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'''Odo Marquard''' (* [[26. Februar]] [[1928]] in [[Słupsk|Stolp]], [[Hinterpommern]]; † [[9. Mai]] [[2015]] in [[Celle]]<ref>Justus-Liebig-Universität Gießen: [http://www.uni-giessen.de/cms/ueber-uns/pressestelle/pm/pm77-15 ''Universität Gießen trauert um Prof. Odo Marquard'']. Pressemeldung, 11. Mai 2015, abgerufen am 11. Mai 2015; [http://www.giessener-allgemeine.de/Home/Stadt/Uebersicht/Artikel,-Giessener-Philosoph-Odo-Marquard-gestorben-_arid,570101_regid,1_puid,1_pageid,113.html Gießener Philosoph Odo Marquard gestorben] Gießener Allgemeine, 12. Mai 2015</ref>) war ein deutscher [[Philosoph]] und [[Essayist]]. Er war ordentlicher Professor für Philosophie an der [[Justus-Liebig-Universität Gießen]] (1965–1993) und Mitglied des Münsteraner ''Collegium philosophicum'', eines Kreises der [[Ritter-Schule]],<ref>[[Mark Schweda]]: ''Joachim Ritter und die Ritter-Schule. Zur Einführung.'' [[Junius Verlag]], Hamburg 2015, ISBN 978-3-88506-708-5.</ref> dem auch [[Hermann Lübbe]], [[Robert Spaemann]], [[Martin Kriele]] u.&nbsp;a.&nbsp;m. angehörten.<ref>Hermann Lübbe: ''Heitere Hiobsbotschaften: Nachruf auf Odo Marquard'', in: ''Zeitschrift für Ideengeschichte'', Ausgabe Frühjahr 2016 (als PDF [https://www.wiko-berlin.de/wikothek/multimedia/altgier hier] zum Download), S. 117.</ref>
 
Marquard bezeichnete sich selbst als [[Pyrrhonismus|pyrrhonischen]] [[Skeptizismus|Skeptiker]], Usualisten<ref>''Usualismus'' im Sinne Marquards meint die Haltung, an Konventionen und Traditionen respektvoll anzuknüpfen: „Zustimmung zu den Üblichkeiten der Lebenswelt, die jeder Mensch vorfindet.“ Siehe: Egbert Witte: ''Skepsis und Urdoxa. Anmerkungen zur transendentalskeptischen Pädagogik'', in: Matthias Erhardt (Hrsg.), Frank Hörner M.A. (Hrsg.), Ina Katharina Uphoff (Hrsg.): ''Der skeptische Blick, ''. [[VS Verlag für Sozialwissenschaften]] 2011, ISBN 978-3-531-17360-3, s[https://books. 90 {{Google Buch |BuchIDgoogle.de/books?id=Q-wiBAAAQBAJ |Seite&pg=PA90#v=onepage&q&f=false S. 90}}].</ref> und – mit der ihm eigenen Selbst[[ironie]]Selbstironie – als „[[Transzendental]]-[[Belletrist]]en“ oder auch als „transzendentalen [[Unterhaltungskünstler|Entertainer]]“.<ref>Odo Marquard: ''Abschied vom Prinzipiellen. Auch eine [[Autobiographie|autobiographische]] Einleitung.'', inIn: ''Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien''. Reclam (= ''Reclams Universal-Bibliothek.'' Nr.UB 7742). Stuttgart 1982, ISBN 3-15-007724-9, S. 4 und 9.</ref><ref>[[Stefan Groß-Lobkowicz]] : [https://www.theeuropean.de/stefan-gross/10505-was-koennen-wir-von-skeptikern-lernen Vom bleibenden Wert der Skepsis], in [[The European]], 13. Oktober 2015.</ref> Er galtgilt als „[[Virtuose]]„Virtuose des [[Bonmot]]s“.<ref>[https://www.cicero.de/kultur/nachruf-auf-odo-marquard-anti-habermas-kaempfer-gegen-die-wahrheit/59263 Nachruf auf Odo Marquard -Kämpfer gegen die Wahrheit] von [[Alexander Grau (Journalist)|Alexander Grau]], in: [[Cicero (Zeitschrift)|Cicero]], 16. Mai 2015</ref> Wegen seiner Unterhaltsamkeit, der Leichtigkeit seines Stils und seiner [[Pointe|pointiertpointierten]]-, oft doppeldeutigen Formulierungen war Odo Marquard ein viel gefragter Vortragsredner und [[Laudatio|Laudator]]. Durch seinen Wort[[witz]] und [[Esprit gaulois|Esprit]] wurde er auch jenseits der philosophischen Fachkreise bekannt.<ref>[{{Internetquelle |url=https://www.fr.de/kultur/philosoph-marquard-11190561.html ''|titel=Philosoph Odo Marquard ist tot''], in:|datum=2019-01-14 ''Frankfurter|sprache=de Rundschau,'' 12. Mai 2015.|abruf=2023-10-25}}</ref>
 
== Lebensweg ==
=== Kindheit und Jugend ===
Am 26. Februar 1928 wurde Odo Marquard in [[Stolp]], heute polnisch ''Słupsk'', in [[Hinterpommern]], geboren. Sein Vater, Otto Marquard, war Naturwissenschaftler, promovierter Zoologe und Regierungsfischereirat.<ref>''Endlichkeitsphilosophisches. Über das Altern'', S. 83.</ref> Von 1940 bis 1945 war er Internats-Schüler, [[NS-Ordensburg|''Ordensjunker'']] einer [[Adolf-Hitler-Schulen|Adolf-Hitler-Schule]], einer [[NS-Ausleseschule]] in [[Kołobrzeg|Kolberg]] ([[Pommern]]).<ref>''Endlichkeitsphilosophisches. Über das Altern'', S. 96. Zum Folgenden ebd.</ref> 1945 wurde Marquard zunächst als [[Flakhelfer]], dann als Mitglied des [[Volkssturm]]s eingesetzt. Er geriet in amerikanische [[Kriegsgefangene des Zweiten WeltkriegesKriegsgefangener|Kriegsgefangenschaft]], aus der er alsbald entlassen wurde. Später berichtete Marquard über das Kriegsende: „Das Jahr 1945 erlebte ich, gerade 17 geworden und indoktriniert, wie ich war, vor allem als Zusammenbruch. Zurück blieben Irritation, Ernüchterung und Distanz zu weltanschaulichen Doktrinen.“<ref>[https://www.focus.de/kultur/medien/kultur-mut-zur-buergerlichkeit_aid_148915.html ''Mut zur Brüderlichkeit''] [[Stefan Sattler]] im Gespräch mit Odo Marquard, ''Focus Magazin'', Nr. 45, 1994.</ref>
 
Der 17-jährige Marquard musste den Verlust seiner pommerschen Heimat verschmerzen. Als [[Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950#Zwangsaussiedlung|Vertriebener]] suchte er zunächst Zuflucht bei seiner Tante in Ostfriesland, auf der Insel [[Norderney]]. 1946 legte er im [[Hessen|hessischen]] [[Treysa]] zum zweiten Mal das Abitur ab, weil seine in der Adolf-Hitler-Schule bestandene Reifeprüfung im Nachkriegs-Deutschland nicht anerkannt wurde.
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=== Wissenschaftliche Laufbahn ===
Odo Marquard sagte im Rückblick:
{{Zitat|Ich kam in die [[Philosophie]] wie die Wespe in die Cola-Flasche: Weil ich intellektuell naschhaft bin und die Philosophie süß zu sein scheint und weil, als ich merkte, dass sie ernst und gefährlich ist, es schon zu spät war, noch herauszukommen.|ref=<ref>[https://www.n-tv.de/leute/Odo-Marquard-wird-80-article251701.html ''"Wie die Wespe in die Cola-Flasche": Odo Marquard wird 80''] n-tv.de, 25. Februar 2008.</ref>}}
 
Marquard studierte von 1947 bis 1954 studierte er im zerbombtenin [[Münster]] an der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Westfälischen Wilhelms-Universität]] [[Philosophie]] – bei [[Joachim Ritter]] –,sowie [[Germanistik]], [[Kunstgeschichte]], evangelische und katholische [[Theologie]]. 1954 [[Promotion (Doktor)|promovierte]] er in Freiburg an der [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Albert-Ludwigs-Universität]] bei [[Max Müller (Philosoph)|Max Müller]] mit dem Thema ''Zum Problem der Logik des Scheins im Anschluss an [[Immanuel Kant|Kant]]''.
 
Von 1955 bis 1963 war er wieder in Münster an der Westfälischen Wilhelms-Universität als wissenschaftlicher Assistent Joachim Ritters. 1963 [[Habilitation|habilitierte]] er sich dort bei Ritter mit dem Thema ''Über die Depotenzierung der [[Transzendentalphilosophie]]. Einige philosophische Motive eines neueren [[Psychologismus]] in der Philosophie''. Im Anschluss lehrte er als [[Privatdozent]] Philosophie in Münster und wurde zwei Jahre später zum [[Professor#Ordentliche Universitätsprofessuren|ordentlichen Professor]] für Philosophie ernannt.
1954 [[Promotion (Doktor)|promovierte]] Odo Marquard in Freiburg an der [[Albert-Ludwigs-Universität Freiburg|Albert-Ludwigs-Universität]] bei [[Max Müller (Philosoph)|Max Müller]] mit dem Thema: „Zum Problem der Logik des Scheins im Anschluss an [[Immanuel Kant|Kant]]“.
 
Von 1965 bis 1993 lehrte er als ordentlicher Professor bis zu seiner [[Emeritierung]] Philosophie an der [[Justus-Liebig-Universität Gießen]]. Von 1980 bis 1985 war er Mitherausgeber der Werkausgabe ''[[Helmuth Plessner]], Gesammelte Schriften in 10 Bänden'', die im [[Suhrkamp Verlag|Suhrkamp-Verlag]] erschienen ist.<ref>[https://helmuth-plessner.de/literatur/werkausgaben/ ''Werkausgabe''] – Vorstellung der Werkausgabe auf der Website der [[Helmuth Plessner#Helmuth Plessner Gesellschaft|Helmuth Plessner Gesellschaft]].</ref> Von 1985 bis 1987 war er Präsident der [[Deutsche Gesellschaft für Philosophie|Deutschen Gesellschaft für Philosophie]].<ref>Odo Marquard: ''Endlichkeitsphilosophisches'', Reclam, Stuttgart 2013, S. 96.</ref>
1955 bis 1963 war er wieder in Münster an der [[Westfälische Wilhelms-Universität|Westfälischen Wilhelms-Universität]] und zwar als wissenschaftlicher Assistent Joachim Ritters.
 
1963 [[Habilitation|habilitierte]] er sich dort bei Ritter mit dem Thema ''Über die Depotenzierung der [[Transzendentalphilosophie]]. Einige philosophische Motive eines neueren [[Psychologismus]] in der Philosophie''. Im Anschluss lehrte er als [[Privatdozent]] Philosophie in Münster. Er glaubte, damit sein Berufsziel bereits erreicht zu haben, wurde jedoch schon zwei Jahre später – zu seiner Überraschung – von den [[Hochschullehrer|Ordinarien]], die an den damaligen ''Ordinarien-Universitäten'', vor der [[Hochschulreform]], das Sagen hatten, zum [[Professor#Ordentliche Universitätsprofessuren|ordentlichen Professor]] für Philosophie auserkoren.
 
1965 bis 1993 lehrte er als ordentlicher Professor bis zu seiner [[Emeritierung]] Philosophie an der [[Justus-Liebig-Universität Gießen]].
 
