„Bevölkerungsentwicklung“ – Versionsunterschied

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Kennzeichnend für die Bevölkerungsentwicklung der Welt (siehe [[Weltbevölkerung]]), insbesondere die der letzten 200 Jahre, war ein [[Hyperexponentialverteilung|hyperexponentielles Wachstum]] (additive Überlagerung mehrerer Exponentialverteilungen), weshalb man mitunter auch von ''Bevölkerungsexplosion'' (siehe [[Überbevölkerung]]), spricht. Seit dem [[Wendepunkt]] 1962/63 sinkt hingegen die Wachstumsrate. Der absolute Zuwachs ist relativ konstant und liegt seit 40 Jahren bei ca. 1,5 Mio. Menschen pro Woche.<ref>{{Internetquelle |url=https://population.un.org/wpp/Download/Standard/Population/ |titel=World Population Prospects - Population Division - United Nations |abruf=2021-08-09}}</ref>
 
Wegen seines negativen Einflusses auf die Ressourcen der Erde (siehe auch [[Tragfähigkeit der Erde]], [[Ökologischer Fußabdruck]]) und der Multiplikatorwirkung bei allen Aktivitäten des Menschen, die der [[Nachhaltige Entwicklung|nachhaltigen Entwicklung]] entgegenstehen, ist das Bevölkerungswachstum eines der zentralen globalen Probleme und insofern auch mitverantwortlich für die [[globale Erwärmung]].
 
== Einführung ==
=== Demografische Grundgleichung ===
WieDie bereits eingangs erläutert,Bevölkerungsentwicklung ergibt sich die Bevölkerungsentwicklung auf einer geografischen Fläche
# aus der "''natürlichen" Bevölkerungsentwicklung'', das heißt der Veränderungen aufgrund der Zahl der Geburten und Sterbefälle ([[Geburtenziffer|Geburtenrate]] und [[Mortalität|Sterberate]]) und
# aus dem ''Migrationssaldo'', also die Differenz zwischen Zu- und Abwanderungen ([[Einwanderung|Immigration]] und [[Auswanderung|Emigration]]) über die Gebietsgrenzen hinweg.
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=== Wachstumsraten und Verdopplungszeitraum ===
Das Ausmaß des Bevölkerungswachstums wird als [[Wachstumsrate]] in Prozent (meist bezogen auf ein Jahr) ausgedrückt. Bei einem Wachstum von 1,14 Prozent pro Jahr&nbsp;– entsprechend der geschätzten globalen Wachstumsrate im Jahr 2006&nbsp;– dauert es etwa 61 Jahre, bis sich die Bevölkerung verdoppelt hat&nbsp;– vorausgesetzt, das Wachstum bleibt die ganze Zeit über konstant auf diesem Niveau. Es ist mathematisch eine [[geometrische Folge]]. Beträgt die jährliche Wachstumsrate 2 %, verkürzt sich die [[Verdopplungszeit]] auf 35 Jahre. Bei einer Rate von 3,5 %, die in einigen Ländern erreicht bzw. überschritten wird, beträgt die Verdopplungszeit nur noch 20 Jahre (siehe auch [[72er-Regel]]).
 
