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== Form ==
Der in der Terzine verwendete Vers ist der [[Endecasillabo]]. Eine Terzinen-Strophe besteht aus dreidreien solcher Verse und hat die Reimstruktur {{Reim|aba}}. Der innerhalb der ersten Strophe reimlose zweite Vers findet seine Reimentsprechung erst in der zweiten Strophe, deren Reimschema {{Reim|bcb}} lautet, und nach diesem Muster reimen dann alle weiteren Strophen, ehe am Ende des Gedichts ein einzelner Schlussvers mit dem mittleren Vers der letzten Strophe reimt: {{Reim|cdc, ededed, … yzy, z}}. Die letzten vier Verse kann man dabei als reguläre Terzinen-Strophe mit anschließendem Schlussvers, aber auch als eine vierzeilige Strophe mit [[Kreuzreim]] {{Reim|cdc, ededed, … yzyz}} verstehen und darstellen. Da jeweils ein Reim erst in der Folgestrophe fortgesetzt wird, entwickelt sich eine innere Dynamik. Es gibt keine vorgegebene Strophenzahl; die Terzine zeichnet sich dadurch aus, dass sie immer weiter fließt und erst durch den Schlussvers zur Ruhe kommt.
 
Im Deutschen wird als Vers der [[Jambischer Fünfheber|jambische Fünfheber]] verwendet. Im Gegensatz zum italienischen Vorbild können die Versausgänge sowohl weiblich-unbetont als auch männlich-betont sein; zumeist wird aber die ursprüngliche Form verwendet, also nur weiblich-unbetont schließende Verse.
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{| class="wikitable"
|1
|''Die StundStunden! wo wir auf das helle Blauen''
|A
|-
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== Literaturhistorische Entwicklung ==
Die Ursprünge der Terzine sind in der Forschung heute umstritten. Als Erfinder der Form gilt [[Dante Alighieri]], jedoch ist dies nicht klareindeutig belegt. Die ''[[Divina Commedia]]'' sei also das erste Werk, das aus Terzinen besteht.; Dochdoch auch italienische Humanisten prägten die Gedichtform im 14. Jahrhundert maßgeblich, so beispielsweise [[Francesco Petrarca]] oder auch [[Giovanni Boccaccio]]. Die Terzine hat im [[Humanismus]] vor allem didaktische Absichten, sie tadelt oder lobt. Sie wird jedoch auch alsin der [[Satire]] praktiziertverwendet, beispielsweise von [[Salvator Rosa]]. ImIn Italien verschwindet die Form dannfür einige aberJahrhunderte fast gänzlich und wird erst im 19. Jahrhundert durch [[Giovanni Pascoli]] und [[Gabriele D’Annunzio]] wiederbelebt.
 
== Deutschsprachige Vertreter ==
Die Terzine wurde von [[Paul Melissus]] in die deutsche Dichtung eingeführt. Im 17. Jahrhundert wurde sie von [[Martin Opitz]] und [[Hans Aßmann Freiherr von Abschatz]] benutzt, eigentlich in Gebrauch kam die Terzine aber erst im Zuge der Dante-Rezeption der [[Romantik]] und wurde danach in verschiedener Weise und in verschiedenen Gattungen verwendet, unter anderem auch im Drama (ein Beispiel findet sich in [[August von Platen-Hallermünde|August von PlatenPlatens]]s ''Der romantische Ödipus''). [[Johann Wolfgang Goethe]], der der Form erst skeptisch gegenüberstand, schrieb 1826 ''[[Bei Betrachtung von Schillers Schädel]]'' und gab damit das Vorbild für zahlreiche andere nachdenkliche Betrachtungen in Terzinenform. Eine andere inhaltliche Linie begann mit [[Adelbert von Chamisso]], nach dessen Vorbild (zwischen 1827 und 1838 unter anderem ''Die Ruine'', ''Rede des alten Kriegers Bunte-Schlange'', ''Der Geist der Mutter'') die Terzine für Balladen und poetische Erzählungen genutzt wurde. Noch vor Chamisso hatte [[Friedrich Rückert]] zwischen 1812 und 1817 bedeutende Terzinen-Dichtungen dieser Art geschrieben (unter anderem ''Edelstein und Perle'' 1–22); ein späterer Vertreter der epischen Terzine ist [[Gerhart Hauptmann]]s ''Der große Traum'', ein 1942 abgeschlossenes Terzinen-Epos in 22 Gesängen, während in [[Detlev von Liliencron]]s ''Poggfred. Ein kunterbuntes Epos in 29 Kantussen'' in Terzinen geschriebene Teile mit Teilen in anderen Versformen (oft [[Stanze]]n) wechseln. [[Friedrich Raßmann]] hat in ''Winkelmann an Arcangeli'' die Terzine für eine Heroide genutzt; für die Terzinen-[[Epistel]] allgemein gibt [[August von Platen-Hallermünde|August von Platen]] mit ''An Gustav Jacobs'' ein Beispiel. [[Paul Heyse]] verfasste in ''Der Salamander. Ein Reisetagebuch'' die einzelnen Tagebucheinträge in Terzinen. Auch für Widmungs- und Festgedichte wurde häufig die Terzinenform gewählt; im Kontext des [[Fin de Siècle]] wurde die Terzine unter anderem von Hugo von Hofmannsthal aufgegriffen. In neuerer Zeit hat [[Robert Gernhardt]] sich in Bezug auf Hofmannsthals berühmte Terzine "Über Vergänglichkeit" der Form parodistisch bedient in seinen ''Terzinen über die Vergesslichkeit''<ref>Robert Gernhardt: Gesammelte Gedichte 1954–2004, 3. Auflage, Fischer, Frankfurt am Main 2006, S. 113.</ref>. Eigenständig hat Gernhardt die Terzine in ''DU''<ref>Robert Gernhardt: Gesammelte Gedichte 1954–2004, 3. Auflage, Fischer, Frankfurt am Main 2006, S. 179–180.</ref> verwendet.
 
