„Säkularisation“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel|behandelt die Enteignung von kirchlichen Besitztümern. Zum allgemeinen Prozess der Verweltlichung siehe [[Säkularisierung]].}}
Als '''Säkularisation''' wird ursprünglich die [[staatlich]]e Einziehung oder Nutzung [[Kirche (Organisation)|kirchlicher]] Besitztümer (Land oder Vermögen) bezeichnet. Im engeren Sinne versteht man darunter die Säkularisation während des [[Napoleon Bonaparte|napoleonischen]] Zeitalters (d. h. von
In einem weiteren Sinn versteht man unter ''Säkularisation'' allgemein die Abwendung von der Religion und von religiösen Werten als gesellschaftliche Entwicklung; dafür ist jedoch eher die Bezeichnung
== Etymologie ==
Der Begriff leitet sich von lat. ''saeculum'' „Jahrhundert“, „Zeitalter“ und dem davon abgeleiteten Adjektiv ''saecularis'' „säkular“, „weltlich“ ab und bezeichnet allgemein einen Wechsel hin zum „Zeitlichen“ und Weltlichen. Als Begriff für die Enteignung von Kirchengut verwendete schon der französische Gesandte [[Henri II. d’Orléans-Longueville]] am 8. Mai 1646 bei den Verhandlungen zum [[Westfälischer Frieden|Westfälischen Frieden]] in [[Münster]] das Verb ''séculariser''. Er bezeichnete damit den Übergang von katholischen Gütern in protestantischen Besitz.
Das lateinische Substantiv ''saecularisatio'' war zwar bereits 1559 in Verwendung, das entsprechende Verb 1586. Lateinisch ''saecularisatio'' bezog sich damals aber nicht auf Kirchengut, sondern bezeichnete den Übergang von Mitgliedern des in Gemeinschaft lebenden Klerus der Bischofskirchen zu allein lebenden [[Kapitular|Domkapitularen]]. Die Ausgliederung von Kirchengut wurde zu dieser Zeit als ''profanatio sacrae rei'' bezeichnet.<ref>Marie-Luisa Frick, Andreas Oberprantacher (Universität Innsbruck): ''Wiederkehr des Verdrängten? Die ‚Krise‘ der Säkularisierungsthese im Spiegel gegenwärtiger Debatten über das Phänomen ‚Religion‘ in Europa.'' Innsbrucker Diskussionspapiere zu Weltordnung, Religion und Gewalt, Nr. 24, 2008 ([
== Säkularisation vor der Französischen Revolution ==
=== England ab 1535 ===
[[Heinrich VIII. (England)|Heinrich
=== Sachsen ab 1539 ===
Nach seiner Regierungsübernahme am 17. April 1535 ließ der sächsische Herzog [[Heinrich (Sachsen)|Heinrich der Fromme]] am 23. April 1539 den ersten evangelischen Gottesdienst in der [[Dresdner Schlosskirche]] abhalten
=== Heiliges Römisches Reich nach der Reformation ===
In der Zeit der [[Reformation]] muss sorgfältig zwischen Reformation und Säkularisation unterschieden werden.
Infolge der [[Reformation]] und der Auseinandersetzungen des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] wurden auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches durch den Westfälischen Frieden 1648 das [[Erzstift Magdeburg]], das [[Hochstift Halberstadt]], das [[Hochstift Bremen]], das [[Hochstift Minden]] und das [[Hochstift Schwerin]] in weltliche Fürstentümer umgewandelt.▼
Viele geistliche Institutionen schlossen sich der Reformation in ihrer [[Lutherische Kirchen|lutherischen]] Version an, bestanden aber fort. Lutherische [[Erwählter Bischof|''erwählte'' Bischöfe]], katholischerseits als [[Administrator]]en diffamiert, versahen weiterhin geistliche Aufgaben wie die Festlegung [[Liturgie|liturgischer]] Regeln und die Überwachung von [[Pfarrei]]en. Im [[Erzbistum Bremen]] visitierte sogar der dritte und letzte lutherische Erzbischof [[Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf|Johann Friedrich]] dem Vernehmen nach 1625 das katholisch gebliebene [[Kloster Harsefeld]]. Auch eine beachtliche Anzahl von Klöstern bestand weiter, obwohl zumeist große Teile ihrer Liegenschaften säkularisiert wurden. Aus dieser Entwicklung heraus gibt es heute die [[Klosterkammer]] des Bundeslandes [[Niedersachsen]]. Insbesondere waren es Nonnenklöster in den [[Herzogtum Braunschweig|Herzogtümern Braunschweig]] und [[Herzogtum Mecklenburg|Mecklenburg]], die schließlich zu lutherischen [[Damenstift]]en wurden.