1980 bis 1985 war er Mitherausgeber der Werkausgabe ''[[Helmuth Plessner]], Gesammelte Schriften in 10 Bänden'', die im Suhrkamp-Verlag erschienen ist.<ref>[https://helmuth-plessner.de/literatur/werkausgaben/ ''Werkausgabe''] – Vorstellung der Werkausgabe auf der Website der [[Helmuth Plessner#Helmuth Plessner Gesellschaft|Helmuth Plessner Gesellschaft]].</ref>
 
1985 bis 1987 war er Präsident der [[Deutsche Gesellschaft für Philosophie|Deutschen Gesellschaft für Philosophie]].<ref>Odo Marquard: ''Endlichkeitsphilosophisches'', Reclam, Stuttgart 2013, Seite 96</ref>
 
1993 wurde Marquard emeritiert. Danach war er weiterhin wissenschaftlich tätig. So war er an der Herausgabe des 13-bändigen [[Historisches Wörterbuch der Philosophie|Historischen Wörterbuchs der Philosophie]] (HWPh) beteiligt (1971–2007), mit Artikelbeiträgen wie ''[[Anthropologie]], Kompensation, [[Leerformel]], [[Lustprinzip]], [[Das Übel|Malum]]'' u.&nbsp;a.&nbsp;m.<ref>Hermann Lübbe: ''Heitere Hiobsbotschaften: Nachruf auf Odo Marquard'', in: ''Zeitschrift für Ideengeschichte'', Ausgabe Frühjahr 2016 (als PDF [https://www.wiko-berlin.de/wikothek/multimedia/altgier hier] zum Download), S. 117–127, hier S. 120.</ref>
 
Bis ins hohe Alter erhielt der Philosoph zahlreiche Ehrungen sowie Gratulationen in den Medien und war als Festredner und Laudator wegenein seinesgefragter WortwitzesGastredner. undMarquard seinesstarb feinsinnigenim HumorsAlter einvon immer87 wiederJahren nachgefragteram Gastredner,9. undMai dies2015 nichtin nurCelle.<ref>[https://www.uni-giessen.de/ueber-uns/pressestelle/pm/pm77-15 in''Universität akademischenGießen Kreisentrauert um Prof. Odo Marquard''] Pressemeldung der Justus-Liebig-Universität Gießen, 11. Mai 2015.</ref><ref name="giessener-allgemeine.de Gestorben"/>
 
=== Familie ===
Marquard war seit 1960 bis zu seinem Tod im Jahr 2015 mit der [[Romanistik|Romanistin]] Edeltraut Luise Marquard geb. Wlosok verheiratet.<ref>[https://trauer.sueddeutsche.de/todesanzeige/odo-marquard Traueranzeige Odo Marquard] [[Süddeutsche Zeitung]], 23. Mai 2015.</ref> Das Paar hatte einen Sohn und drei Enkelkinder.<ref>[http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/GIAN/20100220/odo-und-traute-marquard-feiern-gold/2230106330001266620400.html ''Odo und Traute Marquard feiern Goldene Hochzeit''], in: Gießener Anzeiger, 20. Februar 2010.</ref> In den letzten zweieinhalb Jahren seines Lebens wohnte Marquard mit seiner Frau in einem [[Seniorenheim]] in Celle, um in der Nähe ihres Sohnes Felix zu sein.<ref>[https://www.cz.de/Celle/Aus-der-Stadt/Celle-Stadt/Celler-trauern-um-Konservativen-mit-Esprit ''Celler trauern um Konservativen mit Esprit''] – Dagny Rößler, in: [[Cellesche Zeitung]] vom 15. Mai 2015</ref> Felix Marquard war Arzt mit einer Praxis für [[Onkologie]] und [[Hämatologie]] in Celle. Er starb im Jahr 2014, ein Jahr vor seinem Vater, bei einem Verkehrsunfall in Australien.<ref>[https://www.cz.de/Celle/Aus-der-Stadt/Celle-Stadt/In-Australien-verunglueckt-Arzt-hinterlaesst-grosse-Luecke-in-Celle ''In Australien verunglückt: Arzt hinterlässt große Lücke in Celle''] Cellesche Zeitung, 24. April 2014.</ref> Edeltraut Luise Marquard starb im Jahr 2020.<ref>[https://lebenswege.faz.net/traueranzeige/edeltraut-luise-marquard Traueranzeige Edeltraut Luise Marquard] FAZ, 23. Mai 2020.</ref>
 
== Philosophisches Schaffen ==
[[Datei:RECLAM-HEFT ABSCHIED VOM PRINZIPIELLEN.jpg|mini|[[Titelblatt]] des ersten der sechs [[Reclams Universal-Bibliothek|Reclam-Bändchen]], in denen Marquards Essays von 1981 bis 2007 erschienen sind]]
 
Odo Marquard hat kein [[Opus magnum]] hinterlassen, sondern stattdessen eine Fülle von [[Essay]]s. Für sein philosophisch-literarisches Genre prägte er den Ausdruck „Transzendental-Belletristik“. Seine Essay-Sammlungen erschienen als preisgünstige [[Reclams Universal-Bibliothek|Reclam-Hefte]] und waren damit einem breiten Publikum zugänglich. Diese Aufsatzsammlungen tragen Titel wie ''Abschied vom Prinzipiellen'' (1981, sechs Aufsätze), ''Apologie des Zufälligen'' (1986, sieben Aufsätze), ''Skepsis und Zustimmung'' (1994, neun Aufsätze), ''Philosophie des Stattdessen'' (2000, 13 Aufsätze), ''Individuum und Gewaltenteilung'' (2004, 12 Aufsätze), ''Skepsis in der Moderne'' (2007, 10 Aufsätze), u.&nbsp;a.&nbsp;m. Viele der Essays sind von Marquard auch als Festvorträge gehalten worden.<ref>[[Florian Felix Weyh]]: ''Pralles Leben im Nebenwerk. Die Gedanken des Odo Marquard''. [https://www.deutschlandfunk.de/pralles-leben-im-nebenwerk.700.de.html?dram:article_id=83434 ''Rezension von Skepsis in der Moderne ''] – Deutschlandfunk vom 11. Januar 2008.</ref>
Odo Marquard hat nicht wie manche Philosophen ein [[Opus magnum]], ein voluminöses Hauptwerk, hinterlassen, sondern stattdessen eine Fülle meisterhafter [[Essay]]s. Sein Genre war die kleine Form, die Essayistik, der eloquente Vortrag, in leichter, pointierter, bisweilen [[Polemik|polemischer]] Formulierung. Mit einem Augenzwinkern prägte er für sein philosophisch-literarisches Genre den Ausdruck „Transzendental-Belletristik“.
 
{{Zitat|Philosophie muss von der Art sein, dass zumindest der Autor sie versteht.
Seine Essay-Sammlungen erschienen als preisgünstige „gelbe [[Reclams Universal-Bibliothek|Reclam-Hefte]]“ und waren somit einem breiten Publikum zugänglich. Diese Aufsatzsammlungen tragen auffällige Titel wie ''Abschied vom Prinzipiellen'' (1981, sechs Aufsätze), ''Apologie des Zufälligen'' (1986, sieben Aufsätze), ''Skepsis und Zustimmung'' (1994, neun Aufsätze), ''Philosophie des Stattdessen'' (2000, 13 Aufsätze), ''Individuum und Gewaltenteilung'' (2004, 12 Aufsätze), ''Skepsis in der Moderne'' (2007, 10 Aufsätze), u.&nbsp;a.&nbsp;m. Viele dieser Essays sind von Marquard auch als Festvorträge gehalten worden.<ref>[[Florian Felix Weyh]]: ''Pralles Leben im Nebenwerk. Die Gedanken des Odo Marquard''. [https://www.deutschlandfunk.de/pralles-leben-im-nebenwerk.700.de.html?dram:article_id=83434 ''Rezension von Skepsis in der Moderne ''] – Deutschlandfunk vom 11. Januar 2008.</ref>
 
{{Zitat
|Philosophie muss von der Art sein, dass zumindest der Autor sie versteht.
|Quelle=Humorvolle Äußerung Odo Marquards kurz vor seinem 80. Geburtstag<ref>Zitiert nach: [https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/odo-marquard-gestorben-skeptischer-philosoph-aus-giessen-tot-a-1033293.html ''Philosoph Odo Marquard gestorben'']. Nachruf auf spiegel.de, 11. Mai 2015.</ref>}}
 
Marquard bemühte sich in seinen Schriften und Vorträgen stets um eine „verständliche und alltagstaugliche Sprache“.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/kultur/geisteswissenschaften-philosoph-odo-marquard-gestorben/11764148.html ''Philosoph Odo Marquard gestorben''] Nachruf in ''[[Der Tagesspiegel]]'', 11. Mai 2015.</ref> Seine Essays verbinden stilistische Eleganz und hintersinnigen Humor mit dem Humanismus des [[Relativismus|relativistischen]] Aufklärers.<ref>[https://oe1.orf.at/artikel/332055/Philosoph-Odo-Marquard-wird-85 Philosoph ''Odo Marquard wird 85''] – im Morgenjournal des Österreichischen Rundfunks, 20. Februar 2013.</ref> Lesegenuss zu bereiten war ihm ein Anliegen. Die Lektüre seiner auch noch so tiefgründigen philosophischen Texte sollte dem Leser Genuss bereiten, und das Genre des Essays erlaubte ihm die dazu notwendige stilistische Leichtigkeit. In Anlehnung an [[Kant]]s [[Transzendentalphilosophie]] versuchte Marquard schreibend, die „Bedingung der Möglichkeit“ von [[Erkenntnis]] zu erkunden. Er ermöglicht es seinen Lesern, an der allmählichen Entstehung seiner philosophische Ideen teilzuhaben. Der Leser wird Zeuge eines Philosophierens, das beständig um Klarheit ringt, „behutsam sich vortastend“.<ref>[[Franz Josef Wetz]], in: ''Odo Marquard. Der Einzelne Vorlesungen zur Existenzphilosophie'', Reclam Nr. 19086, Stuttgart 20013, ISBN 978-3-15-019086-9, S. 239.</ref>
 
In Anlehnung an [[Kant]]s [[Transzendentalphilosophie]] versuchte Marquard schreibend, die „Bedingung der Möglichkeit“ von Erkenntnis zu erkunden. Er ermöglicht es seinen Lesern, an der allmählichen Entstehung seiner philosophische Ideen teilzuhaben. Der Leser wird Zeuge eines Philosophierens, das beständig um Klarheit ringt, „behutsam sich vortastend“.<ref>Franz Josef Wetz, in: ''Odo Marquard. Der Einzelne Vorlesungen zur Existenzphilosophie'', Reclam Nr. 19086, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-019086-9, S. 239.</ref>
{{Zitat
 
|Marquard lesen, das kommt einem Dialog mit einem geistreichen, sensiblen und im hohen Maße unterhaltsamen guten Freund gleich.
{{Zitat|Marquard lesen, das kommt einem Dialog mit einem geistreichen, sensiblen und im hohen Maße unterhaltsamen guten Freund gleich.
|Quelle= Nachruf von [[Jens Hacke]], 2015<ref>''Einwilligung in das Zufällige''. Nachruf von Jens Hacke, 11. Mai 2015, in [https://www.sueddeutsche.de/kultur/nachruf-einwilligung-in-das-zufaellige-1.2475566 ''Einwilligung in das Zufällige''] Süddeutsche Zeitung, 11. Mai 2015.</ref>}}
 
=== Wende zur Skepsis ===
Odo MarquardMarquards frühenfrühe Arbeiten widmen sich besonders den Beziehungen zwischen [[Ästhetik]] und [[Therapeutik]], zum Beispiel der Wiederkehr [[deutscher Idealismus|idealistischer]] Motive [[Friedrich Wilhelm Joseph Schelling|Schellings]] in [[Sigmund Freud]]s [[Psychoanalyse]].<ref>Odo Marquard: ''Über eine Beziehung zwischen Ästhetik und Therapeutik in der Philosophie des neunzehnten Jahrhunderts.''(Vortrag, Münster 22. Oktober 1962) In: ''Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Aufsätze.'' Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1973, 6. Aufl. 2017, ISBN 978-3-518-27994-6, S. 85–106.</ref>
 
Marquard gehörte zur „skeptischen Generation“ (eine Begriffsbildung des Soziologen [[Helmut Schelsky]]).<ref>Helmut Schelsky: ''Die skeptische Generation''. Eine Soziologie der deutschen Jugend'. Diederichs, Düsseldorf/Köln 1957.</ref> Mit dem Zusammenbruch 1945 „kam es zum Enttäuschungsschock; die Folge waren Prozesse der Entpolitisierung und Entideologisierung des jugendlichen Bewusstseins“.<ref>Odo Marquard: ''Abschied vom [[Prinzip|Prinzipiellen'']]. Reclam (UB 7724), Stuttgart 1981, ISBN 3-15-007724-9, S. 5).</ref>
Bei Marquard führte dieser Schock zu seiner „Wende zur [[Skeptizismus|Skepsis]]“, zu seinem „Abschied vom Prinzipiellen“[[Prinzip]]iellen“.<ref>Odo Marquard: ''Abschied vom Prinzipiellen''. Reclam (UB 7724), Stuttgart 1981, ISBN 3-15-007724-9, S. 17.</ref> Dies bedeutet eine Abkehr von [[Absolutheitsanspruch|Absolutheitspositionen]] und [[Letztbegründung]]sversuchen.<ref>Odo Marquard: ''Zur Diätetik der Sinnerwartung.'' In: ''Apologie des Zufälligen. Philosophische Bemerkungen.'', Reclam Universalbibliothek Nr. 8351, Stuttgart 1986, ISBN 3-15-008351-6, S. 53.</ref>
 
