[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
+{{Kandidat}}
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
 
(14 dazwischenliegende Versionen von 14 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 23:
}}
 
Der '''Große Tenrek''' (''Tenrec ecaudatus''), auch '''Großer Tanrek''' oder einfach nur '''Tenrek''' beziehungsweise '''Tanrek''', ist eine [[Säugetiere|Säugetierart]] aus der Gruppe der [[Igeltenreks]], die zur Familie der [[Tenreks]] (Tenrecidae) gehört. Er ist der größte, weitestverbreitete und wohl bekannteste Vertreter seiner Familie. Äußerlich zeichnet er sich durch einen kräftigen Körperbau und einen großen breiten Kopf mit langer Schnauze aus. Das Fell ist borstig, am Nacken und am Kopf sind Stacheln ausgebildet. Charakteristische Merkmale stellen auch der Schwanzstummel und die langen Eckzähne dar. Das natürliche Ursprungsgebiet der Tiere ist [[Madagaskar]]. Dort kommen sie in nahezu allen Lebensräumen vor: sieSie bewohnen sowohl die feuchten [[Tropischer Regenwald|tropischen Regenwälder]] im östlichen Teil als auch die laubabwerfenden, trockenen Wälder des westlichen sowie die sehr trockenen Dornenbuschgebiete des südwestlichen Teils der Insel. Sie können sich an von Menschen veränderte Landschaften anpassen – so treten sie auch in städtischen Gebieten auf. Es gibt [[Population (Biologie)|Populationen]] auf [[Mauritius]], [[Réunion]], den [[Seychellen]] und den [[Komoren]].
 
Die Lebensweise des Großen TenrekTenreks ist relativ gut erforscht. Er ist nachtaktiv und bodenbewohnend. Als Unterschlupf nutzt er selbst gegrabene Tunnel, die mit einem Nest aus Pflanzen ausgestattet sind. Dort verbringt er auch den trockenen und nahrungsarmen Südwinter in einem Starrezustand ([[Torpor]]), der mehrere Monate anhalten kann. Der allgemeine Lebensrhythmus wird dabei von stark schwankenden Körpertemperaturen begleitet, die von den Außentemperaturen und der Aktivität abhängen. Die Tiere sind einzelgängerisch und kommen nur während der Fortpflanzungsperiode zusammen. Ein Wurf besteht aus durchschnittlich 15 Jungen; maximal wurden bisher 32 beobachtet, was die höchste Anzahl an Jungtieren unter den Säugetieren ist. Die Jungtiere haben ein gestreiftes Fell, das zudem deutlich mehr Stacheln aufweist. Am Hinterteil sind die Stacheln zu einem [[Stridulation]]sorgan umgestaltet, mit dem sie rasselnde Töne erzeugen können. Die Aufzucht der Jungen dauert etwa zwei Monate. Die Ernährung des Großen Tenreks basiert hauptsächlich auf [[wirbellose]]n Tieren wie [[Insekten]] und [[Würmer]]n, zudem verzehrt er auch kleine [[Wirbeltiere]] und pflanzliches Material wie Früchte.
 
Der Große Tenrek wurde bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Europa erwähnt, seine wissenschaftliche [[Erstbeschreibung]] als Art datiert in das Jahr 1777. Obwohl die Bezeichnung der Gattung mit ''Tenrec'' etwa zwei Jahrzehnte später erfolgte, war der Große Tenrek im Verlauf des 19. Jahrhunderts unter der jüngeren Bezeichnung ''Centetes'' bekannt. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich der heute gültige Name durch. Der Bestand des Großen Tenreks gilt als ungefährdet, lokal kann es aber durch intensive Jagd zu Rückgängen kommen.
 
