„Supranationalität“ – Versionsunterschied

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Der Begriff '''Supranationalität''' (von [[Latein{{laS|lateinisch]] ''supra'',}} „über“, und ''natio'', „[[Volk]]“ bzw. „[[Staat]]“), seltener das Synonym ''Überstaatlichkeit'', kennzeichnet eine Ebene über der [[Nation]] oder über dem [[Nationalstaat]]. Supranationalität ist insbesondere ein Begriff des [[Völkerrecht]]s und der [[Politikwissenschaft]], genauer der Lehre der [[Internationale Beziehungen|internationalen Beziehungen]]. Sie bedeutet eine Verlagerung [[Zuständigkeit (Recht)|rechtlicher Zuständigkeiten]] von der nationalstaatlichen auf eine höher stehende Ebene, die auch als '''überstaatliche''' [[Organisation]] bezeichnet wird. Eine solche Ebene oder Organisation kann auch dann verbindliche Beschlüsse fassen, wenn nicht alle Mitglieder zustimmen. Die Alternative zur Kooperation von Staaten in Form supranationaler Organisationen ist das Zusammenwirken von Staaten nach dem Prinzip des [[Intergouvernementalismus]]: Es sieht nur eine zwischenstaatliche Kooperation der Regierungen vor, ohne sie inhaltlich und räumlich zu vertiefen und zu institutionalisieren.
 
== Charakteristika ==
Der Gedanke supranationaler Entscheidungsprozesse ist nicht neu und findet sich bereits bei Philosophen, Juristen und Staatsmännern des 18. und 19. Jahrhunderts. Dennoch gelten [[Robert Schuman]] und [[Jean Monnet]] als Väter der supranationalen Integrationstheorie.
 
=== Autonome Rechtsordnung ===
* '''Autonome Rechtsordnung''' – Der Begriff ''supranational'' wurde in Hinsicht auf die [[Europäische Gemeinschaften|Europäischen Gemeinschaften]] geprägt und gilt seit dem [[Vertrag von Lissabon]] auch für die [[Europäische Union]] (EU). Von herkömmlichen [[völkerrecht]]lichen [[International|''internationalen'']] (lat. „zwischenstaatlich“) Zusammenschlüssen von [[Staat]]en (z. B. [[WTO]] oder [[Vereinte Nationen|UNO]]) unterscheidet sich eine supranationale Organisation durch ihre autonome [[Rechtsordnung]]. Trotzdem unterscheiden sich supranationale Organisationen grundlegend von Staaten. Sie haben keine originäre Hoheitsgewalt ([[Kompetenz-Kompetenz]]), ihre [[Zuständigkeit (Recht)|Kompetenzen]] beruhtberuhen stattdessen auf der Übertragung von Souveränitätsrechten durch die [[Mitgliedstaat]]en (sogenannte ''derivative'' oder „abgeleitete“ Hoheitsgewalt).
 
=== Vorrang des supranationalen Rechts ===
* '''Vorrang des supranationalen Rechts''' – Kennzeichnend für supranationale Organisationen ist vor allem die Fähigkeit, Rechtsakte zu erlassen, die unmittelbar Rechtswirkungen für [[Natürliche Person|natürliche]] und [[juristische Person]]en in den Mitgliedstaaten entfalten. Dabei kommt den supranationalen Normen nach herrschender Meinung [[Anwendungsvorrang]] vor dem nationalen [[Recht]] zu. Anders als das Völkerrecht kann das supranationale Recht auch gegen die Mitgliedstaaten, die ihre Vertragspflichten verletzen, gerichtlich [[Sanktion|sanktioniertsanktion]]iert und durchgesetzt werden (z. B. durch Klage vor dem [[Gerichtshof der Europäischen Union]]). Aufgrund der unmittelbaren Wirkung des supranationalen Rechts kann jede natürliche und juristische Person bei Verletzung des Rechts der supranationalen Organisation Schadenersatz[[Schadensersatz]] fordern. In der Europäischen Union kann SchadenersatzSchadensersatz im Rahmen der Staatshaftung vor allem erlangt werden, wenn [[Richtlinie (EU)|Richtlinien]] nicht oder nicht rechtzeitig umgesetzt wurden und die Richtlinie auch nicht [[Unmittelbare Anwendbarkeit|unmittelbar anwendbar]] ist (keine objektive Anwendbarkeit, Eingriff in Rechte Dritter).
 