''[[Vita brevis, ars longa|Vita brevis]]'', das Leben ist kurz: Die Denkfigur der Endlichkeit durchzieht Marquards Schriften. Die kurze Lebensdauer zwinge den Menschen dazu, die Vorstellung des [[Das Absolute|Absoluten]], des Vollendeten, aufzugeben:
 
{{Zitat|Der Mensch ist kein absolutes Wesen, sondern er ist als endliches Wesen […] ein primärer Taugenichts, der sekundär zum ‚homo compensator‘ wird. Er ist nicht so gut gestellt, dass er es sich leisten könnte, das Unvollkommene zu verschmähen; er ist angewiesen auf [[Stellvertreter|Vize]]<nowiki>lösungen</nowiki>, auf die zweitbesten Möglichkeiten, auf das, was nicht das Absolute ist.
{{Zitat
| Autor= Odo Marquard |Quelle= ''Skepsis als Philosophie der Endlichkeit'', 2004<ref>Odo Marquard, in: ''Individuum und Gewaltenteilung. Philosophische Studien'', Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 13–22, hier S. 13.</ref>}}
|Der Mensch ist kein absolutes Wesen, sondern er ist als endliches Wesen […] ein primärer Taugenichts, der sekundär zum »homo compensator« wird. Er ist nicht so gut gestellt, dass er es sich leisten könnte, das Unvollkommene zu verschmähen; er ist angewiesen auf [[Stellvertreter|Vize]]<nowiki>lösungen</nowiki>, auf die zweitbesten Möglichkeiten, auf das, was nicht das Absolute ist.
| Autor= Odo Marquard |Quelle= ''Skepsis als Philosophie der Endlichkeit'', 2004<ref>Odo Marquard, in: ''Individuum und Gewaltenteilung. Philosophische Studien'', Reclam Universal-Bibliothek Nr. 18306, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 13–22, hier S. 13.</ref>}}
 
Marquard wendet sich gegen ein Übermaß an Sinnerwartung. Die Antwort auf die Frage, ob das Leben sich lohnt, hänge eher an den nächsten als an den letzten Dingen: „Die Menschen verzweifeln nicht, solange sie immer gerade noch etwas zu erledigen haben: die Milch am Überkochen zu hindern. […] dieser kleine Sinn reicht aus, um ein Leben zu führen.“ Diese Bewertung entspricht der Deutung Camus’ in seinem Essay ''[[Der Mythos des Sisyphos]]'', man müsse sich [[Sisyphos]] als glücklichen Menschen vorstellen, weil er immer etwas zu tun hat, sei es auch eine sinnlose Tätigkeit.<ref>Odo Marquard: ''Zur Diätetik der Sinnerwartung.'' In: ''Apologie des Zufälligen. Philosophische Bemerkungen.'', Reclam Universalbibliothek Nr. 8351, Stuttgart 1986, ISBN 3-15-008351-6, S. 49&nbsp;f.</ref>
 
=== Apologie des Zufälligen ===
Ein bekanntes Zitat aus Marquards Essay ''Apologie des Zufälligen'' lautet: „Wir Menschen sind stets mehr unsere Zufälle als unsere Wahl.“<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek(UB 8351) |Ort=Stuttgart |Datum=1968 |Sprache=de |ISBNformalFalschISBN= 3-15-008351-56 |Seiten=127}}</ref> [[Jürgen Kaube]] wählte dieses Zitat als Überschrift seines Nachrufs auf Odo Marquard in der [[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]].<ref>Jürgen Kaube: [https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/zum-tod-des-philosophen-odo-marquard-13587546.html ''Zum Tod von Odo Marquard: Wir Menschen sind stets mehr unsere Zufälle als unsere Wahl''] faz.net, 11. Mai 2015.</ref>
 
Mit seiner Verteidigung („[[Apologetik|Apologie]]“) des Zufalls nimmt Marquard eine Gegenposition zu [[Jean-Paul Sartre]] ein, der in seinem Hauptwerk ''[[Das Sein und das Nichts]]'' das Menschsein an der Möglichkeit zu wählen festgemacht und dies in der Formel ''le choix que je suis'' („die Wahl, die ich bin“) verdichtet hatte.<ref>Jean Paul Sartre: ''L’Être et le Néant. Essai d’ontologie phénoménologique.'' Édition corrigée avec index par Arlette Elkaïm-Sartre. Gallimard, Paris 1943, S. 597, [http://www.philotextes.info/spip/IMG/pdf/l_etre_et_le_neant.pdf französischer Volltext].</ref><ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek(UB 8351) |Ort=Stuttgart |Datum=1968 |ISBNformalFalschISBN= 3-15-008351-56 |Seiten=119}}</ref> Marquard sieht darin ein „Programm der Absolutmachung des Menschen“. Er stellt seine eigene Position dagegen, dass der Mensch nur begrenzt wählen kann und der Zufall eine dominante Rolle spielt: „Wir sind nicht absolut, sondern endlich. Eine Philosophie, die – skeptisch – diese Untilgbarkeit des Zufälligen geltend macht, ist, insofern, die Apologie des Zufälligen.“<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek(UB 8351) |Ort=Stuttgart |Datum=1968 |ISBNformalFalschISBN= 3-15-008351-56 |Seiten=132}}</ref>
 
Marquard unterscheidet dabei das „Beliebigkeitszufällige“ (das, was auch anders sein könnte, weil wir darauf Einfluss haben) und das „Schicksalszufällige“ (das, was auch anders sein könnte, obwohl wir es nicht ändern können):
 
{{Zitat
{{Zitat |Es sind nun – meine ich – überwiegend Zufälle dieser zweiten Art (also Zufälle von der Art des Schicksalszufälligen), die als natürliche und geschichtliche Gegebenheiten und Geschehnisse, welche uns zustoßen, unser Leben ausmachen. Das beginnt – um mit dem Anfang anzufangen – mit unserer Geburt: wir könnten auch nicht – oder zu anderer Zeit, in anderer Weltgegend, in anderer Kultur und Lebenslage – geboren sein; aber wenn wir es nun einmal sind, können wir das alles nicht mehr annullieren.
|Autor=Odo Marquard |Quelle=''Apologie des Zufälligen'', 1986 |ref=<ref name="ADF 128-129">{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam (UB 8351) |Ort=Stuttgart |Datum=1968 |ISBN= 3-15-008351-6 |Seiten=128–129}}</ref>}}
|Autor=Odo Marquard
|Quelle=Apologie des Zufälligen
|ref=<ref name="ADF 128-129">{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek 8351 |Ort=Stuttgart |Datum=1968 |ISBNformalFalsch=3-15-008351-5 |Seiten=128–129}}</ref>
}}
 
Der große Einfluss des Zufalls führt nicht zu Chaos. „Schicksalszufällige“, vom Schicksal zugeteilte Rahmenbedingungen des Lebens sind unter anderem das eigene Geschlecht sowie Umweltfaktoren wie Sprache, Kultur, Tradition und Sitten. Sie prägen das Leben dauerhaft und geben ihm ein hohes Maß an Kontinuität.<ref>Ursula Pfeiffer-Blattner: ''Kontingenz'', in: ''Zeit im Lebensverlauf. Ein Glossar''. Bielefeld, transcript-Verlag, 2020, ISBN 978-3-8394-4862-5, [[doi:10.14361/9783839448625-026]], S. 161–166, hier S. 165.</ref>
 
=== Mut zur Bürgerlichkeit ===
{{Zitat|Vernünftig ist, wer den [[Ausnahmezustand]] vermeidet.
{{Zitat
|Quelle=Odo Marquard: ''Mut zur Bürgerlichkeit'', 2004<ref name="Bürgerlichkeit S. 91">Odo Marquard: ''Mut zur Bürgerlichkeit. Vernünftig ist, wer den Ausnahmezustand vermeidet''. In: ''Individuum und Gewaltenteilung. Philosophische Studien'', Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 91.</ref>}}
|Vernünftig ist, wer den Ausnahmezustand vermeidet.
 
|Quelle=Odo Marquard: Mut zur Bürgerlichkeit, 2004<ref>Odo Marquard: ''Mut zur Bürgerlichkeit. Vernünftig ist, wer den Ausnahmezustand vermeidet''. In: ''Individuum und Gewaltenteilung. Philosophische Studien'', Reclam Universal-Bibliothek Nr. 18306, Stuttgart 2004, S. 91, ISBN 3-15-018306-5</ref>}}
Vernünftig sei, wer statt für gesellschaftspolitische, revolutionäre [[Utopie]]n – „[[Fiat iustitia et pereat mundus|fiat utopia, pereat mundus]]“ –, für die menschliche Endlichkeit und für ihre Kompensationen eintrete.
 
Demokratische, liberale, bewahrenswerte Verhältnisse wie in der Bundesrepublik zugunsten revolutionärer Prinzipien aufs Spiel zu setzen, sei eine „als Reflexion zelebrierte Dummheit“, denn es gebe keine „Nichtverschlechterungsgarantie“.<ref>''Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien.'' Reclam (UB 7724), Stuttgart 1981, ISBN 3-15-007724-9, S. 10.</ref> Nicht die Bürgerlichkeit sei falsch, sondern ihre Verweigerung: die Romantik der Revolution oder die romantische Verklärung des [[Carl Schmitt#Verfassung, Souveränität und Ausnahmezustand|Ausnahmezustands]], den Revolutionäre herbeiführen möchten.
 
Als „Verweigerungverweigerer“ attackiert Odo Marquard seit Anfang der siebziger Jahre mit Wortwitz und Ironie die „linken Negationsapostel“ der [[68er-Bewegung|68er-Generation]] und der [[Kritische Theorie|Kritischen Theorie]].<ref>''Mut zur Bürgerlichkeit''. Er tritt vehement für die [[Freiheitlichefreiheitliche demokratische Grundordnung]] der bürgerlichen Bundesrepublik ein, „obwohl oder gerade weil er ein Skeptiker ist“. [[Stephan Sattler]] im Gespräch mit Odo Marquard, in: ''Focus Magazin'' [https://www.focus.de/kultur/medien/kultur-mut-zur-buergerlichkeit_aid_148915.html ''Focus Magazin Nr. 45 (1994)'']</ref>
 
=== Abschied von der Geschichtsphilosophie ===
{{Zitat|Die Geschichtsphilosophen haben die Welt nur verschieden verändert; es kömmt darauf an, sie zu verschonen.
{{Zitat
|Autor= Odo Marquard|Quelle= ''Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie'', 1982<ref>Odo Marquard: ''Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie'', Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1982, 6. Auflage 2017, ISBN 978-3-518-27994-6, Einleitung, S. 13.</ref>}}
|Die Geschichtsphilosophen haben die Welt nur verschieden verändert; es kömmt darauf an, sie zu verschonen.
|Autor= Odo Marquard|Quelle= Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie, 1982<ref>Odo Marquard: ''Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie'', Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1982, 6. Auflage 2017, ISBN 978-3-518-27994-6, Einleitung, S. 13.</ref>}}
 
Mit dieser pointierten [[Travestie (Literatur)|Travestie]] des bekannten [[Karl Marx|Marx]]-Zitates]]: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern“<ref>Karl Marx: ''11. These über Feuerbach'', [http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_005.htm ''Marxsche Fassung, 1845'']</ref> erteilt Marquard – getreu seinem pointierten Stil – jedweden [[Teleologie#Philosophiegeschichte|teleologischen]] geschichtsphilosophischen Entwürfen eine klare Absage. Nach seiner Überzeugung erstrebe die Weltgeschichte weder ein [[Eschatologie|eschatologisches]] oder [[Soteriologie|soteriologisches]] Ziel, noch lasse sie sich auf solche [[Utopie|utopischen]] Ziele hin steuern.
 