== Merkmale ==
Zeile 33:
Der Große Tenrek ist der größte Vertreter der Tenreks. Ausgewachsene Tiere haben eine [[Kopf-Rumpf-Länge]] von 26,5 bis 39&nbsp;cm und einen 1,0 bis 1,5&nbsp;cm langen Schwanz. Das Körpergewicht variiert von 600 bis 2400&nbsp;g je nach Jahreszeit,<ref name="Nicoll 2009"/><ref name="Garbutt 2007"/> Tiere in Gefangenschaft können bis zu 3000&nbsp;g wiegen.<ref name="Eisenberg et al. 1970"/> Männchen sind in der Regel etwas schwerer als Weibchen. Der Körper ist ausgesprochen muskulös gebaut. Am Rücken besteht kein echtes Stachelkleid, sondern lediglich ein borstiges Fell aus 27 bis 60&nbsp;mm langen Haaren, das mit kürzeren, 8 bis 15&nbsp;mm langen Stacheln durchsetzt ist. Am Nacken und auf dem Kopf sind die Stacheln, die kurz und dick (10 bis 15&nbsp;mm) oder lang und schlank (18 bis 24&nbsp;mm) sein können, dichter ausgebildet.<ref name="Zherebtsova 2006"/> Die Stacheldichte geht meist mit dem Lebensalter der Tiere zurück. Aus dem Fell ragen zusätzlich lange, schwarze Haare als Tastorgane. Die Färbung des Rückenfells variiert je nach geographischer Region und reicht von rötlich- über gelblich- bis agouti braun. Weibchen sind meist etwas dunkler gefärbt als Männchen. Die Unterseite zeigt sich spärlich behaart und cremefarben. Der Kopf ist hell bräunlich und relativ groß, er nimmt fast ein Drittel der Gesamtlänge eines Tieres ein.<ref name="Dobson 1883"/> Der Große Tenrek hat außerdem eine sehr breite Gestalt. Es zeigt sich ein deutlicher [[Geschlechtsdimorphismus]], da bei Männchen die Augen deutlich weiter auseinander stehen. Das breite Gesicht wird bei den Männchen durch den mächtigen [[Musculus masseter]] bewirkt. Zusätzlich ist die Schnauze langgestreckt und mit markanten [[Vibrisse]]n ausgestattet. Die Vorderbeine sind länger als die Hinterbeine, Hände und Füße weisen jeweils fünf Strahlen auf und verfügen über kurze, kräftige Krallen.<ref name="Herter 1962"/><ref name="Nicoll 2009"/><ref name="Eisenberg et al. 1970"/><ref name="Garbutt 2007"/> Die Weibchen besitzen 12 bis 14 [[Zitze]]npaare.<ref name="Poduschka 1996"/><ref name="Jenkins 2018"/>
 
Jungtiere unterscheiden sich deutlich von ausgewachsenen Individuen. Sie haben bis zu einer Körperlänge von 16&nbsp;cm eine dunkelbraune Rückenfärbung, die von fünf längsgerichteten Streifen aus weißlichen Stacheln unterbrochen wird. Auf der Mittellinie befindet sich ein [[Stridulationsorgan]] wie es vergleichbar bei den [[Streifentenreks]] vorkommt. Es erstreckt sich auf einer Länge von 40&nbsp;mm und einer Breite von 2&nbsp;mm und besteht aus 30 bis 80 Stacheln. Diese stehen in drei bis fünf Reihen und haben eine cremefarbene Tönung. Sie sind hier in eine spezielle Unterhautmuskulatur eingebettet und können durch Anspannung der Muskeln aneinander reiben, wodurch Töne erzeugt werden. Im Übergang zum ausgewachsenen Tier gehen das Streifenmuster und das Stridulationsorgan verloren und werden durch einfachere Haare und Borsten ersetzt.<ref name="Gould 1965"/><ref name="Eisenberg et al. 1970"/><ref name="Zherebtsova 2006"/><ref name="Jenkins 2018"/>
 
