„Karl Seitz“ – Versionsunterschied
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'''Karl Josef Seitz''' (* [[4. September]] [[1869]] in [[Wien]]; † [[3. Februar]] [[1950]] ebenda) war [[österreich]]ischer Politiker, [[Reichsrat (Österreich)|Reichsratsabgeordneter]], als Vorsitzender der [[Konstituierende Nationalversammlung|Konstituierenden Nationalversammlung]] von [[Deutschösterreich]] Staatsoberhaupt, Parteivorsitzender der [[Sozialdemokratische Partei Österreichs|Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs]] (SDAP) und [[Liste der Bürgermeister von Wien|Bürgermeister von Wien]].
[[Datei:Ferdinand Schmutzer - Karl Seitz, 1925.jpg|miniatur|Karl Seitz <small>([[Ferdinand Schmutzer]] 1925)</small>]]▼
▲[[Datei:Ferdinand Schmutzer - Karl Seitz, 1925.jpg|
== Reichsratsabgeordneter ==
[[Datei:Bundesarchiv Bild 102-07938, Gustav Böss und Karl Seitz.jpg|
Karl Seitz wurde aufgrund des frühen Todes seines Vaters und der finanziellen Not seiner Mutter im städtischen [[Waisenhaus]] erzogen und besuchte anschließend das [[Landes-Lehrerseminar St. Pölten|Landes-Lehrerseminar]] in [[
Als politisch sehr engagierter Junglehrer und Mitglied der „Jungen“ war er Mitbegründer der Freien Lehrerstimme und später [[Obmann]] des Zentralvereins der Wiener Lehrerschaft und Wiener Bezirksschulrat. Im Jahr 1900 heiratete er Emilie Heindl.
1901 kandidierte er für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) und wurde in das [[Abgeordnetenhaus (Österreich)|Abgeordnetenhaus]] des [[Reichsrat (Österreich)|Reichsrates]] als erster sozialdemokratischer Abgeordneter der 4.
== Parlamentsvorsitzender, Parteichef und Staatsoberhaupt ==
Karl Seitz wurde am 21. Oktober 1918 zu einem der drei gleichberechtigten Präsidenten der [[Provisorische Nationalversammlung|Provisorischen Nationalversammlung]] für Deutschösterreich gewählt. Jeweils einer der drei Präsidenten fungierte als ''Präsident im Hause'' (= Vorsitzender der Nationalversammlung), der andere als ''Präsident im Rate'' (= Vorsitzender des [[Staatsrat (Österreich)|Staatsrates]], des Vollzugsausschusses der Nationalversammlung) und der dritte als ''Präsident im Kabinett'' (= Vorsitzender der Staatsregierung). In diesen Funktionen wechselten sich die Präsidenten nach einer vereinbarten Reihenfolge laut Gesetz wöchentlich ab.<ref>[
Nach dem Tode [[Victor Adler]]s am 11. November 1918 wurde Seitz Parteivorsitzender und Leiter des Parlamentklubs der Sozialdemokraten, die bei der Wahl der [[Konstituierende Nationalversammlung|Konstituierenden Nationalversammlung]] am 16. Februar 1919 die stärkste Kraft wurden. Vom 5. März 1919
▲Karl Seitz wurde am 21. Oktober 1918 zu einem der drei gleichberechtigten Präsidenten der [[Provisorische Nationalversammlung|Provisorischen Nationalversammlung]] für Deutschösterreich gewählt. Jeweils einer der drei Präsidenten fungierte als ''Präsident im Hause'' (= Vorsitzender der Nationalversammlung), der andere als ''Präsident im Rate'' (= Vorsitzender des [[Staatsrat (Österreich)|Staatsrates]], des Vollzugsausschusses der Nationalversammlung) und der dritte als ''Präsident im Kabinett'' (= Vorsitzender der Staatsregierung). In diesen Funktionen wechselten sich die Präsidenten nach einer vereinbarten Reihenfolge laut Gesetz wöchentlich ab.<ref>[http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=sgb&datum=1918&page=245&size=45 Gesetz vom 19. Dezember 1918, StGBl. Nr. 139 / 1918 (= S. 222)]</ref> Als einer der drei Präsidenten erhielt er am 8. November 1918 ein Grußtelegramm von US-Präsident [[Woodrow Wilson]], in dem dieser seiner Freude Ausdruck gab, dass „die souveränen Völker nun das Joch der österreichisch-ungarischen Monarchie abgeworfen“ hätten.<ref>Gordon Brook-Shepherd: ''Um Krone und Reich. Die Tragödie des letzten Habsburgerkaisers.'' Molden, Wien 1968, S. 249.</ref>
