Personen- und Objektschützer, Privatermittler oder Kontrolleure) und nicht-polizeiliche Behörden berufen müssen.
 
== Siehe auch ==
* [[Strafanspruch des Staates]] (Strafverfolgung, Strafvollzug)
* [[Legitimes Machtmonopol]]
* [[Schwacher Staat]]
* [[Ewiger Landfriede]] von 1495 – Wurzel des Gewaltmonopols
 
== Literatur ==
* Mattias G. Fischer: ''Reichsreform und „Ewiger Landfrieden“. Über die Entwicklung des Fehderechts im 15. Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495. Zugleich ein Beitrag zu den historischen Grundlagen des staatlichen Gewaltmonopols''. Scientia, Aalen 2007.
* [[Dieter Grimm]]: Das staatliche Gewaltmonopol, in: [[Wilhelm Heitmeyer]]/[[John Hagan]] (Hrsg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, 1. Auflage, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2002, S. 1297–1313
* Thomas Gutmann, [[Bodo Pieroth]] (Hrsg.): ''Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols.'' Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft – Neue Folge, Band 9, Nomos, Baden-Baden 2011.
* Stefan Klingbeil: ''Die Not- und Selbsthilferechte: Eine dogmatische Rekonstruktion.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2017, S. 8 ff.
* [[Jan Philipp Reemtsma]]: ''Gewalt. Monopol, Delegation, Partizipation''. In: [[Wilhelm Heitmeyer]]/[[Hans-Georg Soeffner]] (Hrsg.): ''Gewalt. Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-12246-0.
* [[Wolfgang Reinhard]], ''Geschichte der Staatsgewalt: Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' C.H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-45310-4.
* [[Birgit Sauer]]: ''Die Asche des Souveräns. Staat und Demokratie in der Geschlechterdebatte.'' (= ''Politik der Geschlechterverhältnisse'', Band 16). Zugleich Habilitationsschrift Universität Wien 2000. Campus, Frankfurt am Main / New York, NY 2001, ISBN 3-593-36743-2.
 
== Weblinks ==
* [http://www.textlog.de/7321.html Max Weber: ''Wirtschaft und Gesellschaft'', Kap.&nbsp;1, §&nbsp;17: ''Das legitime Gewaltmonopol als konstitutives Element des Staates'']
* [http://www.dcaf.ch/Publications/Privatising-Security Fred Schreier und Marina Caparini: ''Privatising Security: Law, Practice and Governance of Private Military and Security Companies''. Genf 2005] (zu den privaten Sicherheitsfirmen)
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Rechtshinweis}}
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4257032-3}}
 
[[Kategorie:Max Weber]]