„Vita nova“ – Versionsunterschied
[gesichtete Version] | [gesichtete Version] |
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
→Weblinks: linkfix |
K Tippfehler; Kleinkram |
||
Zeile 1:
[[Datei:Dante-alighieri.jpg|mini|Dante Alighieri, Fresko in der Bargello-Kapelle, Giotto zugeschrieben
In seinem Jugendwerk '''Vita Nova''' (neuere Schreibung: ''Vita Nuova'', auch ''La Vita Nuova'', [[Italienische Sprache|italienisch]]: ''Das neue Leben'') schildert [[Dante Alighieri]] seine Liebe zu [[Beatrice Portinari|Beatrice]], die sein Leben erneuert habe. Das Prosawerk entstand in den Jahren bis 1293, der erste Druck erschien 1576.
Zeile 5:
== Aufbau und Poetik ==
[[Datei:Dante Alighieri-Das Neue Le.jpg|mini|Umschlag einer älteren Ausgabe
[[Datei:Dante and beatrice.jpg|mini|Dante und Beatrice, Henry Holiday 1883
42 kurze Kapitel verbinden durch die in Prosa erzählte Geschichte von Dantes großer Liebe zu Beatrice 25 Sonette, eine [[Ballade]] und vier Kanzonen. In Kommentaren werden Schreibanlass und Inhalt der Gedichte erläutert. Die ''Vita Nova'' hat eine Rahmenstruktur. Steht am Anfang die Begegnung der kindlichen Liebenden, so erscheint ihm die Geliebte am Ende erneut in einer Vision in Gestalt und Kleidung der ersten Begegnung.
Zeile 18:
== Inhalt ==
[[Datei:Waterhouse dante and beatrice.jpg|mini|Dante und Beatrice, John William Waterhouse
[[Datei:
[[Datei:Dante's Dream at the Time of the Death of Beatrice by Dante Gabriel Rossetti.jpg|mini|Dantes Traum beim Tode Beatrices, Dante Gabriel Rossetti 1871
[[Datei:William Blake 001.jpg|mini|Beatrice spricht von ihrem Wagen zu Dante, William Blake
[[Datei:Inferno Canto 5 lines 72-74.jpg|mini|Inferno, 5. Gesang, Gustave Doré
Die „glorreiche Herrin seines Herzens“ erscheint Dante zum ersten Mal, als er neun Jahre alt ist. „Incipit vita nova“, überschreibt er diese Begegnung – mit der Liebe zu Beatrice beginnt ein neues Leben. Aber erst neun Jahre später, zur neunten Stunde des Tages, richtet sie zum ersten Mal das Wort an ihn. Diese Ansprache verwirrt ihn derart, dass er sich in sein Zimmer flüchtet und einschläft. Im Traum erscheint ihm nun die Gestalt seines Herrn („Ego dominus tuus“), in den Armen die nackte Beatrice, kaum verhüllt durch ein blutrotes Tuch, in der Hand das glühende Herz des Liebenden. Der Gott der Liebe bewegt die erwachende Beatrice, das Herz des Liebenden zu essen. Der Traum endet mit einer Vorausdeutung auf Beatrices Tod: Weinend entschwebt der Gott mit Beatrice in den Himmel. Nach dem Erwachen fasst Dante seinen Traum in ein Sonett, das er seinen Freunden vorträgt, den Namen der Geliebten verheimlicht er jedoch.
: Der Herr der Liebe
: ''(Übersetzung von [[Richard Dehmel]])''
: An Jeden, der mit edlem Geist dem Bunde
: der Himmelsmächte dient in Erdentalen
: und willig dartut, was sie anbefahlen,
: ergeht vom Geist der Liebe meine Kunde.
: Es war zur Nacht und schon die vierte Stunde,
: da sah ich plötzlich Alles um mich strahlen
: und vor mir stand der Herr der Liebesqualen,
: sein Blick entsetzte mich bis tief zum Grunde.
: Erst schien er fröhlich. In der Hand, der einen,
: hielt er mein Herz; auf seinem Arm indessen
: schlief meine Herrin, blaß, in rotem Leinen.
: Er weckte sie, und ließ sie von dem kleinen
: und völlig glühenden Herzen schüchtern essen.
: Darauf entwich er mir mit lautem Weinen.
Die Liebe zu Beatrice beginnt seine Gesundheit zu untergraben. Als nun alle Welt sich für die Identität der Geliebten zu interessieren beginnt, die ihn derart unglücklich macht, nutzt er einen Zufall, um die Liebe zu einer anderen Edelfrau (''donna dello schermo'') vorzutäuschen. Das Verheimlichen der wahren Geliebten wird zu einem wichtigen Motiv. Auf einer Reise erscheint ihm erneut der Gott der Liebe und empfiehlt ihm eine neue Herzensdame, als die Edelfrau wegzieht.
