„Gewaltmonopol des Staates“ – Versionsunterschied
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Das '''Gewaltmonopol des Staates''' bezeichnet in der [[Allgemeine Staatslehre|Allgemeinen Staatslehre]] die ausschließlich [[staat]]lichen [[Organ (Recht)|Organen]] vorbehaltene [[Legitimation (Politikwissenschaft)|Legitimation]], physische [[Gewalt]] auszuüben oder zu legitimieren ([[Unmittelbarer Zwang]]). Das staatliche Gewaltmonopol gilt in Deutschland
== Grundlagen ==
Den [[Rechtsbegriff]] selbst hat der [[Soziologe]] [[Max Weber]] im Jahr 1919 in seinem Vortrag ''[[Politik als Beruf]]'' geprägt. Das staatliche Gewaltmonopol ist aber in seinem Wesensgehalt
Die Idee des Gewaltmonopols will, dass die Angehörigen eines Gemeinwesens darauf verzichten, Gewalt (z. B. im Wege der [[Selbstjustiz]]) auszuüben. Die Angehörigen verzichten darauf, tatsächliche oder vermeintliche [[Recht]]e und Ansprüche durch individuelle Ausübung von Zwang durchzusetzen. Vielmehr überträgt in Deutschland das Volk in [[Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland|Art.
Das Gewaltmonopol hat vorherige Formen der Konfliktbeseitigung wie [[Fehde]] und [[Blutrache]] als Mittel der Rechtsdurchsetzung abgelöst. [[Wilhelm von Humboldt]] schrieb dazu 1792: „Denn bei der Zwietracht entstehen Kämpfe aus Kämpfen. Die Beleidigung fordert Rache, und die Rache ist eine neue Beleidigung. Hier muss man also auf eine Rache zurückkommen, welche keine neue Rache erlaubt – und diese ist die Strafe des Staats.“<ref name="Humboldt">{{PGDW|humboldw/wirksam/wirk04|Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen|[[Wilhelm von Humboldt]]}}</ref>
Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols begann mit der [[Staatsentstehung]] als solcher. Seit der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] hat sich in Europa der Staat allmählich als einziger Gewaltinhaber gegenüber anderen sozialen Kräften durchgesetzt.<ref>[[Wolfgang Reinhard]], Geschichte der Staatsgewalt, 1999, passim.</ref> Das historische Ziel war die Machtausweitung des jeweiligen [[Monarchie|Monarchen]]. Diese Entwicklung wurde durch eine neue Staatsidee beflügelt, die nicht mehr den gottgewollten Monarchen, sondern eine imaginierte, eigene Substanz des Staates als Träger des Gewaltmonopols betrachtete.<ref>[[Wolfgang Reinhard]], Geschichte der Staatsgewalt, 1999, passim.</ref>▼
== Ausnahmen ==
Die [[Rechtsordnung]] demokratischer Staaten kennt auch Ausnahmen vom Gewaltmonopol des Staates. Dazu zählt
Eine weitere Ausnahme
Das [[Bürgerliches Gesetzbuch|Bürgerliche Gesetzbuch]] definiert einzelne Ausnahmefälle, in denen Bürger im Wege der [[Selbsthilfe (Recht)|Selbsthilfe]] die Realisierung privater Ansprüche gewaltsam durchsetzen dürfen. Diese Ausnahmen stehen jedoch nicht in einem echten Widerspruch zum Gewaltmonopol. Denn einerseits gelten [[Notwehr (Deutschland)|Notwehr]], erklärender Notstand und [[rechtfertigender Notstand]] immer nur dann, wenn der Staat die zu schützenden Interessen nicht schützen kann. Andererseits beziehen die Ausnahmen ihre [[Legitimation (Politikwissenschaft)|Legitimation]] vom Staat, der Vollzugsbeamte als Inhaber der unmittelbaren Staatsgewalt für seine Bürger zuvor (''[[ex ante]]'') definiert hat.▼
▲Das [[Bürgerliches Gesetzbuch|Bürgerliche Gesetzbuch]] definiert einzelne Ausnahmefälle, in denen Bürger im Wege der [[Selbsthilfe (Recht)|Selbsthilfe]] die Realisierung privater Ansprüche gewaltsam durchsetzen dürfen. Diese Ausnahmen stehen jedoch nicht in einem echten Widerspruch zum Gewaltmonopol. Denn einerseits gelten [[Notwehr (Deutschland)|Notwehr]],
Das in der Vergangenheit geltende, lange umstrittene ([[Richterrecht|richterliche]] [[Gewohnheitsrecht|Gewohnheits-)Recht]] von Eltern gegenüber ihren Kindern, zu Erziehungszwecken Gewalt anzuwenden, wurde mit der gesetzlichen Festlegung des Anspruchs des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung abgeschafft (→ [[Kindesmisshandlung#Deutschland|Kindesmisshandlung]]). Ebenso kann die nunmehr mit dem [[Gewaltschutzgesetz]] gesetzlich eingehend geregelte Ausdehnung des staatlichen Gewaltmonopols auf die Familie – und damit auf einen sehr privaten Bereich – als ein weiterer Fall der Nichtanerkennung einer „staatsfreien“ Zone betrachtet werden.▼
▲Das in der Vergangenheit geltende, lange umstrittene ([[Richterrecht|richterliche]] [[Gewohnheitsrecht|Gewohnheits-)Recht]] von Eltern gegenüber ihren Kindern, zu [[Körperstrafe|Erziehungszwecken Gewalt]] anzuwenden, wurde mit der gesetzlichen Festlegung des Anspruchs des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung abgeschafft (→ [[Kindesmisshandlung#Deutschland|Kindesmisshandlung]]). Ebenso kann die nunmehr mit dem [[Gewaltschutzgesetz]] gesetzlich eingehend geregelte Ausdehnung des staatlichen Gewaltmonopols auf die Familie – und damit auf einen sehr privaten Bereich – als ein weiterer Fall der Nichtanerkennung einer „staatsfreien“ Zone betrachtet werden.