=== Schädel- und Gebissmerkmale ===
Zeile 41:
=== Skelettmerkmale ===
[[Datei:Tenrec ecaudatus 0zz.jpg|mini|Skelett des Großen Tenreks]]
Die Wirbelsäule setzt sich aus 7 Hals-, 17 bis 19 Brust-, 4 bis 7 Lenden-, 2 bis 3 Kreuzbein- und 8 bis 10 Schwanzwirbeln zusammen.<ref name="Leche 1907"/> Die weitgehend generalisierte, bodenbewohnende Lebensweise des Großen TenrekTenreks lässt sich auch am Skelettbau erkennen. Das [[Schulterblatt]] hat eine kurze und hohe Form und weicht so von der langschmalen grabender Tenreks ab. Der [[Oberarmknochen]] ist beim Großen Tenrek, verglichen mit anderen Tenreks, deutlich länger als die [[Radius (Anatomie)|Speiche]]. Er besitzt einen massiv ausgebildeten Großen Rollhügel, was für kraftvolle Längsbewegungen des Vorderbeins spricht. Dagegen ist der Kleine Rollhügel eher verkleinert, als Ansatzstelle des [[Musculus subscapularis]] verweist dies auf geringere Rotationsfähigkeiten des Arms. Ebenso zeigt die deltopectorale Leiste am Humerusschaft nur eine geringe Entwicklung. Das untere Gelenkende ([[Ellenbogengelenk]]) ist vergleichsweise breit. Da hier ein Teil der Unterarmmuskulatur entspringt, kann auf eine gewisse Kratz- und Grabbefähigung geschlossen werden. Dies unterstützt auch der verhältnismäßig lange obere Gelenkfortsatz ([[Olecranon]]) der [[Ulna|Elle]], der etwa 23 % der Länge des Gesamtknochens ausmacht. Das Gelenkende am unteren Schaftende zur Artikulation mit der Hand ist eher breit und flach gestaltet. An den [[Handwurzelknochen]] treten keine Verwachsungen auf, wie sie bei einigen grabenden Arten nachgewiesen sind. Sie haben zudem eine eher lange Form, während die Fingerglieder kurz erscheinen. Der [[Prepollex]], eine fingerartige Verlängerung am [[Großes Vieleckbein|Großen Vieleckbein]] zur Innenseite des Daumens hin, ist sehr lang. Die Krallen wiederum wirken sehr lang und flach, sie sind nicht so stark gebogen wie bei baumkletternden Tenreks.<ref name="Salton et al. 2008"/><ref name="Salton et al. 2008b"/> Am Hinterfuß deuten die etwas aufgewölbteren [[Knöchel]] stärkere Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit an, außerdem spricht der kräftige Nacken des [[Sprungbein]]s für eine terrestrische Fortbewegung. Dem gegenüber verweist der gerundete Kopf des Sprungbeins auf eine gewisse Befähigung zum Klettern.<ref name="Salton et al. 2004"/>
 
== Verbreitung und Lebensraum ==
Zeile 52:
Die Lebensweise des Großen Tenreks ist relativ gut erforscht, sie wurde an Freilandtieren auf Madagaskar und den Seychellen studiert. Die Tiere sind hauptsächlich nachtaktiv mit einer [[Bimodale Verteilung|bimodalen Verteilung]]: die erste Aktivitätsphase findet am frühen Abend zwischen 19:30 und 21:00 Uhr statt mit einem Höhepunkt um 20.00 Uhr. Die zweite erstreckt sich von 00:30 bis 05:00 Uhr mit der Hauptaktivität von 01:00 bis 02:00 Uhr. Über das Jahr gesehen haben die Tiere ebenfalls eine zyklische Aktivität. Im Südwinter (Mai bis Oktober), wenn die Nahrungsressourcen zurückgehen, verfallen sie in einen [[Torpor]], der mitunter bis zu sechs Monate anhalten kann. Der Große Tenrek ist bodenbewohnend und bewegt sich dabei im [[Kreuzgang (Biologie)|Kreuzgang]] vorwärts. Er kann zudem gut schwimmen und durchquert so Reisfelder. Auch beim Klettern in Felsen wurde er bereits beobachtet, auf Bäumen sieht man ihn hingegen fast nie. In unbekanntem Gelände bewegt sich der Große Tenrek langsam vorwärts, pausiert häufig und schnüffelt beständig in der Luft, manchmal hebt er dabei ein Vorderbein, bleibt aber ansonsten reglos stehen. Teilweise stößt er auch pfeifartige Laute aus, die wohl der Kommunikation mit Artgenossen dienen. Durch Zungenklicks können die Tiere hochfrequente Töne im Bereich von 10 bis 16&nbsp;[[Hertz (Einheit)|kHz]] und mit einer Dauer von 0,1 bis 3,6&nbsp;ms erzeugen. Sie gehören wahrscheinlich zu einer einfachen [[Echoortung (Tiere)|Echoortung]], mit der sich die Tiere ebenfalls orientieren. Im Gegensatz zu anderen Tenreks ist beim Großen Tenrek der [[Visuelle Wahrnehmung|Sehsinn]] besser entwickelt und wird auch aktiv eingesetzt.<ref name="Gould 1965"/><ref name="Eisenberg et al. 1970"/><ref name="Jenkins 2018"/>
 