Zum Problem wird diese Tarnung, als Beatrice von der Verehrung Dantes für die anderen Frauen erfährt und ihm deshalb den Gruß verweigert. Aus Verzweiflung über den Verlust des Grußes, dem Ziel und Sinn seiner Liebe, zieht er sich in die Einsamkeit zurück, wo ihm der Gott der Liebe erneut erscheint und ihm gebietet, das Versteckspiel aufzugeben und sich seiner Beatrice in Versen zu offenbaren.
Die Liebe zu Beatrice bleibt jedoch ideell, unerfüllt. Auch an der Trauer Beatrices um ihren verstorbenen Vater nimmt er nur von ferne teil. Erneut erkrankt der Liebende und sieht in einer Vision den eigenen Tod, dann aber den der Geliebten voraus. Das Bild der von Engeln ins Paradies geführten Geliebten weckt in ihm die [[Todessehnsucht]] („Komm, süßer Tod“) als einziger Weg, mit ihr vereint zu sein.
Dante reflektiert Bedeutung und Form der Liebesdichtung in der toskanischen Sprache (Kapitel 25). Die Liebe zu einer Frau, die des Lateinischen (''grammatica'') nicht mächtig gewesen sei, habe die Dichter motiviert, sich der Alltagssprache (''volgare'') zu bedienen. Dabei sieht er den Einsatz literarischer Mittel (Verlebendigung von toten und irrealen Dingen, „rhetorische Zier“) dann als berechtigt an, wenn der Dichter in der Lage sei die Bedeutung dieser Stilmittel in Prosa zu erläutern. Dante beruft sich dabei auf die Klassiker der Antike: [[Vergil]], [[Marcus Annaeus Lucanus|Lucan]], [[Horaz]], [[Homer]] und [[Ovid]]. Dantes strenges Verdikt gilt dem Einsatz rhetorischen Schmucks ohne erklärbaren Sinn.
Die Schönheit Beatrices beginnt auch andere zu faszinieren. Sie wird zum Zeugnis der Größe Gottes, der solche Wesen schuf. Durch ihre Tugend erzeugt sie keinen Neid, sondern bewirkt Bescheidenheit.
Den Tod Beatrices, den er nicht schildern will, stellt Dante wie ihre erste Begegnung unter das mystische Zeichen der Zahl [[Neun]]. Er bemerkt, dass Beatrice am neunten Tag nach der in Arabien üblichen Zeitrechnung, nach syrischer Zeitrechnung im neunten Monat des Jahres und nach unserer Zeitrechnung in dem Jahr, in dem die vollkommene Zahl [[Zehn]] neunmal vollendet wurde, gestorben ist. Je nach Rechenweise wird Beatrices Todesdatum als 17. Juni 1290 oder 8. Juni 1290 angegeben, stellenweise auch als 12. Juni 1290 oder 9. Juni 1290, jedoch ohne Angaben zur Vorgehensweise.
Dante nimmt Bezug auf das [[Geozentrisches Weltbild|Ptolemäische Weltbild]] und dessen neun Himmel, die Beziehung Beatrices zur Neun zeige an, dass bei ihrer Geburt die neun Himmel in bester Konstellation zueinander gestanden hätten. Beatrice sei, gleichnishaft gesprochen, selber die Neun, deren Wurzel die heilige [[Dreifaltigkeit]] sei. Gott habe Beatrice zu sich genommen, da die Erde voll des Bösen und kein Ort für ein solches Wesen sei.
Beatrices Tod führt bei Dante zu Todessehnsucht und Verachtung des Lebens. Er ruft den Tod, um sie im Himmel zu sehen, als Liebeslicht, das selbst die Engel staunen lässt. Das Mitleid einer jungen Frau (''donna gentile'') für seine Trauer lässt Liebe zu dieser in Dante erwachen, was er als Verrat empfindet. In einer Vision erscheint ihm „eines Tages um die neunte Stunde“ Beatrice in der kindlichen Gestalt, in dem sie ihm zuerst begegnet war, was alle Wünsche nach neuer Liebe beendet. Das Buch endet mit einer erneuten Vision. Diese lässt ihn hoffen in weiter Zukunft in neuer Weise über Beatrice sprechen zu können, so wie noch nie über eine Frau gesprochen worden sei.
