„Verkehrskasper“ – Versionsunterschied
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Der '''Verkehrskasper''' ist die Hauptfigur des gleichnamigen, nach ihm benannten [[Puppentheater|
== Geschichte ==
Auf die rapide wachsende Motorisierung und die zunehmenden Unfälle mit Kindern reagierten die Kultusministerien der bundesdeutschen Länder Anfang der 1950er Jahre mit der Einrichtung von „[[Verkehrskindergarten|Verkehrskindergärten]]“ und „Verkehrsschulen“. Sie sollten die Verkehrssicherheit fördern. Seit 1956 folgten Verordnungen, die den [[Allgemeinbildende Schule|Allgemeinbildenden Schulen]] die Einführung eines Faches [[Verkehrspädagogik|Verkehrskunde]] auferlegten, das flächendeckend die „Verkehrsdisziplin“ der Kinder heben sollte. Bei der Suche nach geeigneten Vermittlungsmethoden, die das von Kindern und Lehrern als lästig und langweilig empfundene neue Fach<ref>
== Bühne ==
[[Datei:Kasper.jpg|mini|hochkant|Verkehrskasper von [[Till de Kock]]]][[Datei:Eggink01.jpg|mini|links|Der Hohnsteiner Kasper (Figur von [[Theo Eggink]])]]
Die Figuren der Verkehrsbühne ähneln denen des traditionellen [[Kasperletheater]]s. Es sind in der Regel [[Handpuppe]]n, ergänzt durch ein Arsenal von [[Stabfigur|Stabpuppen]], zu denen etwa Fahrzeuge, Ampeln oder Verkehrsschilder gehören. Der Verkehrskasper beherrscht als immer fideler, freundlicher Helfer der Kinder die Theaterbühne. Er ist entsprechend beliebt bei den Kindern. Sein böser Gegenspieler ist der [[Verkehrsteufel]], der zu Unachtsamkeiten und eigennützigem Verhalten verführen will, letztendlich aber immer scheitert und selbst den Schaden davonträgt. Zum Stamm der Kasperbühne gehören weiterhin der biedere [[Schutzpolizei|Verkehrschutzmann]], der tölpelhafte, aber gutmütige Seppl sowie [[Zauberer]] und [[Fee]]n als hilfreiche Geister. Die [[Kulisse (Bühne)|Kulisse]], in der das Geschehen stattfindet, stellt sich meist als Straßenübergang oder Straßenkreuzung dar.
Beim Karlsruher Puppenspiel kamen neue Figuren hinzu wie das Zebra Schwarzweißchen als Personifizierung des Zebrastreifens, der superschlaue Verkehrshund Schlappohr, der als erfahrener Verkehrsexperte bei strittigen Fragen hilft oder die Kinder Tobias und Bärbel, mit denen sich Probleme der anwesenden Kinder darstellen lassen.<ref>
== Didaktik ==
Das Spiel mit dem Verkehrskasper begnügt sich nicht mit der Unterhaltung der Kinder. Die Verkehrskasperbühne ist ein Lehr- und Lerntheater.<ref>
Das ursprüngliche Verkehrstheater sah sich vor allem der Unfallprävention und der [[Verkehrssicherheit]] verpflichtet. Nach dem Denken der Zeit hing dies vom Regelwissen und von der [[Verkehrsdisziplin]] ab, die es zu stabilisieren galt. Die Anfänge des Verkehrskasperspiels charakterisierte dabei eine klare Trennung zwischen gut und böse, richtig und falsch, Freund und Feind, wie sie die Tradition des Kasperlespiels vorgab. Die Vorstellung ging davon aus, dass nur eine einfache Schwarz-Weiß-Darstellung dem Verständnis der Kinder entspreche und sie von wandelbaren Charakteren überfordert seien. Die Figuren waren entsprechend dramaturgisch als sogenannte „Typen“ konzipiert, die in ihrem Verhalten streng festgelegt und durch die Handlungsabläufe nicht veränderbar waren. Man erwartete den Teufel als Feind, der stets schädigen und die Fee als Freundin, die immer beschützen will. Probleme wurden im weit verbreiteten autoritären Erziehungsstil der Zeit mit derb-drastischen Mitteln gelöst. So wurde der Verkehrsteufel, vom Kasper bei seinen Verführungsversuchen ertappt, unter dem Gelächter der Kinder mit [[Bratpfanne]] oder [[Nudelholz]] traktiert. Schläge mit der [[Pritsche (Symbol)|Klatsche]] dienten als Denkimpuls für nicht regelkonform handelnde [[Verkehrssünder]].