Der Große Tenrek nutzt individuelle [[Aktionsraum|Aktionsräume]] von 1 bis 3&nbsp;ha Größe, die Ausmaße sind abhängig vom Nahrungsangebot. Sie überlappen sich im Grenzgebiet mit denen anderer Individuen. Die Ruhezeit verbringen die Tiere in natürlichen oder selbst gegrabenen unterirdischen Bauen. Die Baue variieren je nach Jahreszeit, Alter und Geschlecht. Einer von zwei untersuchten Bauen bei [[Ivohibe]] im südöstlichen Madagaskar, die während des Südwinters in Benutzung waren, hatte eine Länge von rund 2&nbsp;m, wobei die ersten anderthalb Meter flach unter dem Erdboden verliefen und der Tunnel dann nach unten abknickte und 30&nbsp;cm unter der Erde endete. Der Eingang war mit Blättern abgedeckt. Weibchen mit Nachwuchs legen kompliziertere und tiefere Tunnel an, die zwei Eingänge haben, so dass der Bau eine Y-Form erhält. Männchen nutzen dagegen wohl flachere Baue. Die Tunnel befinden sich häufig an Flusshängen unter Baumwurzeln oder umgefallenen Bäumen. Sie enden blind in einer Nestkammer aus Pflanzenmaterial. Einige vermessene Nestkammern waren 8 bis 13&nbsp;cm lang, 13 bis 18&nbsp;cm weit und 7 bis 11,5&nbsp;cm hoch.<ref name="Rand 1935"/><ref name="Herter 1962"/><ref name="Petter et al. 1963"/> Die Pflanzenteile werden von den Tieren im Maul heran transportiert. In den Tunneln herrscht ein weitgehend ausgeglichenes Klima. Die Innentemperaturen in Tiefen von 6 &nbsp;bis 8&nbsp;cm betragen 19,7 bis 25,5&nbsp;°C bei Außentemperaturen von 18 bis 29&nbsp;°C. Zum Schlaf rollen sich die Tiere auf den Hinterbeinen hockend ein oder liegen seltener seitlich, bei hohen Temperaturen nehmen sie eine gestreckte Position ein. Das [[Komfortverhalten]] besteht aus Kratzen mit dem Hinterfuß und Lecken. Das für andere Igeltenreks und auch die [[Kleintenreks]] (''Microgale'') teils typische „Gesichtwaschen“ mit beiden Vorderbeinen kommt beim Großen Tenrek nicht vor.<ref name="Herter 1962"/><ref name="Eisenberg et al. 1970"/><ref name="Garbutt 2007"/><ref name="Jenkins 2018"/>
 