Zeile 66:
== Bertolt Brechts literarische Auseinandersetzung mit Dante ==
[[Bertolt Brecht]] hat in einem „Das zwölfte Sonett“ überschriebenen Gedicht mit dem später hinzugefügten Untertitel „Über die Gedichte des Dante auf die Beatrice“ die [[platonische Liebe]] Dantes literarisch kritisiert.<ref>Bertolt Brecht: ''Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe'', hrsg. von Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus Detlev Müller, Bd. 11, Gedichte 1, Berlin, Weimar, Frankfurt am Main 1998, S. 190.</ref>
:: ''Noch immer über der verstaubten Gruft''
:: ''In der sie liegt, die er nicht vögeln durfte''
Brecht hat dieses Sonett und andere dieser Sammlung an Margarete Steffin gesandt, die diese „mit Sonetten ähnlichen Kalibers beantwortete (...) Die Literatur ersetzte den Beischlaf.“<ref>Jan Knopf: ''Das zwölfte Sonett.''
Brechts literarische Absage an Dantes Liebeskonzept endet im 12. Sonett mit einem
:: ''Seit dieser schon beim bloßen Anblick sang''
:: ''Gilt, was hübsch aussieht und die Straße quert''
:: ''Und was nie naß wird, als begehrenswert.''
Auch im Gedicht „Das dreizehnte Sonett“ setzt sich Brecht mit Dante auseinander. Trotz seiner Enthaltsamkeit erscheint Dante hier als der Autor, der die drastische Sprache des Volkes in die Dichtung eingebracht habe:
:: ''Das Wort, das du mir oft schon vorgehalten''
:: ''Kommt aus dem Florentinischen, allwo''
:: ''Die Scham des Weibes Fica heißt. Sie schalten''
:: ''Den großen Dante schon deswegen roh''
:: ''Weil er das Wort verwandte im Gedichte.''<ref>Bertolt Brecht: ''Werke'', Bd. 11, S. 190, Vers 1-5 des Sonetts</ref>
Es überrascht wenig, dass Dante weder dieses Wort noch eine italienische Entsprechung in seinen Gedichten verwandte.<ref>Vgl. Bertolt Brecht: ''Werke'', Bd. 11, S. 362.</ref> Was Brecht drastisch hervorheben wollte, ist Dantes Verwendung der italienischen Volkssprache.
=== Dante-Motive bei Orhan Pamuk ===
Zeile 95:
== Übersetzungen ==
* ''Das neue Leben'', F. v. Oeyenhausen, Leipzig 1824.
* ''Das neue Leben'', [[Karl August Förster|Karl Förster]], Leipzig 1841
* ''Das neue Leben'', [[Karl Federn]], Halle 1897
* ''Vita Nova'', [[Rudolf Borchardt]], Berlin 1922
* ''Vita nuova'', H. Müller, Jena 1941.
* ''Das neue Leben'', H. Hinderberger, Basel 1947.
* ''Neues Leben'', S. Hildebrandt, Köln/Graz 1957.
* ''Das neue Leben'', Karl Federn und [[Richard Zoozmann]], 1958
* ''Vita nuova'', Karl Federn, Frankfurt am Main 1964.
* ''Das neue Leben'', H. Hinderberger, Zürich 1987.
== Kommentierte italienischsprachige Ausgaben ==
Zeile 115:
Zwischen 1901 und 1902 schrieb der deutsch-italienische Komponist [[Ermanno Wolf-Ferrari]] als sein op. 9 das Oratorium „La Vita Nuova“ über Texte aus Dantes Dichtung. Das Werk für Sopran- und Baritonsolo, Doppelchor, Knabenchor, Orgel und Orchester wurde am 21. März 1903 in München uraufgeführt.
Eine Bühnenfassung in der Inszenierung von Fred Berndt am Berliner [[Renaissance-Theater (Berlin)|Renaissance-Theater]] mit Kompositionen von Uri Rom<ref>[http://urirom.com/pages/de/la-vita-nova.php?lang=EN
== Sekundärliteratur ==
* [[Winfried Wehle]]: ''Dichtung über Dichtung. Dantes 'Vita Nuova': Die Aufhebung des Minnesangs im Epos.'' Fink, München
* Friedrich Schneider: ''Dante, sein Leben und Werk.'' 5. Auflage. Böhlau, Weimar 1960
== Weblinks ==
{{Wikisource|Das Neue Leben|Das Neue Leben (übersetzt von Karl Förster und Albert Ritter)}}
* [http://www.liberliber.it/mediateca/libri/a/alighieri/vita_nuova_edizione_barbera/html/index.htm Text der Vita Nova bei www.liberliber.it]
Zeile 130:
== Anmerkungen ==
▲<references/></div>
{{Navigationsleiste Werke von Dante Alighieri}}
Zeile 138 ⟶ 136:
{{Normdaten|TYP=w|GND=4131956-4|LCCN=n/87/122455|VIAF=175488729}}
[[Kategorie:Literarisches Werk
[[Kategorie:Literatur (Italienisch)
[[Kategorie:Literatur (13. Jahrhundert)
[[Kategorie:Werk von Dante Alighieri]]
[[Kategorie:Mittelalter (Literatur)
[[Kategorie:Roman, Epik
|