Mit der Einbindung der Verkehrslehre in die [[Erziehungswissenschaft]] während der 1970er Jahre und der Wandlung des Faches „Verkehrskunde“ zu einem interdisziplinären Bildungsbereich „Verkehrserziehung“ vollzog sich im Verkehrskaspertheater eine Fortentwicklung von den belehrenden zu dialogischen Vermittlungsformen. Im Rahmen des Karlsruher Didaktikmodells „[[Verkehrspädagogik|Verkehrserziehung vom Kinde aus]]“ ([[Siegbert A. Warwitz]])<ref>
== Methodik ==
Das frühe Verkehrskasperspiel bewegte sich mit seinen [[Szenerie]]n häufig in spannenden Fantasieräumen, bezog Zauber und Magie in das reale Verkehrsgeschehen ein, womit es oft mehr die Unterhaltung als die eigentliche Verkehrskunde bediente. Alleinige Akteure waren die Figuren auf der Bühne. Die Strafen für nicht regelkonformes Verhalten erfolgten durch physische [[Züchtigung]] und entsprachen damit oft nicht der Verkehrslogik. Schwierige Probleme wurden bisweilen durch den Zauberer gelöst. Feen agierten als Schutzengel.
[[Datei:Kasperletheater.jpg|mini|Der noch züchtigende alte Verkehrskasper (1831)]]
Das alte Verkehrskasperspiel war zudem überwiegend monodirektional strukturiert: Kompetente Bühnenfiguren transportierten ihr Wissen in Richtung des lernenden Publikums. Sie brachten den Kindern die geltenden [[Verkehrsregel]]n in der Form des [[Frontalunterricht]]s bei, lehrten sie, wie „man“ sich im Straßenverkehr verhält. Mit der Weiterentwicklung des Lehrtheaters wurden die zuhörenden Kinder dann in einem Frage-Antwort-Spiel zunehmend in das Geschehen einbezogen. Die Ahndungen von [[Delikt|Verkehrsdelikten]] wurden versachlicht. Nicht mehr die körperliche Züchtigung, sondern der [[Sachzwang]] des Geschehens bestimmte die Folgen von Fehlverhalten. Mit dem Karlsruher Verkehrserziehungskonzept entfernte sich das Verkehrstheater dann endgültig von der Vorführbühne. Es setzte nicht mehr nur auf die Vermittlung von Wissen und Einstellungen durch die Akteure auf der Theaterbühne, sondern gestaltete die Verkehrsbühne in sokratischem Sinne zu einem Diskussions- und Entscheidungsforum, bei dem Puppen und Kinder miteinander Verkehrsfragen erörtern und um die angemessenen Problemlösungen ringen. Die Rolle der Verkehrsexperten von Polizei und Lehrerschaft änderte sich damit von der des [[Unterhaltungskünstler|Entertainers]] und [[Instruktor|
Das Karlsruher Verkehrstheater arbeitet mit der [[Projektmethode]].<ref>
== Zeitgemäßes Verkehrstheater ==
Das heutige Lehr- und Lerntheater mit dem Verkehrskasper arbeitet nach den Grundsätzen Gewaltfreiheit, Dialog, Kompetenzerwerb, Partnerschaftlichkeit, Kompromissbereitschaft. Es lässt sich etwa wie folgt charakterisieren:<ref>
* Akteure hinter den Puppen sind nicht mehr nur Lehrer und Polizisten, sondern auch eingeführte ältere Kinder und Jugendliche
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* Verkehrsregeln werden nicht gelehrt, sondern von den Kindern prozessartig entwickelt
* [[Ensemble (Theater)|Puppen-Ensemble]] und [[Publikum]] führen einen offenen [[Dialog]] über aktuelle Themen des Verkehrens
* Die Kinder dürfen im [[Rollenspiel (Spiel)|Rollentausch]]<ref>
* Das Publikum bestimmt den Fortgang und Ausgang der Ereignisse auf der Bühne
* Alle Figuren sind prinzipiell lernfähig
* Nicht der Kasper, sondern die Kinder lösen die anstehenden Probleme
* Die Lösungen müssen realitätsnah und vernünftig sein, nicht durch Zauber oder Gewalt bewirkt werden
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== Literatur ==
* Hartmut Binder: ''Ungeliebt und unvermeidlich – kann Verkehrserziehung Erziehung sein
* Wolfgang Böcher u.
* V. Brody: ''Puppentheater-Spielbuch für Kinder''. Ravensburg 1982.
* Wolfram Ellwanger, A. Grömminger: ''Handpuppenspiel in Kindergarten und Grundschule''. Freiburg 1978.
* B. Kochan (Hrsg.): ''Rollenspiel als Methode sozialen Lernens''. Königstein 1981.
* K. Wagner: ''Verkehrserziehung damals und heute. 50 Jahre Verkehrskasper''. Wissenschaftliche Staatsexamensarbeit (GHS) Karlsruhe 2002.
* [[Siegbert A. Warwitz]]: ''Verführer am Zebrastreifen.''
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== Siehe auch ==
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