[[Datei:A tenrec in defensive mode, Horniman Museum, London.JPG|mini|Präparat eines Großen Tenreks in Verteidigungshaltung]]
Zeile 72:
Die [[Tragzeit]] beträgt 58 bis 64 Tage, die Dauer wird wahrscheinlich durch den Torpor des Muttertieres beeinflusst, was ebenfalls vom [[Erdtenrek]] (''Geogale'') belegt ist.<ref name="Nicoll 2009"/> Etwa 25 % aller trächtigen Weibchen zeigen eine [[Polyovulation]], bei der bis zu 5 Eizellen in den [[Ovarialfollikel|Follikel]] eingelagert sind. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Follikel sich nicht mit Flüssigkeit füllen, um einen Graafschen Follikel zu bilden, vielmehr reißt der feste Follikel langsam auf und die Eizelle wandert zur Befruchtung zur Oberfläche.<ref name="Nicoll et al. 1985"/><ref name="Nicoll 2009"/> Kurz vor der Geburt steigert das Weibchen die Nestbauaktivitäten und konstruiert ein kugeliges Pflanzennest im hintersten Teil des Baues. Im Durchschnitt kommen 15 Jungtiere zur Welt, die Wurfgröße kann aber bis zu 32 betragen, der Rekord unter den Säugetieren.<ref name="Eisenberg 1975"/><ref name="Poduschka 1996"/> Generell haben Tenreks aus dem trockenen Süden und Südwesten Madagaskars größere Würfe als solche aus dem feuchteren Osten. Untersuchungen von den Seychellen ergaben ebenfalls geringere Wurfgrößen mit maximal 18 bis 20 Jungen. Außerdem reduziert sich die Wurfgröße mit dem zunehmenden Alter der Tiere: Weibchen in der dritten Fortpflanzungsperiode bringen, bedingt durch [[Uterus|intrauterine]] Sterblichkeit oder [[Resorption]] einzelner [[Fötus|Föten]], durchschnittlich weniger Junge zur Welt als solche in der ersten.<ref name="Nicoll 2009"/><ref name="Jenkins 2018"/>
 
Jungtiere kommen als [[Nestling|Nesthocker]] blind und taub zur Welt, sie sind aber weiter entwickelt als bei den meisten anderen Tenreks. Sie sind mit einem charakteristischen, hell-dunkel gestreiften Fell aus 5&nbsp;mm langen Haaren bedeckt und besitzen gut entwickelte Krallen. Die Geburtsgröße liegt bei 84 bis 92&nbsp;mm, das Gewicht beträgt 22,8 bis 27,4&nbsp;g. Außerdem können sie zischende und quiekende Laute ausstoßen und sich auf allen vieren krabbelnd fortbewegen. Das Muttertier ist anfangs besonders wachsam und verteidigt das Nest mit aufgerichteter Halskrause, Bissen und Fußstampfen. Sie leckt ihren Nachwuchs häufig, zum Säugen steht sie schützend über den Jungen. Am siebten Tag sind in den hellen Fellstreifen deutliche Stacheln zu sehen, besonders prominent treten sie am [[Stridulationsorgan]] in der Rückenmitte hervor. Ab dem neunten Tag beginnen sich die Augen zu öffnen, der Prozess dauert aber bis zum 14. Tag an. Ein Kratzreflex ist ab 11 Tagen entwickelt, außerdem kann ein Jungtier zu diesem Zeitpunkt bereits seine Vorder- und Hinterbeine besser koordinieren. Mit drei Wochen unternehmen die Jungen erste Streifzüge zur Nahrungssuche mit der Mutter, hierbei hat das Streifenmuster der Jungtiere einen tarnenden Charakter. Sie laufen in einer Reihe hinter der Mutter und ballen sich um sie, wenn sie Nahrung aufnimmt oder stoppt, etwa bei einer möglichen Gefahr. Bei letzterem stridulieren die Jungen dann, was mit dem Aufstellen der Stacheln und Flucht verbunden ist. Die Funktion der Stridulation bei Jungtieren ist nicht ganz geklärt, möglicherweise übertragen sie damit auch Informationen zu ihrem Standort oder warnen andere Nestmitglieder. Die bei den Rasselgeräuschen der Stacheln erzeugten Frequenzen liegen im Bereich von 12 bis 15&nbsp;kHz.<ref name="Gould 1965"/> Ebenfalls in dieser Periode beginnt die Zeit der Entwöhnung, die Jungtiere haben dann das bis zu 40fache ihres Geburtsgewichtes erreicht.<ref name="Treat et al. 2018"/> Mit etwa 35 Tagen nimmt die Aufmerksamkeit der Mutter ab und die Jungen gehen häufiger alleine auf Nahrungssuche. Von da an bis zum 60. Tag wechselt das Fell und die Jungen bekommen das Haarkleid der Alttiere. Sie sind dann zu Beginn dieses Prozesses durchschnittlich 16&nbsp;cm lang. Danach löst sich der Zusammenhalt der Familiengruppe auf.<ref name="Gould et al. 1966"/><ref name="Eisenberg et al. 1970"/><ref name="Garbutt 2007"/> Die maximale Lebenserwartung von Tieren in menschlicher Gefangenschaft war bisher knapp neun Jahre,<ref name="Weigl 2005"/> für Tiere in freier Wildbahn liegen kaum Daten vor. Auf den Seychellen erreichten nur wenige Weibchen das vierte Lebensjahr.<ref name="Nicoll 2009"/><ref name="Jenkins 2018"/>
 