''Weltbeglückungsplänen''<ref>[[Jens Hacke]]: ''Bürgerlichkeit aus dem Geist der Skepsis. Dem Philosophen Odo Marquard zum 80. Geburtstag.'' In: ''[[Die Politische Meinung]].'' Nr. 461, April 2008, S. 70–72 ([https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_13355_1.pdf/bc6ebbc1-6e6f-0512-563c-ceebbc7a522b PDF]; 591 kB).</ref> steht er skeptisch gegenüber. Er wendet sich gegen die menschliche [[Hybris]], ideologisch verblendet, in einer [[Tabula rasa]] mit der Vergangenheit aufräumen und alles neu schaffen zu wollen, statt an die Vernunft des Bestehenden anzuknüpfen.
 
In seiner Schrift ''Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie'' warnt Marquard davor, dass der „ geschichtsphilosophische Ausgang der Menschen aus ihrer [[Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?|selbstverschuldeten Unmündigkeit]] durchaus in der ‚[[Schlüsselgewalt]]‘ ihrer selbstverschuldeten [[Vormundschaft|Vormünder]]“<ref>Odo Marquard: ''Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie'', Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.&nbsp;M. 1982, 6. Auflage 2017, ISBN 978-3-518-27994-6, S. 19.</ref> enden könne.
 
=== Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften ===
{{Zitat |Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher werden die Geisteswissenschaften.
{{Zitat
|Autor=Odo Marquard |Quelle=''Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften'', 1985
|Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher werden die Geisteswissenschaften.
|ref=<ref>Odo Marquard : In: (ders.) ''Einheit und Vielheit''. Philosophische Essays, Reclam Taschenbuch Nr. 20617, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-050040-0, S. 171, 175, 189.</ref>}}
|Autor=Odo Marquard
 
|Quelle=Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften, 1985
Die Geisteswissenschaften sind „erzählende“ Wissenschaften. Sie antworten auf die Geschichtslosigkeit der modernen Welt, der Welt der experimentellen [[Naturwissenschaft]]en. Marquard knüpft an die Überlegungen seines Lehrers Joachim Ritter an und führt aus, dass geisteswissenschaftliche Orientierungen in der modernen technischen Welt nicht etwa überflüssig, sondern geradezu unverzichtbar geworden seien. Sie helfen, den beschleunigten Wandel der modernen Zivilisation durch den Rückgriff auf kulturelle Bestände kompensieren zu können. Den Geisteswissenschaften kommt die Aufgabe zu, die unvermeidlichen Schädigungen der menschlichen Lebenswelt im Zuge des Prozesses der Modernisierung durch ihr Erzählen auszugleichen. „Narrare necesse est“<ref name="Narrare">Odo Marquard: ''Narrare necesse est.'' In: ''Die Politische Meinung.'' Nr. 362, Januar 2000, S. 93–95 ([https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=5b069688-f306-3926-09a7-0f7da0487115&groupId=252038 PDF]; 312 kB).</ref>, Erzählen tut not:
|ref=<ref>Odo Marquard : In: (ders.) ''Einheit und Vielheit''. Philosophische Essays, Reclam Taschenbuch Nr. 20617, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-050040-0, S. 171, 175, 189</ref>
 
}}
{{Zitat |Denn die Menschen: das sind ihre Geschichten. Geschichten aber muss man erzählen. Das tun die Geisteswissenschaften: sie kompensieren Modernisierungsschäden, indem sie erzählen; und je mehr versachlicht wird, desto mehr – kompensatorisch – muß erzählt werden: sonst sterben die Menschen an narrativer [[Atrophie]]. […] Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher werden die Geisteswissenschaften, nämlich als erzählende Wissenschaften.
Die Geisteswissenschaften sind „erzählende“ Wissenschaften. Sie antworten auf die Geschichtslosigkeit der modernen Welt, der Welt der [[experiment]]ellen [[Naturwissenschaft]]en. Marquard knüpft an die Überlegungen seines Lehrers [[Joachim Ritter]]s an und führt aus, dass geisteswissenschaftliche Orientierungen in der modernen technischen Welt nicht etwa überflüssig, sondern geradezu unverzichtbar geworden seien. Sie helfen, den beschleunigten Wandel der modernen Zivilisation durch den Rückgriff auf kulturelle Bestände kompensieren zu können. Den Geisteswissenschaften kommt die Aufgabe zu, die unvermeidlichen Schädigungen der menschlichen Lebenswelt im Zuge des Prozesses der Modernisierung durch ihr Erzählen auszugleichen. „Narrare necesse est“<ref>Odo Marquard: ''Narrare necesse est.'' In: ''Die Politische Meinung'', Nr. 362/Januar 2000, [https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=5b069688-f306-3926-09a7-0f7da0487115&groupId=252038 Volltext], S. 93–95, auf dem Server der [[Konrad-Adenauer-Stiftung]]</ref>, Erzählen tut not:
|Autor=Odo Marquard |Quelle=''Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften'', 1985 |ref=<ref>Odo Marquard: ''Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften''. Vortrag vor der Westdeutschen Rektorenkonferenz. In: Ders., ''Apologie des Zufälligen'', 1986, S. 105, 114.</ref>}}
{{Zitat
|Denn die Menschen: das sind ihre Geschichten. Geschichten aber muss man erzählen. Das tun die Geisteswissenschaften: sie kompensieren Modernisierungsschäden, indem sie erzählen; und je mehr versachlicht wird, desto mehr – kompensatorisch – muß erzählt werden: sonst sterben die Menschen an narrativer [[Atrophie]]. […] Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher werden die Geisteswissenschaften, nämlich als erzählende Wissenschaften.
|Autor=Odo Marquard
|Quelle=Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften
|ref=<ref>Odo Marquard: ''Über die Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften''. Vortrag vor der Westdeutschen Rektorenkonferenz. In: Ders., ''Apologie des Zufälligen'', 1986, S. 105, 114</ref>
}}
 
=== Lob der Vielfalt – Kritik des „Über-Wir“ ===
{{Zitat |Das Über-Wir: das Gewissen, das man – statt es zu haben – nur noch ist: der absolute Diskurs.
{{Zitat
|Autor=Odo Marquard |Quelle= ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethik'', 2004<ref>Odo Marquard: ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethik.'', In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 38–67, hier S. 60.</ref>}}
|Das Über-Wir: das Gewissen, das man – statt es zu haben – nur noch ist: der absolute Diskurs.
|Autor=Odo Marquard |Quelle= Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethik<ref>Odo Marquard: ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethik.'', In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 38–67, hier S. 60.</ref>
}}
 
In „Lob''Lob des [[Polytheismus]]. Über [[Mythos|Monomythie]] und Polymythie“Polymythie''<ref>In: Hans Poser (Hrsg.): ''Philosophie und Mythos. Ein Kolloquium''. De Gruyter, 1979, S. 40 ff., ISBN 978-3-11-007601-1, [[doi:10.1515/9783110862195.40]]</ref> bricht Marquard eine Lanze für die [[Pluralismus (Philosophie)|pluralistische]] Demokratie, für [[Gewaltenteilung]] und die Vielfalt der Meinungen. In der Aufsatzsammlung ''[[Apologetik|Apologie]] des Zufälligen“Zufälligen''<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek(UB 8351) |Ort=Stuttgart |Datum=1986 |ISBNformalFalschISBN= 3-15-008351-56 |Seiten=73}}</ref> setzt er sich ausdrücklich in eine Gegenposition zu ''Philosophien des Prinzipiellen'' mit ihren [[Universalismus (Philosophie)|universellem GeltungsanspruchLetztbegründung]]sversuchen, wienamentlich zur [[Kritische Theorie|Kritischen Theorie]] der [[Frankfurter Schule]] um [[Max Horkheimer]], und [[Theodor W. Adorno]] undsowie zur [[Diskursethik]] um [[Jürgen Habermas]] und [[Karl-Otto Apel]] sowie deren [[Letztbegründung]]sversuche:.
{{Zitat
|Diese Konjunktur des Legitimationsverlangens ist ein Phänomen, das man sehen und darum benennen muss; und weil es alles gewissermaßen zum [[Tribunal]] macht, nenne ich es: die Tribunalisierung der modernen Lebenswirklichkeit.
|Autor=Odo Marquard
|Quelle=Apologie des Zufälligen
|ref=<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek 8351 |Ort=Stuttgart |Datum=1986 |ISBNformalFalsch=3-15-008351-5 |Seiten=11}}</ref>
}}
In dem Essay ''Das Über-Wir''<ref>Odo Marquard: ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethik.'', In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 38–67.</ref> lehnt Marquard die Diskursethik als neue sozialpsychologische [[Metaethik#Metaethik der Diskursethik|Metainstanz]], das „Über-Wir“, als „Übertribunalisierung“ ab. [[Sigmund Freud]]s [[Über-Ich]], das individuelle Gewissen, der innere Kantische Gerichtshof, werde im idealen Diskurs, dem „Gewissensbildiungskollektiv“, zu einem kollektiven Gewissen, zu einem Über-Tribunal, zum „Über-Wir“, das sich nicht mehr an überlieferten Konventionen orientiere. Die Verdächtigungsregel der Diskursethik gegen alle traditionellen Üblichkeiten und Normen lautet: „in dubio contra traditionem, sive conventiones“<ref>Odo Marquard: ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethik.'', In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 46&nbsp;f.</ref> , im Zweifel gegen die Tradition, gegen die Konventionen.<ref>[[Rochus Leonhardt]]: ''Skeptizismus und Protestantismus. Der philosophische Ansatz Odo Marquards als Herausforderung an die evangelische Theologie''. Mohr (Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 44), Tübingen 2003, ISBN 3-16-147864-9, {{Google Buch |BuchID=_fWaSxhNJH4C}}</ref>
 
{{Zitat |Diese Konjunktur des Legitimationsverlangens ist ein Phänomen, das man sehen und darum benennen muss; und weil es alles gewissermaßen zum [[Tribunal]] macht, nenne ich es: die Tribunalisierung der modernen Lebenswirklichkeit.
Marquard kritisiert den [[Diskurs#Jürgen Habermas|herrschaftsfreien Diskurs]] als „Luxusmodell“<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek 8351 |Ort=Stuttgart |Datum=1986 |Sprache=de |ISBNformalFalsch=3-15-008351-5 |Seiten=11}}</ref>, das den absoluten [[Konsens]] zum Ziel habe. „In diesem universalistischen Diskurs ist Vielheit – die Vielfalt der Meinungen – nur als Ausgangskonstellation gestattet.“<ref>Odo Marquard : Einheit und Vielheit. In: (ders.) ''Zukunft braucht Herkunft''. Philosophische Essays, Reclam Taschenbuch Nr. 20617, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-050040-0, S. 220.</ref><ref>[https://www.nzz.ch/feuilleton/der-mensch-als-taugenichts-ein-blick-auf-odo-marquards-denken-ld.1581197 ''Der Mensch ist ein Taugenichts''] – Fabian Thunemann, in [[Neue Zürcher Zeitung|NRZ]], 12. Oktober 2020.</ref>
|Autor=Odo Marquard |Quelle=''Apologie des Zufälligen'', 1986 |ref=<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam (UB 8351 |Ort=Stuttgart |Datum=1986 |ISBN= 3-15-008351-6 |Seiten=11}}</ref>}}
{{Zitat
 
|Der Skeptiker redet mit allen, der Diskursethiker letztlich nur mit Gleichgesinnten.
In dem Essay ''Das Über-Wir''<ref>Odo Marquard: ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethik.'', In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 38–67.</ref> lehnt Marquard die Diskursethik als neue sozialpsychologische [[Metaethik#Metaethik der Diskursethik|Metainstanz]], das „Über-Wir“, als „Übertribunalisierung“ ab. Sigmund Freuds [[Über-Ich]], das individuelle Gewissen, der innere Kantische Gerichtshof, werde im idealen Diskurs, dem „Gewissensbildiungskollektiv“, zu einem kollektiven Gewissen, zu einem Über-Tribunal, zum „Über-Wir“, das sich nicht mehr an überlieferten Konventionen orientiere. Die Verdächtigungsregel der Diskursethik gegen alle traditionellen Üblichkeiten und Normen lautet: „in dubio contra traditionem, sive conventiones“,<ref>Odo Marquard: ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethik.'', In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 46&nbsp;f.</ref> im Zweifel gegen die Tradition, gegen die Konventionen.<ref>[[Rochus Leonhardt]]: ''Der philosophische Ansatz Odo Marquards'', in (ders.): ''Skeptizismus und Protestantismus'' (Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 44), Mohr Siebeck, Tübingen 2003, ISBN 3-16-147864-9 ({{Google Buch |BuchID=_fWaSxhNJH4C}}), S. 37–142.</ref>
|Autor=Odo Marquard |Quelle= Interview, 2003
 
|ref=<ref>[https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-26448590.html ''Wir brauchen viele Götter''] Elke Schmitter und Mathias Schreiber im Gespräch mit Odo Marquard, in: Der Spiegel, 9/2003.</ref>
Marquard kritisiert den [[Diskurs#Jürgen Habermas|herrschaftsfreien Diskurs]] als „Luxusmodell“<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam (UB 8351) |Ort=Stuttgart |Datum=1986 |Sprache=de |ISBN= 3-15-008351-6 |Seiten=11}}</ref>, das den absoluten Konsens zum Ziel habe. „In diesem universalistischen Diskurs ist Vielheit – die Vielfalt der Meinungen – nur als Ausgangskonstellation gestattet.“<ref>Odo Marquard : Einheit und Vielheit. In: (ders.) ''Zukunft braucht Herkunft''. Philosophische Essays, Reclam Taschenbuch Nr. 20617, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-050040-0, S. 220.</ref><ref name="Thunemann">Fabian Thunemann: [https://www.nzz.ch/feuilleton/der-mensch-als-taugenichts-ein-blick-auf-odo-marquards-denken-ld.1581197 ''Der Mensch ist ein Taugenichts''], in [[Neue Zürcher Zeitung|NZZ]], 12. Oktober 2020.</ref>
}}
 