== Verlauf der Bevölkerungsentwicklung ==
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Der Wissenschaftler [[Thomas Robert Malthus]] untersuchte im Jahre 1798 das Verhältnis von Bevölkerungswachstum und [[Bodenertrag]] und gelangte zu der [[Prognose]], dass der Bodenertrag nur in [[Arithmetische Folge|arithmetischer Progression]] (1, 2, 3, 4, 5 usw.) wachsen könne, die [[Bevölkerung]] jedoch in [[Geometrische Folge|geometrischer Progression]] (1, 2, 4, 8, 16 usw.) wachse, mit der Folge von [[Hunger]] und [[Armut]].<ref>[[Thomas Robert Malthus]]: ''An Essay on the Principle of Population'', 1798, S.&nbsp;8</ref> Nicht Verbesserungen in der [[Produktion]], sondern [[Empfängnisverhütung|Geburtenkontrolle]] (etwa durch [[Enthaltsamkeit]]) erschien dem Pfarrer Malthus als Möglichkeit, die Armut dauerhaft zu bekämpfen. Erst [[John Stuart Mill]] stützte 1848 diese [[Bevölkerungslehre]] mit dem [[Bodenertragsgesetz|Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag]].<ref>[[John Stuart Mill]]: ''Principles of Political Economy'', Band III, 1848, S.&nbsp;7</ref> Der von Mill beeinflusste [[Neomalthusianismus]] propagierte [[Verhütungsmittel]] zur Geburtenkontrolle, die Malthus noch abgelehnt hatte. Ihre statistischen Prognosen sind heute weitgehend [[Verifizierung|verifiziert]], wie die Bevölkerungsentwicklung zeigt.
 
Um die [[v. Chr.|Zeitenwende]] gab es weniger als 400200&nbsp;Millionen Menschen auf der Erde, <ref>[[Weltbevölkerung#Historische Entwicklung der Weltbevölkerung]]</ref> im Jahre 1650 waren es rund 500&nbsp;Millionen. Im Jahr 1650 betrug die Wachstumsrate 0,3 %. Nach den starken Zuwachsraten während der [[Industrielle Revolution|Industriellen Revolution]] hatte sich die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 1900 mit 1,6&nbsp;Milliarden bereits mehr als verdreifacht. Damals nahm sie jährlich um 0,7 bis 0,8 % zu, was einer Verdopplungszeit von etwa 100 Jahren entspricht. Tatsächlich hatte sie sich bereits im Jahr 1965 verdoppelt (auf 3,3&nbsp;Milliarden Menschen); die Wachstumsrate betrug damals 2 Prozent (Verdopplungszeitraum: 36 Jahre). Die Erdbevölkerung wuchs in Jahren, in denen sich die Wachstumsrate erhöhte, super[[exponentiell]]. Grund für diesen Verlauf war vor allem das starke Sinken der Sterberate bei einem nur langsamen Sinken der Geburtenrate. Ermöglicht wurde diese Entwicklung primär durch die beträchtlichen Ertragssteigerungen einer zunehmend technisierten Landwirtschaft, die industrielle Produktion von [[Stickstoffdünger]] und dessen Einsatz seit dem Zweiten Weltkrieg, sowie durch Erfolge der sogenannten [[Grüne Revolution|Grünen Revolution]]. Ab den 1950er Jahren wurde kontrovers diskutiert, ob eine [[Überbevölkerung]] drohe.<ref>[[Wilhelm Fucks]]: ''Bevölkerungszuwachs – Stillstand in 70 Jahren.'' In: [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-28956068.html ''Der Spiegel''] 18 (1954)</ref><ref>[[Wilhelm Fucks]]: ''Bevölkerungszuwachs – Stillstand in 70 Jahren.'' In: ''Formeln zur Macht''. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1965, 4., durchgesehene Auflage 1970. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, ISBN 3-499-16601-1.</ref> Von 1960 bis zum Jahr 2022 stieg die Weltbevölkerungszahl von 3 auf 8&nbsp;Milliarden. Auffallend seit den 1950er Jahren ist dabei jedoch das starke Fallen der Geburtenrate (in den 1950er Jahren gebar eine Frau im Durchschnitt noch fünf Kinder, Ende der 1990er Jahre waren es nur noch 2,7). Infolgedessen erreichte die jährliche Wachstumsrate der [[Weltbevölkerung]] ihren höchsten Wert 1963 mit 2,27 %. Seitdem sinkt sie kontinuierlich und lag im Jahr 2020 erstmals wieder unter einem Prozent.
 