Die Supranationalität der Europäischen Union zeigt sich insbesondere in denjenen Bereichen, in denen die [[Gemeinschaftsmethode]] angewandt wird, bei denen von den nationalen Regierungen unabhängige [[Organ (Recht)|Organe]] wie die [[Europäische Kommission]] und das [[Europäisches Parlament|Europäische Parlament]] wesentliche Rechtsetzungskompetenzen besitzen. Daneben gibt es auch in der EU (eher) [[intergouvernemental]]e organisierte Bereiche, wie die Zusammenarbeit im [[Europäischer Rat|Europäischen Rat]] und die [[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik]], wo Beschlüsse einstimmig von den Regierungen der Mitgliedstaaten gefasst werden und in der Regel auch nur diese binden. Man spricht hierbei auch vom "Supranationalitätsgefälle".<ref>{{Literatur |Autor=Wilhelm Knelangen |Hrsg=Johannes Varwick, Wilhelm Knelangen |Titel=Neues Europa — alte EU? |Verlag=Verlag für Sozialwissenschaften |Ort=Wiesbaden |Datum=2004 |ISBN=978-3-663-10894-8 |Seiten=115}}</ref>
 
== Beispiele supranationaler Organisationen ==
Beispiele für supranationale Organisationen sind die [[Europäische UnionGemeinschaft]] sowie die [[Europäische Atomgemeinschaft]], die [[Afrikanische Union]], die [[AndengemeinschaftWestafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft]] und, der [[MercosurASEAN|GemeinsameVerband Marktsüdostasiatischer SüdamerikasNationen]]. Die älteste solche Organisation, die [[EuropäischeKaribische Gemeinschaft für Kohle und Stahl]] (Montanunion), bestand bis 2002, da ihre Existenz vertraglich auf 50 Jahre beschränkt war. Diedie [[Europäische GemeinschaftAndengemeinschaft]] istund durchder den[[Mercosur|Gemeinsame ''VertragMarkt von Lissabon'' zum 1Südamerikas]].&nbsp;Dezember 2009 in der Europäischen Union aufgegangen.
 
Die erste jemals gegründete Organisation war die [[Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl]] (Montanunion), diese bestand bis 2002, da ihre Existenz vertraglich nur auf 50 Jahre beschränkt war. Die Europäische Gemeinschaft ist durch den ''Vertrag von Lissabon'' zum 1.&nbsp;Dezember 2009 in dem [[Staatenverbund]] [[Europäische Union]] aufgegangen.
Supranationale Organisationen zeichnen sich durch eine ausgeprägte und ausbalancierte Organstruktur sowie durch eine enge rechtliche Bindung zwischen ihren Mitgliedstaaten aus. Integrationssysteme wie [[NAFTA]] und [[DR-CAFTA]], die eher auf Verhandlungen und Flexibilität in ihren Vereinbarungen setzen, lehnen das supranationale Integrationsmodell ausdrücklich ab und ziehen das intergouvernementale vor.
 
Supranationale Organisationen zeichnen sich durch eine ausgeprägte und ausbalancierte OrganstrukturOrganisationsstruktur sowie durch eine enge rechtliche Bindung zwischen ihren Mitgliedstaaten aus. Integrationssysteme wie [[NAFTA]] und [[DR-CAFTA]], die eher auf Verhandlungen und Flexibilität in ihren Vereinbarungen setzen, lehnen das supranationale [[Regionale Integration|Integrationsmodell]] ausdrücklich ab und ziehen das [[Intergouvernementalismus|intergouvernementale]] vor.
 
== Siehe auch ==
* [[Staatenverbund]]
* [[Supranationaler Emittent]]
 
== Literatur ==
* Michael Schweitzer: ''Staatsrecht III. Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht.''. 8. Auflage. Heidelberg 2004, ISBN 3-8114-9024-9, Rn 271 und 691.
* Fischer/, Köck/, Karollus: ''Europarecht.''. 4. Auflage. Linde, Wien 2002, ISBN 3-7073-0047-1, Rz 890 und 1281 ff.
* Guido Thiemeyer: ''Supranationalität als Novum in der Geschichte der internationalen Politik der fünfziger Jahre.'' In: ''Journal of European Integration History'', Vol. 4 (1998), S. 5–21.
 
== Weblinks ==
* ''[httphttps://www.bpb.de/popupnachschlagen/popup_lemmata.html?guid=2HLOE3lexika/das-europalexikon/177292/supranational „Supranational“Supranational]'' im Europa-Lexikon der [[Bundeszentrale für politische Bildung|bpb]]
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Rechtshinweis}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4184149-9}}
{{SORTIERUNG:Supranationalitat}}
 
{{SORTIERUNG:Supranationalitat}}
[[Kategorie:EU-Begriff]]
[[Kategorie:Europarecht]]
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[[Kategorie:Politisches System der Europäischen Union]]
[[Kategorie:Föderalismus]]
[[Kategorie:Staatenverbindung]]