Nach den ersten [[Nationalratswahl in Österreich 1920|Nationalratswahlen am 17. Oktober 1920]], bei denen die Konservativen stärkste Kraft wurden, beendeten die Sozialdemokraten unter
▲Nach dem Tode [[Victor Adler]]s am 11. November 1918 wurde Seitz Parteivorsitzender und Leiter des Parlamentklubs der Sozialdemokraten, die bei der Wahl der [[Konstituierende Nationalversammlung|Konstituierenden Nationalversammlung]] am 16. Februar 1919 die stärkste Kraft wurden. Vom 5. März 1919, dem Tag seiner Wahl zum Präsidenten der [[Konstituierende Nationalversammlung|Konstituierenden Nationalversammlung]], bis zur Wahl und zur Angelobung des ersten [[Bundespräsident (Österreich)|Bundespräsidenten]], [[Michael Hainisch]], am 9. Dezember 1920 fungierte Seitz verfassungsgemäß auch als (alleiniges) Staatsoberhaupt. Die Nationalversammlung hielt unter seinem Vorsitz ihre letzte Sitzung am 1. Oktober 1920 ab, dem Tag, an dem sie das [[Bundes-Verfassungsgesetz]], Hauptbestandteil der aus mehreren Gesetzen bestehenden [[Bundesverfassung (Österreich)|Bundesverfassung]], beschloss.
▲Nach den ersten [[Nationalratswahl in Österreich 1920|Nationalratswahlen am 17. Oktober 1920]], bei denen die Konservativen stärkste Kraft wurden, beendeten die Sozialdemokraten unter Seitz' Führung auf Betreiben [[Otto Bauer (Politiker, 1881)|Otto Bauer]]s am 22. Oktober 1920 die [[Große Koalition]] und verließen die Regierung. Seitz wurde am 10. November 1920 (dem Tag des In-Kraft-Tretens der Verfassung) zum Zweiten [[Nationalratspräsident (Österreich)|Präsidenten des Nationalrates]] gewählt. Unabhängig davon wirkte er 1919 / 1920 wesentlich an der [[Trennungsgesetz|Trennung Wiens von Niederösterreich]] mit.
== Wiener Bürgermeister ==
[[Datei:Eröffnung Reismannhof.jpg|mini|Eröffnung des Reismannhofes in der [[Längenfeldgasse]] durch Seitz, 1926]]
[[Datei:2008.05.16.KarlSeitz1869-1950.Karl-Seitz-Hof.Vienna.JPG|miniatur|Skulptur vor dem [[Karl-Seitz-Hof]]]]▼
[[Datei:Svoboda-Hof 02.jpg|mini|Tafel an einem Wiener [[Gemeindebau]] mit Hinweis auf die [[Wohnbausteuer]] und Nennung von Karl Seitz, [[Hugo Breitner]], [[Franz Siegel]] und [[Anton Weber (Politiker, 1878)|Anton Weber]]]]
▲[[Datei:2008.05.16.KarlSeitz1869-1950.Karl-Seitz-Hof.Vienna.JPG|
1923 folgte er [[Jakob Reumann]] als Wiener Landeshauptmann und [[Bürgermeister]] nach (siehe [[Landesregierung und Stadtsenat Seitz I]] bis Seitz III) und blieb bis zu seiner Amtsenthebung und Verhaftung
1923 gewährte Seitz [[Imre Békessy]] „das ersehnte Heimatrecht, wodurch seine Doppelstaatsbürgerschaft in Österreich und Ungarn möglich wurde“.<ref>[[Armin Thurnher]]: ''„Hinaus aus Wien mit dem Schuft!“'' In: ''[[Falter (Zeitung)|Falter]]'', Wien, Nr. 16/2008 (16. April 2008), S. 21.</ref> Der von [[Karl Kraus]] seiner Unseriosität bzw. Kriminalität wegen bekämpfte Zeitungsverleger kehrte 1926 von einem Auslandsaufenthalt nicht mehr nach Wien zurück, nachdem der Geschäftsführer seines Verlages wegen Erpressung verhaftet worden war.