Andere Bistümer wurden tatsächlich säkularisiert, sowohl ihre Liegenschaften als auch ihre Kirchenverwaltung umgehend von weltlichen Obrigkeiten übernommen. Ebenso wurden die meisten Klöster schon im Zuge der Reformation aufgehoben, ihre Gebäude oft zu landwirtschaftlichen Zwecken, manchmal aber auch für neu geschaffene Bildungsstätten genutzt, darunter viele der im 16. und 17. Jahrhundert gegründeten [[Akademisches Gymnasium#Liste der frühneuzeitlichen akademischen Gymnasien und Hohen Schulen|akademischen Gymnasien]].
▲
=== Bayern ab 1608 ===
{{Hauptartikel|Säkularisation in Bayern}}
Im 16. Jahrhundert richtete Herzog [[Maximilian I. (Bayern)|Maximilian I.]] auf der Grundlage der Superiorität des Staates ein geistliches Ratskollegium zur Kirchenaufsicht ein. Ab 1608 beanspruchte der Kurfürst das Patronatsrecht, wenn bei Stiftern und Klöstern hierüber Unklarheiten bestanden.<ref>Scheglmann I, S. 2.</ref> 1743 schlug der zum Kaiser gewählte bayerische Kurfürst [[Karl VII. (HRR)|Karl Albrecht]] der Habsburgerin [[Maria Theresia]] vor, Österreich und insbesondere Bayern durch die Säkularisation und Einverleibung von Fürstbistümern zu vergrößern. Maria Theresia lehnte dies als großes Unrecht ab.<ref>Scheglmann I, S. 3 ([
Im Rahmen der [[Aufhebung des Jesuitenordens]] durch Papst [[Clemens XIV.]] (1773) wurden die in Bayern gelegenen Güter des [[Jesuitenorden]]s auf Weisung des Papstes dem kurfürstlichen Schulfonds zur Verfügung gestellt.<ref>Scheglmann I, S. 51.</ref> Im Jahre 1778 gelang einem Prälaten in Aschaffenburg ein Säkularisationsvorhaben: Der Fürsterzbischof von Mainz zog gegen eine nur geringe Entschädigung den Klostergarten eines Kapuzinerklosters ein und verwendete ihn als Schlossgarten und als Holzhof für seine weltliche Hochstiftsregierung.<ref>Scheglmann I, S. 48.</ref> 1783 stimmte Papst [[Pius VI.]] dem Antrag des kurpfalz-bayerischen Kurfürsten [[Karl Theodor (Pfalz und Bayern)|Karl Theodor]] auf Aufhebung der Prämonstratenserabtei Osterhofen und des Augustinerchorherrenstiftes Indersdorf zu.<ref>Scheglmann I, S. 61–72.</ref> 1787 wies der Fürstbischof von Bamberg in einer Visitationsverfügung die Zisterzienserabtei Langheim darauf hin, dass eine Aufhebung der Klöster möglich und der Vorwurf der Prachtliebe deshalb zu vermeiden sei.<ref>Scheglmann I, S. 74.</ref> 1789 verfasste der Jurist [[Maximilian von Montgelas]] eine Denkschrift, in der er eine Säkularisation für wirtschaftlich wünschenswert und aufgrund des Westfälischen Friedens für rechtlich zulässig hielt. 56 v. H. der Hofstellen seien in kirchliches Obereigentum gelangt, und diese Konzentration schädige den Wirtschaftsverkehr.<ref>Weis, Montgelas I, S. 121–125.</ref>
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{{Hauptartikel|Josephinismus}}
Kaiser [[Joseph II. (HRR)|Joseph
== Säkularisation
=== Frankreich ===
Die Säkularisation in Frankreich am Ende des 18. Jahrhunderts bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts geht auf Debatten in der Zeit der [[Aufklärung]] zurück. Sie ist die umfassendste, die bislang stattfand. Beinahe alle geistlichen [[Reichsstand|Reichsstände]] wurden aufgelöst und annähernd 95.000 km² Grundfläche, auf denen mehr als 3 Millionen Menschen lebten, wechselten ihren Herrscher oder Eigentümer.