{{Zitat |Der Skeptiker redet mit allen, der Diskursethiker letztlich nur mit Gleichgesinnten.
|Autor=Odo Marquard |Quelle= Interview, 2003 |ref=<ref>[https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-26448590.html ''„Wir brauchen viele Götter“''] Elke Schmitter und Mathias Schreiber im Gespräch mit Odo Marquard, spiegel.de, 23. Februar 2003.</ref>}}
 
=== Theodizee ===
{{Zitat
|Wenn mich einer fragt, woran ich arbeite, dann sage ich: Am [[Theodizee]]problem. Und wenn er weiter fragt: Wieviele Antworten hast du schon? Dann sage ich: Keine. Aber beim Theodizeeproblem ist das schon viel.
|Autor= Odo Marquard|Quelle= ''Bemerkungen zur Theodizee''<ref>Zitiert nach [[Hans Christian Schmidbaur]]: [https://mthz.ub.uni-muenchen.de/MThZ/article/view/2003H3S238-249/3493 ''Theodizee in der Sackgasse? Reflexionen zu einer Neuorientierung'']. In: [[Münchener Theologische Zeitschrift]], Bd. 54 Nr. 3 (2003), S. 243.</ref>}}
 
Odo Marquard kommt in seinen Vorträgen und Schriften immer wieder auf die Theodizee zu sprechen, auf die Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der Welt. Aus der Spätantike ([[Boethius]], [[Lactantius]]) ist diese Frage einer griffigen lateinischen Formel überliefert: ''Si Deus, unde malum?'' – „Wenn Gott existiert, woher kommt dann das Böse?“<ref>Odo Marquard: ''Entlastungen. Theodizeemotive in der neuzeitlichen Philosophie''. In: (ders.): ''Apologie des Zufälligen. Philosophische Studien.'' Reclam Verlag (UB Nr. 8351), Stuttgart 1986, ISBN 3-15-008351-6, S. 14 ([https://www.wiko-berlin.de/fileadmin/Jahrbuchberichte/1982/1982_83_Marquard_Odo_Jahrbuchbericht.pdf Volltext]).</ref>
 
1710 prägte [[Leibniz]] den [[Neologismus]] ''Theodizee''. Er verteidigte in seinen ''Essais de Théodicée'' Gott als den [[Leibniz#Beste aller möglichen Welten|„bestmöglichen Schöpfer der bestmöglichen Welt“]]. Nach Marquard hat Leibniz damit das „Tribunal der Vernunft“ und ein „Tribunalisierungsprogramm“ in der Philosophie der Neuzeit eingeführt. Dem gütigen Schöpfergott, der Übel und Leid in der Welt zulässt, wird der Prozess gemacht. Ankläger und Verteidiger Gottes ist jeweils der Mensch. Alles und jedermann ist zur Legitimation verpflichtet, muss sich vor dem Gerichtshof der Vernunft rechtfertigen und muss sich um „Entlastung“ bemühen. Marquard merkte an, [[Metaphysik]]er hätten gelernt, mit Problemen ''nicht'' fertig zu werden, und dies lasse sich auf das Theodizeeproblem anwenden. Am besten sei es, viele Antworten zu geben, denn dies bewahre vor [[Dogmatismus]]:
{{Zitat
|Deshalb ist der Skeptiker verliebt in jene Metaphysik, die so viele Antworten produziert, dass sie einander wechselseitig neutralisieren, und gerade dadurch – [[Divide et impera|teile und denke!]] – die Probleme offenlässt […] Just so – darum mag sie der Skeptiker – ergeht es der Metaphysik und so auch der Theodizee; von ihren Problemen hat sie gelöst: keines. Jedoch: für Menschen ist das schon viel!
|Autor= Odo Marquard| Quelle= Entlastungen. Theodizeemotive in der neuzeitlichen Philosophie
|ref=<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Entlastungen. Theodizeemotive in der neuzeitlichen Philosophie |Sammelwerk=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek 8351 |Ort=Stuttgart |Datum=1986 |ISBNformalFalsch=3-15-008351-5 |Seiten=11–32}}</ref>}}
 
{{Zitat |Deshalb ist der Skeptiker verliebt in jene Metaphysik, die so viele Antworten produziert, dass sie einander wechselseitig neutralisieren, und gerade dadurch – [[Divide et impera|teile und denke!]] – die Probleme offenlässt […] Just so – darum mag sie der Skeptiker – ergeht es der Metaphysik und so auch der Theodizee; von ihren Problemen hat sie gelöst: keines. Jedoch: für Menschen ist das schon viel!
Marquard unterscheidet verschiedene Theodizeemotive:<ref>Odo Marquard: ''Entlastungen. Theodizeemotive in der neuzeitlichen Philosophie''. In: (ders.): ''Apologie des Zufälligen. Philosophische Studien.'' Reclam Verlag UB Nr. 8351, Stuttgart 1986, ISBN 3-15-008351-6, S. 13–29 ([https://www.wiko-berlin.de/fileadmin/Jahrbuchberichte/1982/1982_83_Marquard_Odo_Jahrbuchbericht.pdf Volltext]).</ref>
|Autor= Odo Marquard| Quelle= ''Entlastungen. Theodizeemotive in der neuzeitlichen Philosophie'', 1986
|ref=<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Entlastungen. Theodizeemotive in der neuzeitlichen Philosophie |Sammelwerk=Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen |Verlag=Reclam (UB 8351) |Ort=Stuttgart |Datum=1986 |ISBN= 3-15-008351-6 |Seiten=11–32}}</ref>}}
 
Marquard unterscheidet verschiedene Theodizeemotive:<ref>Odo Marquard: ''Entlastungen. Theodizeemotive in der neuzeitlichen Philosophie''. In: (ders.): ''Apologie des Zufälligen. Philosophische Studien.'' Reclam (UB 8351), Stuttgart 1986, ISBN 3-15-008351-6, S. 13–29 ([https://www.wiko-berlin.de/fileadmin/Jahrbuchberichte/1982/1982_83_Marquard_Odo_Jahrbuchbericht.pdf Volltext]).</ref>
 
* das Theodizeemotiv der „Autonomisierung“, eine „post-theistische“ Theodizee. Aus dem Prozess Gottes wird eine „[[Anthropodizee]]“. Der [[Autonomie|autonome]] Mensch wird als Verursacher aller Übel selbst zum Angeklagten, der Mensch klagt sich selber an. Diese Radikalisierung des Theodizeemotivs der „Autonomisierung“, bezeichnet Marquard [[Verballhornung|verballhornend]] als „[[Atheismus]] [[ad maiorem Dei gloriam]]“.<ref>Die spöttische Formel ''„Atheismus zur größeren Ehre Gottes“'' stelltist eine [[Antithetik|antithetische]] Verballhornung des lateinischen [[Wahlspruch]]sWahlspruchs des [[Jesuitenorden#Allgemeines|Jesuitenordens]] [[Ad maiorem Dei gloriam|„Omnia ad maiorem Dei gloriam“]] dar.</ref> Danach sei die Vorstellung eines gütigen Gottes, der doch wegen seiner ''Allgüte'' auf die Schöpfung hätte verzichten müssen, nur um den Preis seiner Nichtexistenz zu bewahren. „Atheismus ad maiorem Dei gloriam“ meint also den Schluss von der Güte Gottes auf seine Nichtexistenz. Marquard formuliert pointiert: „Theodizee gelungen. Gott tot.“<ref>Odo Marquard: ''Theodizeemotive in Fichtes früher Wissenschaftslehre.'' In: (ders.) ''Individuum und Gewaltenteilung. Philosophische Studien''. Reclam (UB Nr. 18306), Stuttgart 2004, ISBN 978-3-15-018306-9, S. 152.</ref> Die These der sich daraus entwickelnden [[Geschichtsphilosophie]] lautet, nach dem [[Gott-ist-tot-Theologie|Tode Gottes]] sei der Mensch der Schuldige aller Übel. Er werde zum Herrn der Geschichte und habe nun die Verantwortung, die Welt zu verbessern. Marquard indes steht Weltverbesserungsprojekten der Geschichtsphilosophen skeptisch gegenüber.<ref>Odo Marquard: ''Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie'', Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.&nbsp;M. 1982, 6. Auflage 2017, ISBN 978-3-518-27994-6, Einleitung S. 13 ff.</ref>
* das Theodizeemotiv der „Malitätsbonisierung“, der Gedanke, dass die Übel so übel nicht sind, „Entübelung der Übel“ (das Gute am Schlechten). Entübelt wird zum Beispiel der Irrtum – „wir irren uns empor“ ([[Karl Popper]]s [[Falsifikationismus]]); entübelt wird das Nichtschöne in der modernen Kunst; „Entbösung des Bösen“ in [[Nietzsche]]s [[Jenseits von Gut und Böse (Nietzsche)#Moralkritik|Nietzsches Moralkritik]] durch die „[[Umwertung aller Werte]]“.
* das Theodizeemotiv der „Bonitätsmalisierung“ (das Schlechte am Guten). Die Positivierung des Übels zum Guten negativiert zugleich das traditionelle Gute zum Übel.
* das Theodizeemotiv der „Kompensation“. Marquard setzt sich insbesondere mit dem Theodizeemotiv „Kompensation“ auseinander, dem Versuch einer „Entlastung“ des Menschen durch Ausgleich, als Ausdruck der Weltbejahung.<ref>Odo Marquard: ''Skepsis und Zustimmung''. Reclam Universal-Bibliothek Nr.(UB 9334), Stuttgart 1994, ISBN 3-15-009334-1, S. 11 ff.</ref> Den Menschen gelinge es, Übel und Mängel durch vielfältige Mechanismen zu „kompensieren“. Weder die optimistische [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibnizsche]] Formel von der „[[Die beste aller möglichen Welten|besten aller möglichen Welten]]“ noch [[Arthur Schopenhauer|Schopenhauers]]s pessimistische Formel von der „schlechtesten unter den möglichen“<ref>Arthur Schopenhauer: ''Die Welt als Wille und Vorstellung. Band II'', Ergänzungen zum vierten Buch, Kapitel 46 ''Von der Nichtigkeit und dem Leiden des Lebens''. ([http://www.zeno.org/nid/20009267468 Volltext]). Zitiert nach der ''Zürcher Ausgabe. Werke in zehn Bänden.'' von [[Arthur Hübscher|Arthur und Angelika Hübscher]], Band 4, [[Diogenes Verlag]] Zürich 1977, ISBN 3-257-20424-8, S. 683.</ref> beschreiben nach Marquard die Welt treffend: „Die Welt ist gewiss nicht der Himmel auf Erden, aber auch nicht die Hölle auf Erden, sondern die Erde auf Erden.“<ref>Odo Marquard: ''Zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum. Rede in Freiburg am 16. Juli 2004'', in: (ders.): ''Skepsis in der Moderne. Philosophische Studien.'' ReclamsReclam Universal-Bibliothek Nr.(UB 18524), Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-018524-7, S. 12.</ref>
 