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[[Datei:World population.PNG|mini|350px|Abb. 4: Übersicht über die Staaten der Welt und ihre Bevölkerungszahlen]]
[[Datei:Weltarmut.png|mini|350px|Abb. 5: zum Vergleich, die ärmsten Staaten der Welt]]
Das Bevölkerungswachstum in der Welt weist bedeutende Unterschiede auf (vgl. Abbildung 3). Insbesondere muss man unterscheiden zwischen den [[Entwicklungsland|Entwicklungs-]] und den [[Industrieland|Industrieländern]]. Die folgenden Tabellen 2 und 3 zeigen die Zahlenwerte der zehn einwohnerstärksten Entwicklungs- bzw. Schwellenländer und der vier einwohnerstärksten Industrieländer. Die absoluten Zuwachszahlen der Entwicklungsländer pro Jahr sind hoch, sind allerdings rückläufig. Vergleicht man die Abbildungen 3 und 5 miteinander, erkennt man, dass die ärmsten Staaten der Welt auch die höchsten Wachstumsraten haben ([[demografisch-ökonomisches Paradoxon]]). Dies betrifft in erster Linie [[Afrika]] südlich der [[Sahara]], [[Pakistan]], [[Bangladesch]], [[Indonesien]] und die [[Philippinen]]. Die vier letztgenannten gehören gleichzeitig schon heute zu den zehn einwohnerstärksten Ländern der Welt, wie Tabelle 2 zeigt. [[Volksrepublik China|China]] bildet als bevölkerungsreichstes Land der Erde aufgrund seiner [[Ein-Kind-Politik]] einen Sonderfall. Die Wachstumsrate liegt deswegen für ein Entwicklungsland relativ niedrig, das absolute Wachstum beträgt jedoch immer noch knapp sieben Millionen pro Jahr.
 
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Ein Merkmal ist dabei das Entstehen von [[Megastadt|Megastädten]] mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Waren es im Jahr 1975 nur fünf an der Zahl, waren es im Jahr 2014 bereits 28 und werden es im Jahr 2030 voraussichtlich 41 sein, davon die überwiegende Mehrzahl in Asien und Lateinamerika. Insgesamt wächst die städtische Bevölkerung derzeit um etwa 60&nbsp;Millionen jährlich.<ref name=":0">[http://esa.un.org/unpd/wup/Publications/Files/WUP2014-Highlights.pdf World Urbanisation Prospects 2014 Revision] (PDF; 5,13&nbsp;MB; englisch)</ref>
 
Nachfolgende Tabelle&nbsp;4 zeigt die Einwohnerentwicklung heutiger Megastädte zwischen 1955 und 2005. Besonders extrem ist dabei die Entwicklung von Städten in Schwellen- und Entwicklungsländern wie [[São Paulo]] ([[Brasilien]]), [[Mumbai]], [[Delhi]] und [[KalkuttaKolkata]] ([[Indien]]), [[Karatschi]] ([[Pakistan]]), deren Einwohnerzahlen sich in 50 Jahren mindestens verdreifachten, zum Teil sogar verfünfzehnfachten. Die Einwohnerzahl [[Dhaka]]s verdreißigfachte sich gar.
 
[[Datei:Metropolregionen.png|mini|350px|Abb. 7: Verteilung der Megastädte in der Welt]]
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== Siehe auch ==
* [[Zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer]]
* [[Liste der Länder nach Geburtenrate]]
* [[Liste der Länder nach Todesrate]]
* [[Liste der Länder nach Nettomigrationsrate]]
* [[Liste von Staaten und Territorien nach Bevölkerungsentwicklung]]
* [[Liste der Länder nach Bevölkerungswachstumsrate]]
* [[Leslie-Matrix]]
* [[Deutsche Stiftung Weltbevölkerung]]
 
== Literatur ==
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* Rainer Münz, Albert F. Reiterer: ''Wie schnell wächst die Zahl der Menschen? Weltbevölkerung und weltweite Migration.'' Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17271-9.
* [[Danny Dorling]]: ''Population 10 Billion: The Coming Demographic Crisis and How to Survive It.'' Constable, London 2013.
* [[Stephen Emmott]]: ''Ten Billion.'' Penguin, New York 2013, ISBN 978-0-345806475345-80647-5.
 
== Weblinks ==