Die [[französische Nationalversammlung]] beschloss schon zu Beginn der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] am 2. November 1789 in einem Dekret (''Décret des biens du clergé mis à la disposition de la Nation''
Erst mit dem zwischen [[Napoleon Bonaparte]] und Papst [[Pius
=== Italien ===
▲Erst mit dem zwischen [[Napoleon Bonaparte]] und Papst [[Pius VII.]] geschlossenen [[Konkordat von 1801]] kam es zumindest formal wieder zu einer Aussöhnung zwischen der katholischen Kirche und dem französischen Staat.
{{Hauptartikel|Eversione dell’asse ecclesiastico}}
1866 sah sich das junge Königreich Italien mit einem schwierigen und kostspieligen Krieg gegen Österreich konfrontiert (Dritter Unabhängigkeitskrieg). Aufgrund der enormen Kriegsausgaben stieg das Staatsdefizit auf eine bis dahin nicht erreichte Höhe. Die Antwort des Staates auf die schwere Finanzkrise war die Beschlagnahmung von Kircheneigentum. Die Konfiszierungen verschärften den politischen Konflikt mit dem Heiligen Stuhl, der seinen Ursprung in der [[Römische Frage|Römischen Frage]] hatte und erst mit der Unterzeichnung der [[Lateranverträge]] 1929 beigelegt werden konnte.
=== {{Anker|lrd}} Linksrheinische Départements Deutschlands 1802 ===
Anders als im rechtsrheinischen Gebiet fand die Säkularisation in den seit 1798 bestehenden [[Linkes Rheinufer|vier linksrheinischen Départements]], die 1801 im [[Friede von Lunéville|Frieden von Lunéville]] Frankreich zugesprochen worden waren, im Jahre 1802 statt.<ref>[[Wilhelm Janssen (Historiker)|Wilhelm Janssen]]: ''Kleine Rheinische Geschichte'', S. 261.</ref> Grundlage der Säkularisation war das
Alle
Zur Aufbesserung der Finanzen des französischen Staates wurden die säkularisierten Güter in den folgenden Jahren versteigert und gingen überwiegend an private Käufer. Auch die geistlichen Reichsstände wurden aufgehoben und ihr Besitz verstaatlicht.<ref>[[Wolfgang Schieder]] (Hrsg.): ''Säkularisation und Mediatisierung in den vier rheinischen Departements 1803–1813''. Teil V/1 und V/II Roerdepartement.</ref>
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Artikel 35 des Reichsdeputationshauptschlusses ging über die reine Entschädigung sogar hinaus. Die Gebäude und Güter der aufgehobenen [[Stift (Kirche)|Stifte]], [[Abtei]]en und [[Kloster|Klöster]] wurden der Disposition (Verfügungsgewalt) der Landesherren unterstellt.<ref>Georg Mölich, Joachim Oepen, Wolfgang Rosen (Hrsg.): ''Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland.'' Essen 2002, S. 20–21.</ref> Das erlaubte es auch Herrschern, die keinen Territorialverlust erlitten hatten, kirchliche Güter zu ihren Gunsten einzuziehen und ihre Finanzen zu entlasten.
Der Reichsdeputationshauptschluss betraf die geistlichen Kurfürstentümer [[Kurköln|Köln]] und [[Kurtrier|Trier]], das [[Erzstift
Lediglich [[Kurmainz]], dessen verbliebenes rechtsrheinisches Territorium auf das [[Fürstentum Aschaffenburg]] übertragen wurde, wurde nicht aufgelöst. [[Karl Theodor von Dalberg]], der letzte Mainzer Erzbischof, verblieb als Erzkanzler des Reiches.