=== Kompensationsphilosophie ===
==== Der „Homo compensator“ ====
{{Zitat|Der Kompensationsbegriff – nota bene – kommt philosophisch zunächst aus der [[Theodizee]] (Gott – schrieb Leibniz – hat die Übel durch Annehmlichkeiten ‚kompensiert‘); erst dann wurde er zur psychoanalytischen Vokabel und – bei [[Helmuth Plessner]] und [[Arnold Gehlen]] – zum Leitbegriff der Anthropologie sowie – bei [[Joachim Ritter]] – zum Bestandteil der Theorie der modernen Welt.
{{Zitat
|Autor= Odo Marquard|Quelle= ''Homo compensator. Zur anthropologischen Karriere eines metaphysischen Begriffs''. Kolloquiumsvortrag vom 3. Oktober 1981<ref>Odo Marquard: ''Homo compensator. Zur anthropologischen Karriere eines metaphysischen Begriffs''. In: ''Philosophie des Stattdessen. Studien'', Reclam (UB 18049), Stuttgart 2000 (2009), ISBN 978-3-15-018049-5, S. 11–30.</ref>}}
|Der Kompensationsbegriff – [[Notabene|nota bene]] – kommt philosophisch zunächst aus der [[Theodizee]] (Gott – schrieb [[Gottfried Wilhelm Leibniz|Leibniz]] – hat die Übel durch Annehmlichkeiten »kompensiert«); erst dann wurde er zur psychoanalytischen Vokabel und – bei [[Helmuth Plessner]] und [[Arnold Gehlen]] – zum Leitbegriff der Anthropologie sowie – bei [[Joachim Ritter]] – zum Bestandteil der Theorie der modernen Welt.
 
|Autor= Odo Marquard|Quelle= Homo compensator. Zur anthropologischen Karriere eines metaphysischen Begriffs. Kolloquiumsvortrag vom 3. Oktober 1981<ref>Odo Marquard: ''Homo compensator. Zur anthropologischen Karriere eines metaphysischen Begriffs''. In: ''Philosophie des Stattdessen. Studien'', Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18049, Stuttgart 2000 (2009), ISBN 978-3-15-018049-5, S. 11–30.</ref>}}
ImMarquards Mittelpunkt„Kompensationsphilosophie“ Marquardssteht philosophischenim DenkensMittelpunkt stehtseines seinephilosophischen „Kompensationsphilosophie“Denkens.<ref>[[Wolfgang Kersting]]: ''Hypolepsis und Kompensation – Odo Marquards philosophischer Beitrag zur Diagnose und Bewältigung der Gegenwart.'' In: ''Philosophische Rundschau'', Vol. 36, Nr. 3, 1989, S. 161–186, [https://www.jstor.org/stable/42571894 JSTOR].</ref> Im Anschluss an [[ArnoldHelmuth Gehlen]]sPlessner, [[HelmuthArnold Plessner]]sGehlen und [[Joachim Ritter]]s<ref>[[Mark Schweda]]: ''Entzweiung und Kompensation. Joachim Ritters philosophische Theorie der modernen Welt.'' Alber, Freiburg im Breisgau 2013, ISBN 978-3-495-48614-6.</ref> Anthropologien übernimmt Marquard<ref> Marquards Artikel „Mängelwesen“. In: ''Historisches Wörterbuch der Philosophie'', Band 5 (L–Mn). Schwabe, Basel 1980, ISBN 3-7965-0696-8.</ref> deren Begrifflichkeiten „[[Mängelwesen]]“ und „Kompensation“. Infolge seiner [[Instinkt]]mangelhaftigkeit wäre der Mensch lebensunfähig, wenn er nicht die Fähigkeit besäße, die eigenen Unzulänglichkeiten durch Kultur auszugleichen, zu ''kompensieren''. In seiner Aufsatzsammlung ''Philosophie des Stattdessen'' definiertdefinierte Marquard den Menschen als „Homo compensator“ und schuf damit ein neues [[Liste der Homo-Epitheta#Liste philosophisch-anthropologischer und sonstiger Epitheta zu Homo|''Homo compensator''-Epitheton]]“,.<ref>Odo Marquard: ''Philosophie des Stattdessen'', ReclamsReclam Universal-Bibliothek Nr.(UB 18049), Stuttgart 2000, ISBN 978-3-15-018049-5, S. 13.</ref> Er beschrieb den Menschen als einen „Defektflüchter“, der Mängel und Defizite nicht durch direkte Aktionen, sondern durch umweghafte Reaktionen bewältige. Wie sein Lehrer Joachim Ritter plädiert er dafür, dass die ''Entzweiung'' zwischen rationalem Fortschritt und verschiedenen Herkunftstraditionen nicht überwunden, sondern ausgehalten werden müsse.
 
{{Zitat
{{Zitat|Der ‚Homo »Homo compensator«compensator‘ ist derjenige, der »etwas‚etwas stattdessen tut«tut‘, indem er nach Alternativen zum Vorhandenen sucht […] Er ist ein Virtuose des pragmatischen Ausgleichs.|ref=<ref>[[Ludger Heidbrink]]: ''Das Halbe ist das Wahre. Odo Marquards Theorie der Kompensation lässt sich als zeitgenössische Kulturkritik verstehen''. In: DIE ZEIT, 33/2000, 10. August 2000, [https://www.zeit.de/2000/33/Das_Halbe_ist_das_Wahre/komplettansicht Rezension zu Marquards Rezension Philosophie des Stattdessen].</ref>}}
 
Auch den Geist der [[68er-Bewegung]] erklärt Marquard durch seine Kompensationsthese: Demnach hätten die Achtundsechziger gegen eine demokratische Obrigkeit rebelliert, um zu kompensieren, dass die Generation ihrer Eltern nicht gegen die NS-Diktatur rebelliert hat. Er spricht in diesem Kontext von „nachträglichem Ungehorsam“.<ref>Odo Marquard: ''Abschied vom Prinzipiellen''. Reclam (UB 7724), Stuttgart 1981, ISBN 3-15-007724-9, S. 9&nbsp;f.</ref>
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==== Kompensation der Inkompetenz der Philosophie ====
{{Hauptartikel|Inkompetenzkompensationskompetenz}}
 
{{Zitat|Der Philosoph ist nicht der Experte, sondern der [[Stuntman]] des Experten: sein [[Double (Film)|Double]] fürs Gefährliche.|ref=<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Der angeklagte und der entlastete Mensch in der Philosophie des 18. Jahrhunderts. |Sammelwerk=Abeschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien. |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek 7724 |Ort=Stuttgart |Datum=1982 |ISBN=3-15-007724-9 |Seiten=39–66 |Fundstelle=hier S. 39}}</ref>}}
Im traditionellen Selbstverständnis wird die Philosophie als „Mutter aller Wissenschaften“ gepriesen,<ref>Zum Beispiel in: ''Das Studium der Philosophie'', Leitfaden der [[Universität Augsburg]] ([https://www.philso.uni-augsburg.de/institute/philosophie/studium/leitfaden/A_philosophiestudium/philosophiestudium.pdf PDF-Datei]).</ref> und der Philosoph ist nach der Tradition der Experte fürs Totale, fürs Ganze. Odo Marquard zeichnet als „notorischer [[Defätismus|Defätist]]“ ein gegenteiliges Bild der Philosophie. Sie sei immer mehr in die Rolle einer Dienstleisterin für andere Wissenschaften hineingedrängt worden. Bei ihren Versuchen, ihre Kompetenzverluste auszugleichen, zu kompensieren, sei aus der stolzen Mutter aller Wissenschaften eine „Magd der Wissenschaften“ geworden:<ref name="Inkompetenzkompensationskompetenz" />
 
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So verbleibe der Philosophie der Gegenwart nur noch ihre „Inkompetenzkompensationskompetenz“: „Erst war die Philosophie kompetent für alles; dann war die Philosophie kompetent für einiges; schließlich ist die Philosophie kompetent nur noch für eines: nämlich für das Eingeständnis der eigenen Inkompetenz.“<ref name="Inkompetenzkompensationskompetenz">Odo Marquard: ''Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien.'' Reclam (UB 7724), Stuttgart 1981, ISBN 3-15-007724-9, S. 23–38, hier S. 24, [https://philosophisches-jahrbuch.de/wp-content/uploads/2019/03/PJ81_S341-349_Marquard_%c3%9cber-Kompetenz-und-Inkompetenz.pdf PDF]</ref>
 
Selbstironisch resümiertmerkte Marquard an, dass im heutigen Zeitalter des Wissenschaftstourimus,Wissenschaftstourismus der Philosoph von diversen Gremien gerne zu Vorträgen eingeladen werde, um dann als „transzendentaler Stuntman“,[[Stuntman]]“ alsaufzutreten:<ref>{{Literatur Spezialist|Autor=Odo fürsMarquard Riskante,|Titel=Der Expertenangeklagte zuund doubeln,der immerentlastete Mensch in der Philosophie des 18. Jahrhunderts. |Sammelwerk=Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien. |Verlag=Reclam (UB 7724) |Ort=Stuttgart |Datum=1982 |ISBN=3-15-007724-9 |Seiten=39–66 |Fundstelle=hier S. 59}}</ref> „Der Philosoph ist nicht der dortExperte, wosondern esder fürStuntman diesedes gefährlichExperten: werdensein [[Double (Film)|Double]] fürs könneGefährliche.<ref>{{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=Der angeklagte und der entlastete Mensch in der Philosophie des 18. Jahrhunderts. |Sammelwerk=AbeschiedAbschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien. |Verlag=Reclam Universal-Bibliothek(UB 7724) |Ort=Stuttgart |Datum=1982 |ISBN=3-15-007724-9 |Seiten=39–66 |Fundstelle=hier S. 5939}}</ref>
 
== Sprachspielereien mit Esprit ==
{{Zitat|Witz verlangt Kürze, und Marquard war als Schriftsteller ein Meister dieser heiteren Kürze, durch die er seine Leser in menschlichen Lebenslagen zwischen Zeitmangel und Langeweile zu entlasten hoffte. Das ist ihm gelungen. Im Lande Heideggers ist die Demonstration bekömmlich, dass der Ernst der Philosophie auch unterhalten kann. Keiner unter den deutschen Philosophen außer Marquard fällt einem ein, dem man hätte zutrauen mögen, eine Preisrede auf [[Loriot]] zu halten, und schon der Titel, unter die er sie gestellt hat, ist nach Präzision und Unvergesslichkeit unüberbietbar: ‚Loriot [[lauréat]]‘.
{{Zitat
|Witz verlangt Kürze, und Marquard war als Schriftsteller ein Meister dieser heiteren Kürze, durch die er seine Leser in menschlichen Lebenslagen zwischen Zeitmangel und Langeweile zu entlasten hoffte. Das ist ihm gelungen. Im Lande Heideggers ist die Demonstration bekömmlich, dass der Ernst der Philosophie auch unterhalten kann. Keiner unter den deutschen Philosophen außer Marquard fällt einem ein, dem man hätte zutrauen mögen, eine Preisrede auf [[Loriot]] zu halten, und schon der Titel, unter die er sie gestellt hat, ist nach Präzision und Unvergesslichkeit unüberbietbar: « Loriot [[lauréat]] ».
|Autor= [[Hermann Lübbe]] |Quelle= Nachruf auf Odo Marquard<ref>Hermann Lübbe: ''Heitere Hiobsbotschaften: Nachruf auf Odo Marquard'', in: ''Zeitschrift für Ideengeschichte'', Ausgabe Frühjahr 2016 (als PDF [https://www.wiko-berlin.de/wikothek/multimedia/altgier hier] zum Download), S. 117–127, hier S. 127.</ref>}}
Odo Marquard würzte seine Texte und Vorträge mit geistreichen [[Wortspiel|Sprachspielereien]]. Manche Wortneuprägungen dieses humorvollen, unterhaltsamen [[Aphorismus|Aphoristikers]] sind quasi zu [[Geflügelte Worte|geflügelten Worten]] mutiert:
 
Odo Marquard würzte seine Texte und Vorträge mit geistreichen Sprachspielereien. Manche Wortneuprägungen dieses humorvollen, unterhaltsamen [[Aphorismus|Aphoristikers]] sind quasi zu [[Geflügelte Worte|geflügelten Worten]] mutiert:
* „[[Wacht am Rhein|Wacht am Nein]]“<ref>In: Odo Marquard: ''Skepsis und Zustimmung''. Reclam Universal-Bibliothek Nr. 9334, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-009334-1, S. 11.</ref>, „N[[jet-Set]]“<ref> „N[[jet-Set]]“, eine spöttische Bezeichnung für die Vielflieger unter den ewigen Neinsagern der Kritischen Theorie</ref>, „[[Strukturmodell der Psyche#Das Über-Ich|Über-Wir]]“<ref>Odo Marquard: ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethtik.'', In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 38–67.</ref> und das mit [[Doppelte Verneinung|doppelter Negation]] verklausulierte Wort-Monstrum „[[Inkompetenzkompensationskompetenz]]“.
* „[[Wacht am Rhein|Wacht am Nein]]“<ref>In: Odo Marquard: ''Skepsis und Zustimmung''. Reclam (UB 9334), Stuttgart 1994, ISBN 3-15-009334-1, S. 11.</ref>, „N[[jet-Set]]“<ref> „N[[jet-Set]]“, eine spöttische Bezeichnung für die Vielflieger unter den ewigen Neinsagern der Kritischen Theorie.</ref>, „[[Strukturmodell der Psyche#Über-Ich|Über-Wir]]“<ref>Odo Marquard: ''Das Über-Wir. Bemerkungen zur Diskursethtik.'', In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5, S. 38–67.</ref> und das mit [[Doppelte Verneinung|doppelter Negation]] spielende Wort-Monstrum „[[Inkompetenzkompensationskompetenz]]“.
 