Während Seitz’ Amtszeit als Wiener Bürgermeister fand eine politische Radikalisierung statt: Der [[Justizpalastbrand]] von 1927 markiert dabei als Wendepunkt den Verfall der demokratischen Republik. Im selben Jahr verübte Richard Strebinger ein [[Attentat]] auf Seitz.
== In zwei Diktaturen ==
Im März 1933 erfolgte die von [[Engelbert Dollfuß]] so genannte „[[Selbstausschaltung des Parlaments]]“, gegen die der Bundespräsident als Hüter der Verfassung nichts unternahm. Nach dem [[Österreichischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg]] (sozialdemokratische Lesart) bzw. dem Februaraufstand (konservative Lesart) 1934
Im Zuge des [[Anschluss Österreichs|„Anschlusses“]] Österreichs folgte 1938 eine kurze Haftzeit. 1939 trat Seitz aus der römisch-katholischen Kirche aus, wobei er jedoch in Kontakt mit der Widerstandsgruppe rund um Kaplan [[Heinrich Maier (Theologe)|Heinrich Maier]] stand. Im Zusammenhang mit dem [[Attentat vom 20. Juli 1944]] auf [[Adolf Hitler|Hitler]] erfolgte seine [[Internierung]], darunter auch im [[KZ Ravensbrück]]. Nach der Entlassung aus dem KZ kurz vor Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] wurde er in die [[Thüringen|thüringische]] Kleinstadt [[Plaue]] verbannt.
== Zweite Republik ==
[[Datei:2016-02-20 (145) Wien11 Zentralfriedhof Grab Pernerstorfer; Adler, Seitz, Bauer.JPG|mini|[[Wiener Zentralfriedhof]] – Grabanlage mit den letzten Ruhestätten von [[Victor Adler]], [[Otto Bauer]], Karl Seitz und [[Engelbert Pernerstorfer]]]]
[[Datei:2008.04.29.KurtGoedel.KarlSeitz.HimmelStr43.Vienna.JPG|miniatur|hochkant|Gedenktafel in Wien [[Grinzing]]]]▼
[[Datei:2016-02-20 (149) Wien11 Zentralfriedhof Grab Pernerstorfer; Adler, Seitz, Bauer.JPG|mini|Detail: Seitz’ Grabtafel]]
▲[[Datei:2008.04.29.KurtGoedel.KarlSeitz.HimmelStr43.Vienna.JPG|
Nach Kriegsende kehrte er mit besatzungstechnisch begründeter Verzögerung
== Ehrungen ==▼
Am 3. Februar 1950 starb Karl Seitz im 81. Lebensjahr an Herzversagen und wurde in einem [[Liste gewidmeter Gräber der Stadt Wien|ehrenhalber gewidmeten Grab]] auf dem [[Wiener Zentralfriedhof]] (Gruppe 24, Reihe 5, Grab Nr. 2) beigesetzt.▼
▲Am 3. Februar 1950 starb Karl Seitz im 81.