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Viele Besitztümer der Kirche, unter ihnen auch landständische Klöster oder die bisherigen fürstbischöflichen Residenzen, wurden enteignet und fielen an weltliche Landesherren. Insbesondere profitierten der König von [[Preußen]], der [[Kurfürstentum Bayern|Kurfürst von Bayern]], der Herzog von [[Württemberg]], der Markgraf von [[Baden (Land)|Baden]] und der Landgraf von [[Landgrafschaft Hessen-Darmstadt|Hessen-Darmstadt]] von der Säkularisation. Allein in Baden vervierfachte sich die Fläche des Landes, die Zahl der Einwohner verfünffachte sich durch den Landzugewinn. Württemberg konnte seine Fläche und Einwohnerzahl immerhin verdoppeln.
Durch die Enteignung kirchlicher Güter verlor insbesondere
== Soziale Folgen ==
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== Siehe auch ==
* [[Säkularismus]] und [[Laizismus]]
* [[
* [[Desamortisation in Spanien]]
== Literatur ==
* Marcel Albert: ''Die Gedenkveranstaltungen zum 200. Jahrestag der Säkularisation 1803–2003. Ein kritischer Rückblick''
* Christian Bartz: ''Die Säkularisation der Abtei Laach im Jahre 1802. Eine Fallstudie.''
* Paul Fabianek: ''Folgen der Säkularisierung für die Klöster im Rheinland. Am Beispiel der Klöster Schwarzenbroich und Kornelimünster.''
* [[Reiner Groß]]: ''Geschichte Sachsens.'' Berlin
* [[Volker Himmelein]] (Hrsg.): ''Alte Klöster, neue Herren. Die Säkularisation im deutschen Südwesten 1803. Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2003''. Thorbecke, Ostfildern 2003, ISBN 3-7995-0212-2 (Ausstellungskatalog und Aufsatzband).
* Georg Mölich, [[Joachim Oepen]], Wolfgang Rosen (Hrsg.): ''Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland.''
* Isa Lübbers, [[Martin Rößler (Kirchenmusiker)|Martin Rößler]], Joachim Stüben (Hrsg.): ''Säkularisierung – ein weltgeschichtlicher Prozess in Hamburg.''
* [[Winfried Müller (Historiker)|Winfried Müller]]: ''Ein bayerischer Sonderweg? Die Säkularisation im links- und rechtsrheinischen Deutschland.''
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*
* [[Volker Rödel (Archivar)|Volker Rödel]], [[Hans Ammerich]], Thomas Adam (Hrsg.)'': Säkularisation am Oberrhein'' (= ''Oberrheinische Studien.'' Band 23). Thorbecke, Ostfildern 2004, ISBN 3-7995-7823-4.
* [[Alfons Maria Scheglmann]]: ''Geschichte der Säkularisation im rechtsrheinischen Bayern.'' 3 Bände
* [[Rudolf Schlögl]]: ''Glaube und Religion in der Säkularisierung. Die katholische Stadt – Köln, Aachen, Münster – 1740–1840.'' Oldenbourg, München 1995, ISBN 3-486-56080-8.
* [[Dietmar Stutzer]]: ''Die Säkularisation 1803. Der Sturm auf Bayerns Kirchen und Klöster.'' Rosenheimer Verlagshaus Alfred Förg, 1976, ISBN 3-475-52237-3.
* Hermann Uhrig: ''Die Vereinbarkeit von Art. VII des Friedens von Lunéville mit der Reichsverfassung''
* [[Eberhard Weis]]: ''Montgelas''. Erster Band. ''Zwischen Revolution und Reform 1759–1799''. 2. Auflage. Beck, München 1988, ISBN 978-3-406-32974-6.
* [[Matthias Wemhoff]]: ''Säkularisation und Neubeginn''. Schnell & Steiner, Regensburg 2007, ISBN 978-3-7954-1963-9 (anlässlich der Eröffnung der Ausstellung im Landschaftsverband Westfalen-Lippe-Landesmuseum für Klosterkultur im [[Kloster Dalheim (Lichtenau)|Kloster Dalheim]]).
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
* {{DNB-Portal|4076950-1}}
* [https://www.br.de/radio/bayern2/wissen/radiowissen/geschichte/saekularisation-benediktbeuern-dossier-100.html Säkularisation in Bayern] auf Bayern 2 radioWissen
* [https://www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Gesellschaft_Politik/Saekularisation Säkularisation in Westfalen] auf lwl.org
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<references />
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