Stilmittel seines spöttisch-ironisierenden Sprachhumors sind unter anderem:
* [[Verballhornung]], [[Travestie (Literatur)|Travestie]] bekannter geflügelter Worte, wie
** „[[Atheismus]] ad maiorem Dei gloriam“ (''Atheismus zur größeren Ehre Gottes'' – eine [[Antithetik|antithetische]] Verballhornung des lateinischen [[Wahlspruch]]sWahlspruchs des [[Jesuitenorden#Allgemeines|Jesuitenordens]] [[Ad maiorem Dei gloriam|„Omnia ad maiorem Dei gloriam“]]<ref>Odo Marquard: ''Die KrisKrise des Optimismus und die Geburt der Geschichtsphilosophie'', in: Odo Marquard: Skepsis in der Moderne. Philosophische Studien, Reclam (UB 18524), Stuttgart 2007, ISBN 3-15-018524-6, Seite enS. 97–100.</ref>)
** „Hier stehe ich und kann auch immer noch anders“<ref>Odo Marquard: ''Lob des [[Polytheismus]]. Über [[Mythos|Monomythie]] und Polymythie''. In: (ders.): ''Abschied vom Prinzipiellen''. Reclam (UB 7724), Stuttgart 1981, ISBN 3-15-007724-9, S. 111.</ref> ([[Parodie]] des bekannten [[Martin Luther|Martin-Luther]]-Zitates: [[Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms 1521#Legenden|„Hier stehe ich., Ichich kann nicht anders.“anders“]])
** „Philosophie ist, wenn man trotzdem denkt“<ref>Odo Marquard: ''Loriot lauréat''. ''Laudatio auf Bernhard-Viktor von Bülow bei der Verleihung des [[Kasseler Literaturpreis|Kasseler Literaturpreises]]es für grotesken Humor 1985''. In: (ders.) ''Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays'' Mit einem Nachwort von [[Franz Josef Wetz]]. Reclam Taschenbuch Nr. 20617, Stuttgart 2003/2020, ISBN 978-3-15-020617-1, S. 192.</ref> (in Variation zum [[Otto Julius Bierbaum|Bierbaum]]-Zitat [[Liste geflügelter Worte/H#Humor ist, wenn man trotzdem lacht.|„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“]])
** „Narrare necesse est“<ref>Odo Marquard: ''name="Narrare necesse est.'' In: [[Die Politische Meinung]], Nr. 362"/Januar 2000, S. 93–95,[https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=5b069688-f306-3926-09a7-0f7da0487115&groupId=252038 ''Volltext''], auf dem Server der [[Konrad-Adenauer-Stiftung]].</ref> (Erzählen tut not.; Derder lateinische [[Sinnspruch]] lautet im Original: [[Liste lateinischer Phrasen/N#Navigare|„Navigare necesse est“]], Seefahrt tut not)
 
* [[Oxymoron]]artige Wort-Neuschöpfungen und Wendungen wie:
** „Ich bin ein Weigerungsverweigerer“<ref>''Ich bin ein Weigerungsverweigerer''. Ein Gespräch mit Odo Marquard. Die Fragen stellte [[Jens Hacke]]. In: Odo Marquard: ''Skepsis in der Moderne. Philosophische Studien''. Reclam Nr. 18524, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-018524-7.</ref>
** „Entübelung der Übel“, „Malitätsbonisierung“<ref name="Marquard">Odo Marquard: ''Entlastungen. Theodizeemotive in der neuzeitlichen Philosophie.'' In: (ders.): ''Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen'', Reclam Universal-Bibliothek(UB 8351), Stuttgart1986Stuttgart 1986, ISBN 3-15-008351-6, Seite 22.</ref>{{rp|S. 22}} und „Bonitätsmalisierung“<ref name="Marquard" />[[Ebenda{{rp|ibidem]] SeiteS. 24</ref>}}
** „Die Entlastung vom Negativen disponiert zur Negativierung des Entlastenden“<ref>Odo Marquard: ''Zeitalter der Weltfremdheit? Beitrag zur Analyse der Gegenwart''. In: (ders.): ''Apologie des Zufälligen. Philosophische Bemerkungen'', Reclam Universalbibliothek Nr. 8351, Stuttgart 1986, ISBN 3-15-008351-6, SeiteS. 89.</ref>
 
* [[Sentenz]]en à la Marquard:
** „Zukunft braucht Herkunft“<ref>Odo Marquard: ''Zukunft braucht Herkunft. PhilosophishePhilosophische Betrachtungen über Modernität und Menschlichkeit''. In: (ders.): ''Philosophie des Stattdessen''. Reclam (UB Nr. 18049), Stuttgart 2000, ISBN 3-15-018049-X, S. 66–78.</ref>
** „Vernünftig ist, wer den [[Ausnahmezustand]] verweigert“<ref name="Bürgerlichkeit S. 91"/>
** „[[Carl Schmitt#Verfassung, Souveränität und Ausnahmezustand|Vernünftig ist, wer den Ausnahmezustand verweigert]]“<ref>Odo Marquard: ''Mut zur Bürgerlichkeit. Vernünftig ist, wer den Ausnahmezustand vermeidet''. In: (ders.): ''Individuum und Gewaltenteilung. Philosophische Studien'', Reclam Universal-Bibliothek Nr. 18306, Stuttgart 2004, S. 91, ISBN 3-15-018306-5</ref>
** „Bildung ist der Verzicht auf die Anstrengung, dumm zu bleiben“<ref>Odo Marquard: ''Loriot lauréat''. ''Laudatio auf Bernhard-Viktor von Bülow bei der Verleihung des [[Kasseler Literaturpreis|Kasseler Literaturpreises]]es für grotesken Humor 1985''. In: (ders.) ''Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays'' Mit einem Nachwort von [[Franz Josef Wetz]]. Reclam Taschenbuch Nr. 20617, Stuttgart 2003/2020, ISBN 978-3-15-020617-1, S. 193.</ref><ref>[https://www.nzz.ch/feuilleton/der-mensch-als-taugenichts-ein-blick-auf-odo-marquards-denken-ld.1581197 ''Der Mensch ist ein Taugenichts''] – Fabian name="Thunemann, in [[Neue Zürcher Zeitung|NRZ]], 12. Oktober 2020.<"/ref>
 
== Auszeichnungen ==
* 1984: [[Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa]]<ref name="giessener-allgemeine.de Gestorben">''[https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/giessener-philosoph-marquard-gestorben-12053478.html Gießener Philosoph Odo Marquard gestorben]''. In: ''[[Gießener Allgemeine]]'' vom, 12.&nbsp; Mai 2015</ref>
* 1990: [[Hessischer Verdienstorden]]<ref name="giessener-allgemeine.de Gestorben"/>
* 1992: [[Erwin Stein (Richter)|Erwin-Stein-Preis]]<ref name="giessener-allgemeine.de Gestorben"/><ref>[http://www.erwin-stein-stiftung.de/erwin-stein-preis.html ''Erwin-Stein-Preis''] erwin-stein-stiftung.de</ref>
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* 1997: [[Hessischer Kulturpreis]] für Wissenschaft<ref name="giessener-allgemeine.de Gestorben"/>
* 1998: [[Cicero-Rednerpreis]]
* 2008: [[Bundesverdienstkreuz|Großes Bundesverdienstkreuz]]<ref name="giessener-allgemeine.de Gestorben"/><ref>[[Justus-Liebig-Universität Gießen]]: [http://idw-online.de/pages/de/news251496 ''Großes Verdienstkreuz für Odo Marquard''] idw-online.de, 17. März 2008; Abruf am 19. März 2008</ref>
* 2018: Ausstellung der [[Universitätsbibliothek Gießen]] ''Odo Marquard als Maler und Zeichner'', postume Ehrung anlässlich des 90. Geburtstages<ref>[https://www.giessener-anzeiger.de/lokales/stadt-giessen/nachrichten-giessen/ub-giessen-zeigt-bilder-des-philosophen-odo-marquard_18554820 ''UB Gießen zeigt Bilder des Philosophen Odo Marquard''] in: [[Gießener Anzeiger]], 28. Februar 2018.</ref>
 
== Schriften ==
* ''Zum Problem der Logik des Scheins im Anschluss an Kant. Über Möglichkeiten und Grenzen einer kompromittierenden Genealogie der Metaphysik''. Diss. phil.[[Dissertation]], Freiburg im Breisgau 1954.
* ''Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie''. Suhrkamp (stw 394), Frankfurt am Main 1973, ISBN 3-518-27994-7.
* ''Exile der Heiterkeit''. In: Wolfgang Preisendanz, Rainer Warning (Hrsg.): Das Komische. München 1976, S. 133–151.
* ''Abschied vom Prinzipiellen''. Reclam ([[Reclam Universal-Bibliothek|UB]] 7724), Stuttgart 1981, ISBN 3-15-007724-9.
* ''Skeptische Methode im Blick auf Kant''. (Symposion Bd. 4) [[Verlag Karl Alber|Alber]], Freiburg/München 1958, 3. unveränd. Aufl. 1982, ISBN 3-495-44033-X.
* {{Literatur |Autor=Odo Marquard |Titel=''Apologie des Zufälligen. Philosophische Überlegungen zum Menschen.'' |Verlag=Reclam ([[Reclams Universal-Bibliothek|UB]] 8351), |Ort=Stuttgart |Datum=1986, |Sprache=deISBN |ISBN=3-15-008351-6}}.
* ''Skeptische Betrachtungen zur Lage der Philosophie''. In: [[Rüdiger Bubner]] et al.: ''Wozu Philosophie? Stellungnahmen eines Arbeitskreises'', Hrsg.: [[Hermann Lübbe]], [[Walter de Gruyter (Verlag)|Walter de Gruyter]], Berlin 1978, ISBN 3-11-007513-X, S. 70–90. {{Google Buch|BuchID=NR9g3mfpcR4C|Seite=70}}
* ''Transzendentaler Idealismus, romantische Naturphilosophie, Psychoanalyse'' (= [[Habil.]] 1962). Dinter, Köln 1987.
* ''Aesthetica und Anaesthetica''. [[Brill Schöningh|Schöningh]], Paderborn 1989, ISBN 3-7705-3750-5.
* ''Skepsis und Zustimmung''. Reclam (UB 9334), Stuttgart 1994, ISBN 3-15-009334-1.
* ''Glück im Unglück''. [[Brill Fink|Fink]], München 1995, ISBN 3-7705-3065-9.<ref>''Glück im Unglück'', [https://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00078825_00001.html Volltext] auf Digi20, digitale Sammlungen der [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|DFG]].</ref>
* ''Philosophie des Stattdessen. Studien''. Reclam ([[Reclams Universal-Bibliothek|UB]] 18049), Stuttgart 2000, ISBN 978-3-15-018049-X5.
* ''Skepsis als Philosophie der Endlichkeit''. Bonner Philosophische Vorträge und Studien, Bd. 18, Hrsg. von W.[[Wolfram Hogrebe]], Bonn: [[Bouvier Verlag|Bouvier]] 2002, ISBN 3-416-03007-9.
* ''Zukunft braucht Herkunft''. Reclam (Reihe Reclam), Stuttgart 2003, ISBN 3-15-050040-0.
* ''Individuum und Gewaltenteilung''. Reclam (UB 18306), Stuttgart 2004, ISBN 3-15-018306-5.
* ''Skepsis in der Moderne''. Reclam (UB 18524), Stuttgart 2007, ISBN 3-15-018524-6.
* ''[https://www.herder.de/el/hefte/archiv/2012/10-2012/plaedoyer-fuer-die-einsamkeitsfaehigkeit/ Plädoyer für die Einsamkeitsfähigkeit]'' (2012)
* ''Endlichkeitsphilosophisches. Über das Altern''. Hrsg. von [[Franz Josef Wetz]], (UB 20278). Philipp-Reclam-Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-020278-4.
* ''Der EinzelneEndlichkeitsphilosophisches. VorlesungenÜber zurdas ExistenzphilosophieAltern''. Hrsg. von [[Franz Josef Wetz]],. Reclam (UB 1908620278) Philipp-Reclam-Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-019086020278-94.
* ''Der Einzelne. Vorlesungen zur Existenzphilosophie''. Hrsg. von Franz Josef Wetz. Reclam (UB 19086), Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-019086-9.
 