Am 16. Juni 1951 wurde eine große, in Seitz' Amtszeit als Bürgermeister errichtete [[Gemeindebau]]anlage im 21. Wiener Bezirk [[Karl-Seitz-Hof]] benannt und auf ihrem zentralen Platz, dem 1998 so benannten Karl-Seitz-Platz, eine von [[Gustinus Ambrosi]] gestaltete Seitz-Skulptur aufgestellt. (Seitz war 1901 als Abgeordneter für [[Floridsdorf]], seit 1905 21. Bezirk, in den [[Reichsrat (Österreich)|Reichsrat]] gewählt worden.)▼
▲== Ehrungen ==
▲Am 16. Juni 1951 wurde eine große, in
1962 wurde rechts an der [[Rathausplatz (Wien)#Denkmäler|Zufahrt vom Burgtheater zum Rathaus]] eine von Gottfried Buchberger geschaffene Bronzestatue von Karl Seitz errichtet. Als Pendant zum Denkmal des letzten demokratischen Bürgermeisters der Ersten Republik steht links an der Zufahrt das Denkmal des ersten Bürgermeisters der Zweiten Republik, [[Theodor Körner (Bundespräsident)|Theodor Körner]].
== Literatur ==
* Harald D. Gröller: ''Karl Seitz. 1869–1950. Ein Leben an Bruchlinien.'' Schmid, Wien 2005, ISBN 3-900607-45-1 (zugleich
* Rudolf Spitzer: ''Karl Seitz. Waisenknabe – Staatspräsident – Bürgermeister von Wien
▲* Harald D. Gröller: ''Karl Seitz. 1869–1950. Ein Leben an Bruchlinien.'' Schmid, Wien 2005, ISBN 3-900607-45-1 (zugleich Univ., Diss., Graz 2003).
* Gerda Irene Wondratsch: ''Karl Seitz als Schulpolitiker. Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg.'' Wien 1978
▲* Rudolf Spitzer: ''Karl Seitz. Waisenknabe – Staatspräsident – Bürgermeister von Wien.'' Deuticke, Wien 1994, ISBN 3-7005-4643-2, (''Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte'' 25), (''Wien Kultur'').
▲* Gerda Irene Wondratsch: ''Karl Seitz als Schulpolitiker. Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg.'' Wien 1978, (Wien, Univ., Diss., 1978).
* [[Anton Tesarek]] (Hrsg.): ''Unser Seitz. Zu seinem achtzigsten Geburtstag. Beitrag zu einer Biographie.'' Volksbuchhandlung, Wien 1949.
* {{ÖBL|12|146|147|Seitz Karl|[[Wolfgang Maderthaner|W. Maderthaner]]}}
* {{NDB|24|206|207|Seitz, Karl Borromäus Josef|[[Michael Gehler]]|119184745}}
* Biographische Daten von ''Karl Seitz.'' In: Niederösterreichische Landtagsdirektion (Hrsg.): ''Biographisches Handbuch des NÖ Landtages: 1861–1921.'' NÖ Landtagsdirektion, St. Pölten 2005, ISBN 3-85006-166-3 ([https://www.landtag-noe.at/images/personen_ausschuesse/1861-1921.pdf PDF, 843 KB]).
* [[Alexander Spritzendorfer]]: ''Karl Seitz. Bürgermeister des Roten Wien''. (Falter Verlag, 2023). ISBN 978-3-85439-729-8.
== Weblinks ==
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* {{Parlament-at|1783}}
* [
▲* [http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wz_reflexionen/kompendium/355114_1920-1934-Karl-Seitz-als-Wiener-Buergermeister.html ''1920–1934: Karl Seitz als Wiener Bürgermeister'']
▲* {{Rwien|11645}}
* {{DNB-Portal|119184745}}
* {{Pressemappe|FID=pe/016330}}
* [
== Einzelnachweise ==
<references />
{{Folgenleiste|AMT=[[Liste der Bürgermeister von Wien|Bürgermeister von Wien]]|VORGÄNGER=[[Jakob Reumann]]|ZEIT=1923–1934|NACHFOLGER=[[Richard Schmitz (
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{{SORTIERUNG:Seitz, Karl}}
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