=== Fressfeinde und Parasiten ===
Zu den wichtigsten [[Fressfeind]]en gehört die [[Fossa]], nach Analysen von 114 Kotproben des Raubtiers aus dem Waldgebiet von Kirindy erreicht der Große Tenrek aber nur einen geringen Individuen- und Biomasseanteil im gesamten Beutespektrum (jeweils rund 2,5 %).<ref name="Rasoloarison et al. 1995"/> Ähnlich selten wurde die Art auch im Nationalpark Ankarafantsika durch die FossaFossas erbeutet, die meisten Tiere kamen zudem im Südsommer zu Tode.<ref name="Dollar et al. 2007"/><ref name="Hawkins et al. 2008"/> Von Bedeutung sind außerdem der [[Madagaskar-BussardMadagaskarbussard]] und die [[Nördliche Madagaskarboa]].<ref name="Lovegrove et al. 2014"/><ref name="Eisenberg et al. 1970"/> Der Große Tenrek kann sich im Gegensatz zum [[Großer Igeltenrek|Großen]] oder zum [[Kleiner Igeltenrek|Kleinen Igeltenrek]] nicht zu einer Kugel zusammenrollen. Im Falle eines Angriffs oder einer Berührung richtet er die borstigen Nackenhaare auf, gibt Zisch- oder Quietschlaute von sich und stampft mit den Füßen. Außerdem zeigt er ein geöffnetes Maul oder beißt. In der Regel flieht ein Tier aber und kann dabei Geschwindigkeiten von 3,6 bis 4,7 km/h erreichen.<ref name="Eisenberg et al. 1970"/> Als äußere [[Parasit]]en sind Flöhe der Gattung ''[[Paractenopsyllus]]''<ref name="Beaucournu et al. 2015"/><ref name="Hastriter et al. 2009"/> und Milben der Gattung ''[[Andreacarus]]'' identifiziert,<ref name="Dowling et al. 2007"/> innere Parasiten schließen neben [[Fadenwürmer]]n<ref name="Eisenberg et al. 1970"/> unter anderem den Einzeller ''[[Eimeria]]'' ein.<ref name="Couch et al. 2011"/> Außerdem tritt der Große Tenrek als Wirt von ''[[Leptospira]]''-Bakterien auf.<ref name="Lagadec et al. 2016"/>
 
== Systematik ==
Zeile 128:
 