== Sekundärliteratur ==
* [[Felix Dirsch]]: ''Konservativer Skeptiker zwischen Herkunft und Zukunft. Autorenporträt Odo Marquard.'' In: ''[[Criticón]]'' Nr. 181, Frühling 2004 ([http://www.hanshoppe.com/wp-content/uploads/publications/criticon181.pdf PDF]; 956&nbsp;kB), S. 43–48.
* Arne Jaitner: ''Zwischen Metaphysik und Empirie. Zum Verhältnis von Transzendentalphilosophie und Psychoanalyse bei [[Max Scheler]], [[Theodor W. Adorno]] und Odo Marquard.'' Königshausen & Neumann, Würzburg 1999 (= ''Epistemata.'' Band 262), ISBN 3-8260-1722-6.
* Arne Jaitner: ''Zwischen Metaphysik und Empirie. Zum Verhältnis von Transzendentalphilosophie und Psychoanalyse bei [[Max Scheler]], [[Theodor W. Adorno]] und Odo Marquard.'' [[Königshausen & Neumann]], Würzburg 1999 (= ''Epistemata'' Band 262), ISBN 3-8260-1722-6.
* [[Jens Hacke]]: ''Bürgerlichkeit aus dem Geist der Skepsis. Dem Philosophen Odo Marquard zum 80. Geburtstag.'' In: ''[[Die Politische Meinung]]'' Nr. 461, April 2008, S. 70–72 ([https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_13355_1.pdf/bc6ebbc1-6e6f-0512-563c-ceebbc7a522b PDF]; 591 kB).
* [[AloisJens HalbmayrHacke]]: ''DieBürgerlichkeit [[Theodizee]]aus unddem ihreGeist Erben.der EineSkepsis. ErinnerungDem anPhilosophen Odo Marquard zum 80. Geburtstag.'' In: ''[[SinnDie undPolitische FormMeinung]].'', 6/2017Nr. 461, ISBNApril 978-3-943297-38-62008, S. 830–836,70–72 ([https://sinn-und-formwww.kas.de/?tabelle=leseprobe&titel_id=6943 Leseprobe Sdocuments/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_13355_1. 830pdf/bc6ebbc1-8326e6f-0512-563c-ceebbc7a522b PDF]; 591 kB).
* [[Alois Halbmayr]]: ''Die Theodizee und ihre Erben. Eine Erinnerung an Odo Marquard.'' In: ''[[Sinn und Form]]'', 6/2017, ISBN 978-3-943297-38-6, S. 830–836, [https://sinn-und-form.de/?tabelle=leseprobe&titel_id=6943 Leseprobe S. 830–832].
* Alois Halbmayr: ''Lob der Vielheit. Zur Kritik Odo Marquards am Monotheismus''. Tyrolia (Salzburger theologische Studien 13), Salzburg 2000, ISBN 3-7022-2255-3
* Alois Halbmayr: ''Lob der Vielheit. Zur Kritik Odo Marquards am Monotheismus''. Tyrolia ([[Salzburger Theologische Studien]] 13), Salzburg 2000, ISBN 3-7022-2255-3.
* [[Wolfgang Kersting]]: ''Hypolepsis und Kompensation – Odo Marquards philosophischer Beitrag zur Diagnose und Bewältigung der Gegenwart.'' In: ''[[Philosophische Rundschau]]'', Vol. 36, Nr. 3, 1989, S. 161–186, [https://www.jstor.org/stable/42571894 JSTOR].
* [[Hartmut Lange (Schriftsteller)|Hartmut Lange]]: ''Über Odo Marquard''. In: (ders.): ''Über das Poetische''. Matthes & Seitz, Berlin 2017, ISBN 978-3-95757-482-4, S. 35–47.
* [[Rochus Leonhardt]]: ''Skeptizismus und Protestantismus. Der philosophische Ansatz Odo Marquards'', alsin Herausforderung(ders.): an''Skeptizismus dieund evangelische TheologieProtestantismus''. Mohr (Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 44), [[Mohr Siebeck Verlag|Mohr Siebeck]], Tübingen 2003, ISBN 3-16-147864-9, ({{Google Buch |BuchID=_fWaSxhNJH4C}}), S. 37–142
* [[Hermann Lübbe]]: ''Heitere Hiobsbotschaften: Nachruf auf Odo Marquard'', in: ''[[Zeitschrift für Ideengeschichte]]'', Ausgabe Frühjahr 2016 (als PDF [https://www.wiko-berlin.de/wikothek/multimedia/altgier hier] zum Download), S. 117–127.
* Norbert Ricken: ''Subjektivität und Kontingenz. Markierungen im pädagogischen Diskurs''. Königshausen & Neumann, Würzburg 1999, ISBN 978-3-8260-1631-8 ({{Google Buch|BuchID=q11DsATbJGQC}}), Kapitel ''Marquards Philosophie der Einübung von Üblichkeiten''. {{Google Buch|BuchID=q11DsATbJGQC}}
* Tamás Miklós: ''Die Philosophie des Zögerns: Odo Marquard, der Verweigerungsverweigerer''. In: (ders.): ''Der kalte Dämon. Versuche zur Domestizierung des Wissens''. [[C. H. Beck]] München 2016, ISBN 978-3-406-68833-1, S. 214–245.
* [[Franz Josef Wetz]]: ''Im Gespräch mit Odo Marquard. Das Alter – mehr Ende als Ziel.'' In: Odo Marquard: ''Endlichkeitsphilosophisches. Über das Altern.'' Hrsg.: Franz Josef Wetz. Reclam Taschenbuch Nr. 20278, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-15-020278-4, S. 76–95.
** Franz Josef Wetz: ''Nachwort. Bürgerlicher Optimismus erwächst aus existentiellem Pessimismus''. In: Odo Marquard: ''Zukunft braucht Herkunft. Philosophische Essays''. Reclam Taschenbuch Nr. 20617, Stuttgart 2003/2015, ISBN 978-3-15-020617-1, S. 307–347.
 
== Weblinks ==
{{Wikiquote}}
* {{DNB-Portal|119179997}}
* (Kleine Bibliographie) [https://bibelwelt.de/odo-marquard-bibliographie/ ''103 Schriften von Odo Marquard''], von Helmut Schütz, auf bibelwelt.de, 31. August 2009.
* [http://www.mediathek.at/trefferliste/searchword/czoxMjoiT2RvIE1hcnF1YXJkIjs=/ Vorträge und Interviews von und mit Odo Marquard] im Onlinearchiv der [[Österreichische Mediathek|Österreichischen Mediathek]].
* [http://www.hanshoppe.com/wp-content/uploads/publications/criticon181.pdf ''Autorenporträt''] – ''Odo Marquard. Konservativer Skeptiker. Zwischen Herkunft und Zukunft'' von [[Felix Dirsch]], S. 43–48; (PDF; 956&nbsp;kB).
* [https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6539 ''In memoriam Odo Marquard''] – [[Wissenschaftliche Konferenz|Gedenksymposium]] Odo Marquard, [[Masaryk-Universität]] [[Brünn]]. 7. Oktober 2015.
** [https://www.phil.muni.cz/journals/index.php/profil/issue/view/117 Tagungsbericht dieses Gedenksymposiums] – in der philosophischen Internet-Zeitschrift ''Pro-Fil'' der Masaryk-Universität Brünn.
* {{LAGIS|ref=nein|DB=HBN|ID=119179997|titel=Marquard, Odo|datum=2021-04-15}}
* Bibliographie: [https://bibelwelt.de/odo-marquard-bibliographie/ ''103 Schriften von Odo Marquard''] von Helmut Schütz auf bibelwelt.de, 31. August 2009
* [https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6539 ''In memoriam Odo Marquard''] Gedenksymposium an der [[Masaryk-Universität]] [[Brünn]], 7. Oktober 2015, dazu der [https://www.phil.muni.cz/journals/index.php/profil/issue/view/117 Tagungsbericht] in der Online-Zeitschrift ''Pro-Fil''
* Jochen Rack: [http://www.sinn-und-form.de/index.php?tabelle=leseprobe&titel_id=4272 ''Gespräch mit Odo Marquard. Über das Alter (2004)''], in: ''[[Sinn und Form]]'' 5/2010
* Christian Weilmeier: [https://www.youtube.com/watch?v=xGTHz3Qk084 ''Grundsätzliches zu Odo Marquard''] – Video auf YouTube, 23. Dezember 2015 (3:41 Min.)
 
'''Tonaufnahmen'''
'''Gespräche mit Odo Marquard'''
* [[Feature (Darstellungsform)|Feature]] von [[Günter Kaindlstorfer]]: {{YouTube|Q69SNMPlopI|Lobe der Skepsis. Der Philosoph Odo Marquard und die Rettung des Bürgerlichen}}, 12. September 2018 (58:46 Min.)
* [http://www.sinn-und-form.de/index.php?tabelle=leseprobe&titel_id=4272 ''Gespräch mit Odo Marquard. Über das Alter (2004)''], Jochen Rack, in: [[Sinn und Form]] 5/2010, S. 611–614
* [https://www.mediathek.at/katalogsuche/suche/detail/?pool=BWEB&uid=10A7DFE9-0FA-001E3-00000378-10A70666&cHash=03acf3cd3e9503de7224b6d2795eee8d ''Gespräch mit Odo Marquard''] – "Jenseits von Freiheit und Würde? Die Weltsicht der Wissenschaft und die Frage nach dem Wesen des Menschen", 12. Salzburger Humanismusgespräche, 19. September 1984, Audiodatei auf mediathek.at (29:29 Min.)
* [https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-26448590.html ''Wir brauchen viele Götter''] – Elke Schmitter und Mathias Schreiber im Gespräch mit Odo Marquard, in: Der Spiegel, 9/2003.
 
'''Videos Presse-Artikel'''
* [https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-26448590.html ''„Wir brauchen viele Götter“''] Elke Schmitter und Mathias Schreiber im Gespräch mit Odo Marquard, spiegel.de, 23. Februar 2003
* [https://www.youtube.com/watch?v=Q69SNMPlopI ''Lob der Skepsis. Der Philosoph Odo Marquard''] – [[Feature (Darstellungsform)|Feature]] von [[Günter Kaindlstorfer]], 12. September 2018, auf YouTube.
* [https://www.youtube.com/watch?v=xGTHz3Qk084 ''Grundsätzliches zu Odo Marquard''] – Video von Christian Weilmeier, 23. Dezember 2015, auf YouTube
 
== Einzelnachweise ==
Hinweis: Die Abkürzung UB beim Verlag Reclam steht für [[Reclams Universal-Bibliothek]].
<references />
 
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[[Kategorie:Philosoph (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Justus-Liebig-Universität Gießen)]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)]]
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[[Kategorie:Sachliteratur (Philosophie)]]