Gelegentlich wurde die Terzinen-Form in der deutschen Dichtung auch abgewandelt: [[Bertolt Brecht]] beginnt ''Die Liebenden'' mit fünf Terzinen-Strophen, nutzt dann aber für den Schluss des Gedichts davon abweichende Vers- und Reimformen; [[Rainer Maria Rilke]] wählt für ''Die Aschanti'' statt des jambischen den trochäischen Fünfheber und schließt an vier Terzinenstrophen samt Schlussvers einen doppelt kreuzgereimten Achtzeiler an; [[Josef Weinheber]] gestaltet ''An eine Tote'' in daktylischen Fünfhebern (unter Einschluss zweier Sechsheber), in die gelegentlich Trochäen eingemischt sind. Ungewöhnlich behandelt [[Ludwig Braunfels]], der auch eigentliche Terzinen geschrieben hat (''Das Recht auf Korsika''), die Form in ''Des Knaben Reichtum'', indem er an jede Terzinenstrophe noch einen [[Kehrreim]] anfügt.
 
Auch das Reimschema ist abgewandelt worden, vor allem in kürzeren Terzinen-Gedichten; [[Hugo Salus]] nimmt in ''Terzinen'' den Reim der ersten Strophe in der letzten Strophe und im Schlussvers wieder auf, das Reimschema lautet: {{Reim|aba, bcb, cdc, eae, a}}. Das Gedicht schließt dabei auf das Wort "Terzinen":
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Selten wird auf den Schlussvers verzichtet; er fehlt zum Beispiel in August von Platens ''So hat das Glück mich bis hierher geleitet''. Um einen Fuß verkürzt, also vierhebig, erscheint er in [[Ricarda Huch]]s ''Totenfeier I''.
 
Sehr kurze Terzinen aus nur drei Terzinen-Strophen, was zusammen mit dem Schlussvers zehn Verse macht, sind nicht selten; Bei nur zwei Terzinen-Strophen samt Schlussvers kommt das eigentliche Ordnungsprinzip der Form aber nicht mehr recht zur Geltung. Ein Beispiel ist [[Wilhelm von Scholz]]' ''Wandernde Stimme''<ref>Wilhelm von Scholz: Gesammelte Werke, Band 1, Gedichte, Hädecke, Stuttgart 1924, S. 97.</ref>:
 
<poem style="margin-left:2em;font-style:italic;">Durch Täler wandert meine Stimme Laut,
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die sie in sich zurücktrinkt und verhüllt.</poem>
 
Denselben Aufbau, aber mit ausschließlich männlich-betonten Versschlüssen, wählt [[Christian Morgenstern]] in ''Evolution''. Weitere kurze Sestinen finden sich in [[August Sturm]]s 52 Terzinen umfassenden Sammlung ''Terzinen in Waffen'', darunter auch:
 
<poem style="margin-left:2em;font-style:italic;">'''Frage'''
Hat euch das tiefe Grauen nie gefasst:
Was ist das alles? Wie? Wozu? Woher?
Was rollt das alles in der wilden Hast?
 
Dann war euch auch das Leben fremd, nie schwer.</poem>
 
Dieses Gedicht ist als Terzine nur noch durch das Schriftbild (Leerzeile nach dem dritten Vers) und den Zusammenhang (Bestandteil einer Terzinensammlung) erkennbar; der Aufbau ist der eines kreuzgereimten Vierzeilers.
 
== Internationale Vertreter ==
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== Weitere Beispiele ==
Dante AligheriAlighieri, La divina comedia, Beginn<ref>{{Internetquelle |url=http://www.filosofico.net/ladivinacommedia.htm |titel=La divina comeddia |autor=Dante Alighieri |hrsg= |werk= |datum= |sprache=it |zugriff=2016-12-19}}</ref>:
<poem style="margin-left:2em;font-style:italic;">Nel mezzo del cammin di nostra vita
mi ritrovai per una selva oscura
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Johann Wolfgang Goethe, Bei Betrachtung von Schillers Schädel, V1-V9<ref>{{Internetquelle |url=httphttps://www.projekt-gutenberg.spiegel.deorg/buchgoethe/johann-wolfgang-goethe-gedichte-3670/121chap254.html |titel=Bei Betrachtung von Schillers Schädel |autor=Johann Wolfgang von Goethe |hrsg= |werk= |datum= |sprache=de |zugriff=2016-12-19}}</ref>:
:
 
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Fragt niemand mehr, und zierlich tät'ge Glieder,
Die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen.</poem>
 
== Siehe auch ==
*[[Terzanelle]]
 
== Literatur ==
* [[Horst Joachim Frank]]: Handbuch der deutschen Strophenformen. Hanser, München & Wien 1980, S. 64–69.
* Bernheim, Roger: Die Terzine in der deutschen Dichtung von Goethe bis Hofmannsthal. Düsseldorf 1954.
* [[Dieter Burdorf|Burdorf, Dieter]]: Einführung in die Gedichtanalyse, Stuttgart 1995, S. 104–106.
* [[Pia-Elisabeth Leuschner|Leuschner, Pia-Elisabeth]]: Terzine. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 3. Hrsg. von [[Jan-Dirk Müller]] u.&nbsp;a. Berlin, Berlin und New York 2003, S. 590–592.
* Knörrich, Otto Knörrich: ''Lexikon lyrischer Formen,'' zweite(= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 479). 2., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-47902-8, S. 235–237.
 
[[Kategorie:Strophe]]