== Bedrohung ==
[[Datei:Tailless Tenrec prepared for cooking.jpg|miniatur|küchenfertigerKüchenfertiger Großer Tenrek]]
Der Große Tenrek ist zu einem gewissen Grad [[Kulturfolger]] und kommt sowohl auf Agrar- und Farmland als auch in menschlichen Siedlungen vor. Die Rodung von Wäldern hat keinen großen Einfluss auf den Bestand der Art,<ref name="Ganzhorn et al. 1990"/> in den Trockenwäldern des Südwestens können aber Waldbrände lokal eine Bedrohung sein. In weiten Bereichen Madagaskars wird der Große Tenrek seines Fleisches wegen gejagt. In einigen Gebieten, hauptsächlich um größere Städte herum, kann er durch Überjagung daher verschwunden sein. Regional gibt es bezüglich der Jagd auf den Großen Tenrek einzelne [[Tabu]]s, etwa inim zentral-östlichen Madagaskar, wo die Tiere nur zum Ende des Südsommers im April/Mai erbeutet werden dürfen.<ref name="Jones et al. 2008"/><ref name="Reuter et al. 2016"/> Ebenso gelten die Tiere auf den Maskarenen als Nahrungsressource, während sie auf den traditionell [[Islam|islamischen]] Komoren lange Zeit einem Tabu unterlagen, dieses scheint aber in jüngerer Zeit gelockert zu sein.<ref name="Nicoll 2009"/> Die [[IUCN]] stuft den Großen Tenrek aufgrund seiner weiten Verbreitung und seiner Anpassungsfähigkeit als „nicht gefährdet“ (''least concern'') ein. Er kommt in nahezu allen Naturschutzgebieten Madagaskars vor, zu den wichtigsten zählen etwa der [[Nationalpark Montagne d’Ambre]], der [[Nationalpark Marojejy]], der [[Nationalpark Masoala]], der [[Nationalpark Ankarafantsika]], der [[Nationalpark Isalo]], der [[Nationalpark Zombitse]], der [[Nationalpark Ranomafana]], der [[Nationalpark Andringitra]] und der [[Nationalpark Andohahela]].<ref name="IUCN"/>
 
Seit der Haltungsaufgabe 2015 in Stuttgart wird die Art in Deutschland nicht mehr gepflegt. In Europa gibt es sie in Frankreich, Großbritannien, Polen und Tschechien zu sehen.<ref name="ZTL"/>
Zeile 139:
* Paulina D. Jenkins: ''Tenrecidae (Tenrecs and Shrew tenrecs).'' In: Don E. Wilson und Russell A. Mittermeier (Hrsg.): ''Handbook of the Mammals of the World.'' Volume 8: ''Insectivores, Sloths and Colugos.'' Lynx Edicions, Barcelona 2018, S. 134–172 (S. 164) ISBN 978-84-16728-08-4
* Martin Nicoll: ''The common tenrec, Tenrec ecaudatus.'' Afrotherian Conservation 7, 2009, S. 2–3
* Ronald M. Nowak: ''Walker'sWalker’s Mammals of the World''. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9
 