Weitgehend anerkannt ist ein privates [[Widerstandsrecht]] für den Fall, dass die staatliche Rechtsordnung versagt oder der Staat selbst zur Bedrohung für die Rechte der Bürger wird. Im [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] ist dies im {{Art.|20|gg|juris}} GG festgehalten ([[Widerstandsrecht#Rechtliche Situation in Deutschland|Widerstandsrecht in Deutschland]]).▼
▲Weitgehend anerkannt ist ein privates [[Widerstandsrecht]] für den Fall, dass die staatliche Rechtsordnung versagt oder der Staat selbst zur Bedrohung für die Rechte der Bürger wird. Im [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] ist dies
▲Eine weitere Ausnahme kann die [[Festnahme#Jedermann-Festnahme|Jedermann-Festnahme]] ({{§|127|stpo|juris}} Abs. 1 [[Strafprozessordnung (Deutschland)|StPO]]) darstellen, auf die sich die private Sicherheitsbranche (z. B. Personen- und Objektschützer, Privatermittler oder Kontrolleure) und nicht-polizeiliche Behörden berufen müssen.
== Geschichte ==
▲Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols begann mit der [[Staatsentstehung]] als solcher. Seit der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] hat sich in Europa der Staat allmählich als einziger Gewaltinhaber gegenüber anderen sozialen Kräften durchgesetzt.
Nach [[Norbert Elias]] ist der Prozess der Durchsetzung des Gewaltmonopols von der Ersetzung körperlicher Zwänge und Bedrohungen (z. B. Fronarbeit, Blutrache, Wegelagerei, triebhaft ausgelebte Gewalt) durch ökonomische Zwänge und durch die Verbreitung der Geldwirtschaft begleitet. Während Elias zufolge Gesellschaften ohne Gewaltmonopol durch eine geringe Arbeits- und Funktionsteilung und kurze, triebgebundene Handlungsketten gekennzeichnet sind, sind die Handlungsketten in Gesellschaften mit stabilem Gewaltmonopol länger und die funktionalen Abhängigkeiten größer. Der Einzelne ist hier geschützt vor dem schockartigen Einbruch körperlicher Gewalt in seinen Alltag, aber er muss seine Affekte zurückdrängen und die langfristigen Aspekte seines Handelns bedenken („Zwang zur Langsicht“); d. h., die Gewalt und insbesondere die Reaktionen auf individuelle Gewalt werden im Laufe des zivilisatorischen Prozesses berechenbar. Körperliche Strafen werden im Laufe der Zeit immer häufiger durch Geld- oder Gefängnisstrafen ersetzt.<ref>[[Norbert Elias]]: ''Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen.'' Band 2: ''Wandlungen der Gesellschaft. Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation'' (= ''Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft.'' 159). Suhrkamp, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-518-09934-6, S. 320 ff., wörtliches Zitat S. 336.</ref>
== Siehe auch ==
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== Literatur ==
* Mattias G. Fischer: ''Reichsreform und „Ewiger Landfrieden“. Über die Entwicklung des Fehderechts im 15. Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495. Zugleich ein Beitrag zu den historischen Grundlagen des staatlichen Gewaltmonopols'' (= ''Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechts-Geschichte.'' Neue Folge, Band 34). Scientia, Aalen 2007, ISBN 978-3-511-02854-1 (Zugleich: Göttingen, Universität, Dissertation, 2002).
* [[Dieter Grimm]]: ''Das staatliche Gewaltmonopol
* [[Thomas Gutmann]], [[Bodo Pieroth]] (Hrsg.): ''Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols
* Stefan Klingbeil: ''Die Not- und Selbsthilferechte: Eine dogmatische Rekonstruktion'' (= ''Studien zum Privatrecht.'' Band 70). Mohr Siebeck, Tübingen 2017, ISBN 978-3-16-155533-6, S. 8
* [[Jan Philipp Reemtsma]]: ''Gewalt. Monopol, Delegation, Partizipation.''
* [[Wolfgang Reinhard]]
* [[Birgit Sauer]]: ''Die Asche des Souveräns. Staat und Demokratie in der Geschlechterdebatte
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Gewaltmonopol}}
* [
* [https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/504265/gewaltmonopol-des-staates/ Gewaltmonopol des Staates], in: [[Bundeszentrale für politische Bildung]], Glossar Innerstaatliche Konflikte
== Einzelnachweise ==
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{{Rechtshinweis}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4257032-3}}
[[Kategorie:Max Weber]]▼
[[Kategorie:Verfassungsrecht]]▼
[[Kategorie:Staatsphilosophie]]▼
[[Kategorie:Staatsgewalt]]
[[Kategorie:Herrschaftssoziologie]]
▲[[Kategorie:Max Weber]]
[[Kategorie:Rechtsstaat]]
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▲[[Kategorie:Verfassungsrecht]]
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