== Einzelnachweise ==
Zeile 184:
<ref name="Muldoon et al. 2009">Kathleen M. Muldoon, Donald D. de Blieux, Elwyn L. Simons und Prithijit S. Chatrath: ''The Subfossil Occurrence and Paleoecological Significance of Small Mammals at Ankilitelo Cave, Southwestern Madagascar.'' Journal of Mammalogy 90 (5), 2009, S. 1111–1131</ref>
<ref name="Burney et al. 2008">D. A. Burney, N. Vasey, L. R. Godfrey, Ramilisonina, W. L. Jungers, M. Ramarolahy und L. Raharivony: ''New Findings at Andrahomana Cave, Southeastern Madagascar.'' Journal of Cave and Karst Studies 70 (1), 2008, S. 13–24</ref>
<ref name="Goodman et al. 2014">Steven M. Goodman und William L. Jungers: ''Extinct Madagaskar. Picturing the island'sisland’s past.'' University of Chicago Press, 2014, S 1–206 (S. 65–73 und 94–101)</ref>
<ref name="Flacourt 1661">Étienne de Flacourt: ''Histoire de la grande isle Madagascar.'' Paris, 1661, S. 1–471 (S. 152) ([http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k134274j/f182.image])</ref>
<ref name="Buffon 1764">Georges-Louis Leclerc de Buffon: ''Histoire naturelle, générale et particulière.'', ''Tome Douzième.'' Paris, 1764, S. 440–441, S. 450 und Tafel 56 ([http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k975017/f516.image])</ref>
<ref name="Schreber 1777">Johann Christian Daniel Schreber: ''Die Säugthiere in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibungen. Dritter Teil.'' Erlangen, 1777, S. 584 ([http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/schreber1875textbd3/0304?sid=edfaeee5c02952c60900eab492475830]) und ''Tafelband 1'' Tafel 165 ([http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/schreber1841tafelbd1/0368?sid=edfaeee5c02952c60900eab492475830])</ref>
<ref name="Boddaert 1785">Pieter Boddaert: ''Elenchus animalium.'' Rotterdam, 1785, S. 1.174 (S. 129) ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/89677#page/174/mode/1up])</ref>
<ref name="Cuvier 1798">Georges Cuvier: ''Tableau elementaire de l’histoire naturelle des animaux.'' Paris, 1798, S. 1–710 ( 108) ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/42906#page/160/mode/1up])</ref>
<ref name="Lacepede 1799">Bernard Germain Lacépède: ''Tableau des divisions, sous-divisoins, ordres et genres des mammifères.'' Paris, 1799; Nachdruck in den Memoirs de l'Institutl’Institut national des sciences et arts 3, 1801, S. 489–519 (S. 492) ([http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k3218t/f622.image])</ref>
<ref name="Shaw 1800">George Shaw: ''General zoology. Vol. 1'' London, 1800, S. 1–552 (S. 548) ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/180016#page/828/mode/1up])</ref>
<ref name="Illiger 1811">Johann Karl Wilhelm Illiger: ''Prodromus systematis mammalium et avium additis terminis zoographicis utriudque classis.'' Berlin, 1811, S. 1–301 (S. 124) ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/188747#page/146/mode/1up])</ref>
<ref name="Cuvier 1817">Georges Cuvier: ''Le règne animal distribué d’après son organisation.'' Paris, 1817, S. 1–540 (S. 166) ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/18030#page/178/mode/1up])</ref>
<ref name="Desmarest 1820">Anselme Gaëtan Desmarest: ''Mammalogie, ou, Description des espèces de mammifères.'' Paris, 1820, S. 1–276 (S. 162) ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/122179#page/175/mode/1up])</ref>
<ref name="Hilaire 1837">Étienne Geoffroy Saint-Hilaire: ''Notice sur les mammiferes épineux de Madagascar.'' Comptes rendus hebdomadaires des séances de l'Académiel’Académie des sciences 5, 1837, S. 372–374 ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/111958#page/388/mode/1up])</ref>
<ref name="Bonaparte 1838">Charles Lucien Jules Laurent Bonaparte: ''Synopsis vertebratorum systematis.'' Nuovi Annali delle Scienze Naturali 2, 1838, S. 105–133 ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/36617#page/119/mode/1up])</ref>
<ref name="Hilaire 1839">Étienne Geoffroy Saint-Hilaire: ''Tanrec. Cuv. Centetes. Illig. et Éricule. Ericulus. Is. Geoff.'' Magasin de Zoologie Serie 2 1, 1839, S. 1–37 ([http://www.biodiversitylibrary.org/item/123272#page/11/mode/1up])</ref>
Zeile 223:
}}
 
{{Exzellent|12. Dezember 2023|239348467}}
{{SORTIERUNG:Grosser Tenrek}}
[[Kategorie:Tenrekartige]]
[[Kategorie:Endemisches Säugetier Madagaskars]]
{{Kandidat}}